Diese Proteste gegen den Massentourismus sind etwa in Mallorca, Barcelona oder Venedig schon aufgeflammt. Muss man das in Salzburg auch bald tun?Dort ist die Lage eine noch dramatischere. Wir haben jetzt eine neue Stadtregierung, die ein neues Leitbild erarbeitet. Dann muss man immer noch warten, bis die ersten Maßnahmen gesetzt werden. Das dauert sicher noch ein, zwei Saisonen oder Jahre. Eines der Probleme, das man jetzt schon angeht, sind die Vermietungen an Touristen durch Airbnb. Ich finde das sehr positiv. Dadurch haben wir in Salzburg eine Lösung gegen die Bedrohung, dass der Tourismus Wohnraum wegnimmt oder verteuert.
Gibt es noch etwas, was die Politik in puncto Tourismus bereits gut macht?Es ist gut, dass dieses Leitbild erarbeitet wird. Das hätte man aber auch früher machen können. Es war ein schwerer Fehler der letzten Regierung. Da ist im Tourismus lang nichts passiert. Man hat keine steuernden Eingriffe gemacht. Das fällt uns heute auf den Kopf. Speziell im Verkehrsbereich.
Inwiefern?Die Verkehrssituation ist eines der zentralen Probleme der Salzburger. Die ist nämlich durch den selbst gemachten Verkehr schon schwierig. Wenn dann diese rund um die Altstadt kreisenden Touristen-Pkws dazukommen, wird es noch dramatischer. Das so lange treiben zu lassen, ist aus meiner Sicht ein schwerer Fehler gewesen.
Wie schaut es mit den Reisebussen aus? Wie muss die Stadt damit umgehen?Drei Viertel der Salzburger in meiner Studie von 2019 waren der Meinung, dass die Reisebusse an die Peripherie gehören. Man kann überlegen, ob man jene hereinfahren lässt, die direkt zu den Hotels fahren. Wenn Tagestouristen mit dem Reisebus ins Zentrum kommen, dann wieder hinausfahren, drei Stunden später wieder hinein- und danach wieder hinausfahren, ergibt das gleich vier Fahrten. Das ist eine massive Verkehrsbelastung.
Das heißt, man müsste den Touristenverkehr an den Stadtrand auslagern?Ja, natürlich. Der Wunsch ist ja, wenn die Messebahn bis zum Mirabellplatz hereinkommt, die Leute bei der Messe parken zu lassen. Das geht aber nur, wenn man die Autos tatsächlich dorthin verpflichtet. Da braucht es eine gesetzliche Grundlage dafür.
Würde der S-Link dabei Abhilfe schaffen?Als Teil des Generalverkehrssystems auf jeden Fall.
Venedig geht aktuell in Form einer Besuchsgebühr und einer Beschränkung für Reisegruppen gegen den Massentourismus vor. Sind solche Maßnahmen auch in Salzburg sinnvoll?Eine gewisse Regulierung, die man ohne eine Gebühr hinbekommt, wäre das zu Favorisierende. Es geht nicht darum, dass man noch einmal Geld aus den Leuten herausholt. Wobei das schon auch eine Überlegung ist. Wenn die Kapazitätsgrenzen erreicht sind, dann muss man handeln. Beziehungsweise schon früher. Ich muss Destinations-Management betreiben und nicht nur Marketing. Und das ist mein Wunsch an die Regierung.
Also liegt die Lösung aktuell bei der Politik? Absolut.
Wie kann man den Tourismus auf ein erträgliches Maß beschränken, ohne Touristen zu verjagen? Tourismus bringt ja bekanntlich Geld und schafft Arbeitsplätze. Natürlich gibt es eine Wertschöpfung durch den Tourismus. Ich glaube aber nicht, dass er die goldene Kuh ist. Man muss abwägen, ob man den zusätzlichen Verkehr und Ähnliches in Kauf nimmt, damit der Tourismus läuft. So wie er jetzt läuft, kann man nicht sagen, dass alle Salzburger davon profitieren.
Meinen Sie damit die Bewohner? Ich arbeite seit 1974 in der Stadt. Es ist aus meiner Sicht erst in den letzten zehn bis 15 Jahren eine Situation erreicht worden, die nicht mehr angenehm ist. Und das betrifft auch nicht das ganze Jahr, sondern im Wesentlichen die Adventzeit und die Sommermonate.
Und wie viel Tourismus verträgt die Stadt Salzburg noch?Also ich glaube, dass wir das Ausmaß, was sich gut verträgt und was die Salzburger mittragen würden, bereits überschritten haben. Eine Faustregel gibt es nicht. Für mich ist das zentrale Kriterium, wenn die Einheimischen anfangen, massiv Kritik zu üben.
Kritik gab es in letzter Zeit auch von Altstadtbetrieben. Manche von ihnen haben Benimmregeln für Touristen aufgestellt. Was halten Sie davon?Das ist eine Art von Hilferuf und ich verstehe das sehr gut. Wenn ich einen ganzen Vormittag nur die Pullover-Stapel in Ordnung bringen muss, die Leute hineingehen und das Geschäft wie einen Selbstbedienungsladen interpretieren, dann fühlen sich die Händler benachteiligt. Ich vermute, dass man mit solchen Maßnahmen ein bisschen was erreicht. Eine Lösung ist es aber nicht. Es ist ein Verzweiflungsakt.
Wie hat es denn so weit kommen können, dass die Betriebe Benimmregeln aufstellen müssen?Die Konsumgewohnheiten der Leute haben sich im Laufe der Zeit verändert. Dieses Schnelle, Hastige, Rücksichtslose beobachten wir überall dort, wo viele Leute in Erscheinung treten. Und das sind nicht nur asiatische Touristen, die anstrengend sein können. Auch bei sächsischen oder oberösterreichischen Gruppen etwa ist es das Gleiche. Sie glauben, die Stadt gehört ihnen und nehmen den Platz in Anspruch.
Wie können Betriebe, Einheimische und Touristen einen Platz in der Stadt haben, ohne dass jemandem etwas weggenommen wird?Das geht sehr viel besser, wenn man mit den Gruppen in Kontakt tritt und entsprechende Informationsarbeit leistet. Ich kann ja auch nicht einfach behaupten, ich sei Bergsteiger und daher gehe ich auf schwierige Berge. Ich brauche dazu Kompetenz. Das ist zum einen die Selbstverantwortung des Touristen. Seitens der UNWTO (Anmerkung: Weltorganisation für Tourismus) gibt es auch einen Code of Ethics. Touristen bei der Hand zu nehmen und sie zu lehren, was geht und was nicht, ist aus meiner Sicht völlig in Ordnung.
Da wären wir also wieder bei der Politik?Da braucht es nicht unbedingt die Politik. Das können Tourismusverbände, Händler oder Touristiker auch tun. Informationen über den Ablauf in einer Stadt kann man problemlos vermitteln. Das steht auch in Reiseführern, wird aber nicht kontrolliert. In Amsterdam zum Beispiel wird das Urinieren in die Grachten bestraft. Wenn man das entsprechend kommuniziert, wird man sich als Tourist überlegen, ob man das macht. Es ist also besser, im Vorhinein auf die gütliche Art Probleme in den Griff zu kriegen.