"Wir bemühen uns seit 28 Jahren gemeinsam um positive Urlaubserlebnisse für die Gäste - da ist man dann schon enttäuscht", ärgern sich Bernd und Beate Mondré von der Pension Hubertus in Zell am See. Einem ihrer Gäste, Jens Grabow aus Hillesheim in Deutschland, wurde von der Anwaltskanzlei Kinberger & Schuberth & Fischer ein mehrseitiges Schreiben mit einer Unterlassungs- und Zahlungsverpflichtung zugestellt. Sollte er der Zahlung von Rechtsvertretung und Schadenersatz, insgesamt eine Summe von 285,10 Euro, binnen elf Tagen nicht nachkommen, würde gegen ihn "im Auftrag seiner Mandantschaft, der Kinberger & Schuberth & Partner Liegenschaftsverwaltung OG" beim Bezirksgericht Zell am See eine Besitzstörungsklage eingebracht. Beigefügt waren Screenshots eines Videos, das Grabows Auto beim "unerlaubten Wenden" auf dem Grundstück, dessen Miteigentümer ganz offensichtlich die Anwaltskanzlei ist, zeigt.
"Für mich ist das ganz klar eine Masche"
Was war passiert? "Wir wollten Richtung Salzburg und sind auf der Brücke versehentlich geradeaus gefahren Richtung Kaprun", schildert Jens Grabow. "Im ersten Moment dachten wir, da ist ein Hotel mit Parkplatz, da können wir wenden. Wir sind draufgefahren, haben gewendet und sind wieder ausgefahren, das war's. Nicht angehalten, nicht ausgestiegen." Die Schilder habe er "einfach nicht gesehen". So geschehen am 17. Juni. Am 29. September flatterte Grabow oben genanntes Schreiben ins Haus. "Meine Vermieterin hat die Anwaltskanzlei angeschrieben. Es hieß, man könnte mir 100 Euro nachlassen, sonst sei es aber zu begleichen." Auch anderen Gästen erging es so, wie aus den Google-Bewertungen der Kanzlei ersichtlich ist. Der Deutsche rief noch einmal selbst an und bat um ein Gespräch mit Herrn Kinberger - ohne Erfolg. Sein Anwalt in Deutschland riet ihm schließlich, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben und zu bezahlen: "Denn wenn das vor das Bezirksgericht geht, könnte es schwierig werden." Dass das tatsächlich so ist, machte der streitbare Zeller Anwalt mit der seinem Schreiben beigefügten Kopie eines Endbeschlusses aus einem anderen Verfahren deutlich: Eine beklagte Partei aus Berlin war darin 2023 verpflichtet worden, die Verfahrenskosten von 926,32 Euro zu begleichen. "Das gleich als Druckmittel beizulegen, scheint mir schon hart", sagt Grabow. Die Botschaft war klar: "Entweder wir bezahlen oder sie gehen zur nächsten Instanz." Familie Grabow hat schließlich 185,10 Euro überwiesen. Eingangsbestätigung habe er trotz vorgebrachter Bitte keine bekommen. "Wir kommen seit 15 Jahren nach Österreich und zum dritten Mal nach Zell am See und haben bis jetzt nur nette Leute getroffen - aber mein erster Impuls war: Wir waren jetzt zum letzten Mal da." Besonders geärgert hat den Urlaubsgast, "dass ausgerechnet ein Anwalt so handelt. Da geht es ja nicht nur um die 186 Euro, die kann ich schon verschmerzen. Aber die Vorgehensweise finde ich wirklich traurig. Und ich habe eigentlich nichts Schlimmes gemacht." Offensichtlich habe man ihn bei dem unerlaubten Wendemanöver vom Fenster aus mit dem Handy gefilmt: "Da hätte auch jemand zu mir persönlich etwas sagen können und ich hätte mich natürlich entschuldigt. Aber so kriegt man drei Monate später einen Anwaltsbrief." In Deutschland gebe es dieses Modell der Besitzstörung nicht, sagt Grabow. "Da kann ich maximal die Polizei rufen, wenn jemand auf meinem Grund parkt."
Rechtsanwalt spricht von "massiver Störung" und fordert Respekt vor Privateigentum
Rechtsanwalt Sebastian Kinberger sagt, die Schilder seien angesichts der "unglaublichen Vielzahl an Personen, die diesen Parkplatz als Wendeplatz missbrauchen", notwendig. Es gebe eine "massive Gefährdung von Personen und Sachen" durch die Wender, die den Platz zum Teil auch zum Urinieren oder Koten missbrauchen und Müll wegwerfen. "Die Verbotsschilder sollen Mitarbeiter und Kunden des Bürohauses schützen." Kinberger spricht von "massiven Störungen" mit "Hunderten Autos am Tag" und appelliert an Autofahrer, "sich hier nicht vorsätzlich über die Schilder hinwegzusetzen und den Besitz zu respektieren". Eine Schranken-Lösung sei polizeilich geprüft, aber als nicht machbar befunden worden.
Bundesregierung erwägt Gesetzesänderung
Besitzstörungen wegen Falschparkens oder unerlaubten Wendens sind in den letzten Monaten ein heißes Thema (mehr dazu auf sn.at). Die aktuelle Rechtslage bietet für Betroffene kaum einen Spielraum. Die Bundesregierung erwägt nun eine Gesetzesänderung, die die Verfahrenskosten massiv senken soll.