Anders als in manch anderem Land war das Konzept der öffentlichen Bücherschränke in Österreich noch wenig verbreitet. Zwar stellte bereits 1991 das Künstlerduo Clegg & Guttmann drei Büchervitrinen in Graz auf. Diese hielten sich aber nicht lange. Die beiden Büchertankstellen des Literaturhauses in Lehen bzw. in Nonntal haben sich nun über die Jahre bewährt. So wie auch viele andere in der Stadt. Die meisten davon sind alte Telefonzellen. Manche wurden direkt vor Ort umfunktioniert, andere speziell für den Zweck neu aufgestellt. Passender Ansprechpartner ist in dem Fall das städtische Abfallservice. Wenn jemand wegen einer Telefonzelle für eine Büchertankstelle anfrage, helfe man bei der Beschaffung, dem Aufbau und der Gestaltung, heißt es dort auf Nachfrage. In der Regel beziehe man die ausrangierten Zellen direkt von A1 Telekom. Der Abfallservice selbst betreibt am Recyclinghof in Maxglan eine Büchertankstelle, Platz bietet die Ummantelung eines Müllfahrzeugs.
Unterstützung vom Abfallservice hat sich unter anderem der Bewohnerservice Salzburg-Süd geholt. Seit 2019 besteht die dortige Bücherzelle. Sie wird stark frequentiert, wie Michaela Wallmann, Leiterin des BWS Salzburg-Süd, erklärt. "Vor allem während der Coronazeit war das der Renner." Durch den regen Betrieb gebe es auch eine hohe Fluktuation in der Auswahl. "Wir werden zum Beispiel auch angerufen, wenn eine Wohnung ausgeräumt wird." Manche würden sogar ganze Kartons hierherbringen.
Sortiment als Überraschungstüte
Auf eine Zeitung wie jene, in welcher dieser Bericht ursprünglich abgedruckt wurde, werden Sie in den Büchertankstellen in der Regel nicht stoßen. Vielmehr findet man dort ein bunte Mischung aus Romanen, Koch- und Sachbüchern, Reiseführern oder Lexika. CDs und DVDs sieht man sowohl beim BWS Salzburg-Süd als auch beim Literaturhaus weniger gern, der begrenzte Platz gilt den Büchern. Anders im Kulturhaus Mark im Stadtteil Gnigl. Die dortige Bücherecke beherbergt auch ein paar Fächer mit CDs und DVDs. Die Ecke sei als eine Art "belebter Selbstläufer" gedacht, sagt Jenny Szabo, Mitarbeiterin im Mark. Vom Prinzip her ähnle sie ihren Telefonzellen-Pendants. "Leute kommen her, stöbern ein bisschen, lesen in ein Buch hinein, können sich was mitnehmen." Möglich sei das zu den Öffnungszeiten des Kulturhauses. Auch eine Ecke mit Publikationen der Gewinnerinnen und Gewinner des hauseigenen Literaturwettbewerbs gibt es gegen eine Spende. Der Bezug zur Literatur war auch ausschlaggebend für die Gründung der Bücherecke, so Mark-Leiter Gerd Pardeller. Als Kulturzentrum sei es wichtig, Bewusstsein für Literatur zu schaffen. Auch gehe es um den nachhaltigen Umgang mit Produkten, sagt er. Viele Anforderungen an die Bücher gebe es nicht, wie Szabo erklärt: "Sie sollten in einem passablen Zustand sein, z. B. ohne fehlende Seiten." Bücher mit rassistischem oder sexistischem Gedankengut sortiere man aus. Auch beim Literaturhaus habe man schon inhaltlich zweifelhafte Bücher, etwa mit nationalsozialistischem Inhalt, aus den Büchertankstellen entfernen müssen, so Friedmann. Probleme in dieser Hinsicht habe es beim BWS Salzburg-Süd bisher nicht gegeben, so Wallmann. "Wir sortieren aber ganz alte Bücher aus, die erfahrungsgemäß einfach stehen bleiben."
Viele Nutzer, wenig Aufwand
Viel Arbeit macht eine Büchertankstelle nicht. "Es reicht zum Beispiel, ein Mal in der Woche reinzuschauen", so Friedmann. Ansonsten setzte man auf Eigenverantwortung. "Man sollte einer Zivilgesellschaft zutrauen, dass so etwas von selbst läuft." Nur ein paar Mal habe man negative Erfahrungen gemacht. "Es ist kein Zufall, wenn eine volle Büchertankstelle zwei Tage später plötzlich leer ist." Auch bei ihnen sei es schon öfter vorgekommen, dass Unbekannte die Zelle komplett ausgeräumt hätten, sagt Wallmann. Gleich wie Friedmann vermutet sie als Grund den Verkauf auf Flohmärkten.