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Lesen in der Telefonzelle: Eintauchen in Salzburgs Mini-Bibliotheken

Quer über die Stadt verteilt findet man rund 20 Büchertankstellen. Die Stadt Nachrichten haben einige davon besucht und die Geschichten dahinter beleuchtet. Einen Überblick zu allen Büchertankstellen finden Sie in der Bilderstrecke im Bericht.

Thomas Friedmann, Literaturhaus Salzburg: „So ein Konzept sollte von selbst laufen können.“ Im Bild die Büchertankstelle in der Strubergasse in Lehen.
Thomas Friedmann, Literaturhaus Salzburg: „So ein Konzept sollte von selbst laufen können.“ Im Bild die Büchertankstelle in der Strubergasse in Lehen.

Betritt man so eine Bibliothek, ist vieles anders als gewohnt. Platz ist nur in ein paar Regalen, dementsprechend übersichtlich ist das Sortiment. Dieses wechselt laufend, so bleibt jeder Besuch eine Überraschung. Das Ausleihen funktioniert formlos, Rückgabefristen oder Gebühren gibt es nicht, dafür kann man selbst etwas mitbringen.

Die Rede ist vom Prinzip des öffentlichen Bücherschranks. Rund 20 Stück gibt es davon mittlerweile in der Stadt, erst im Juli kam eine neue dazu. Den Anfang machte 2011 die "Buchbox" vor dem Künstlerhaus in Nonntal. Unabhängig davon stellte das Literaturhaus Salzburg ein Jahr später zwei zu Bücherschränken umfunktionierte Telefonzellen auf. Initiator und Literaturhausleiter Tomas Friedmann taufte sie "Büchertankstellen", heute ein etablierter Begriff. "Das Wort sollte verdeutlichen, dass es ein Ort ist, zu dem man immer hin und seine Bücher auftanken kann." Ausschlaggebend für die Idee sei vor über 30 Jahren eine Begegnung in Tamsweg gewesen. Damals seien ihm bei einem Fest mehrere mit Büchern befüllte Kleiderkästen aufgefallen. Diese habe er später übernommen und für einige Zeit vor dem Literaturhaus aufgestellt. Der Startschuss für die Büchertankstellen kam fast 20 Jahre später. Auf der Suche nach einem passenden Projekt für eine Freiwillige, die sich im Literaturhaus engagieren wollte, seien Friedmann wieder die Bücherkästen in den Kopf gekommen. "Ich habe dann vorgeschlagen, etwas mit Büchern im öffentlichen Raum zu machen." Gutes Timing: "Das war zur Zeit, als die Telefonzellen langsam verschwunden sind."

Überblick über alle Büchertankstellen in der Stadt

Besetzt! Reger Betrieb an der umfunktionierten Telefonzelle in der Schrannengasse.
Besetzt! Reger Betrieb an der umfunktionierten Telefonzelle in der Schrannengasse.
Auch in Salzburg-Süd findet man eine Bücherzelle. Im Bild die Leiterin des dortigen Bewohnerservice, Michaela Wallmann.
Auch in Salzburg-Süd findet man eine Bücherzelle. Im Bild die Leiterin des dortigen Bewohnerservice, Michaela Wallmann.
Nicht weit entfernt von der Schrannengasse wartet im eine kreativ gestaltete Bücherzelle im Andräviertel.
Nicht weit entfernt von der Schrannengasse wartet im eine kreativ gestaltete Bücherzelle im Andräviertel.
Fällt gleich ins Auge: Die Bücherzelle am Veronaplatz im Stadtteil Itzling.
Fällt gleich ins Auge: Die Bücherzelle am Veronaplatz im Stadtteil Itzling.
Ebenfalls in Rot, aber etwas anders gestaltet: Die Bücherzelle des Bildungswerk Gneis in der Adam-Müller-Guttenbrunn-Straße.
Ebenfalls in Rot, aber etwas anders gestaltet: Die Bücherzelle des Bildungswerk Gneis in der Adam-Müller-Guttenbrunn-Straße.
Ein paar Hundert Meter weiter: Die Büchertankstelle neben der Stadtpfarrkirche Gneis in der Eduard-Macheiner-Straße.
Ein paar Hundert Meter weiter: Die Büchertankstelle neben der Stadtpfarrkirche Gneis in der Eduard-Macheiner-Straße.
Schon seit 2011 in Betrieb: Die Buchbox vor dem Künstlerhaus in der Hellbrunnerstraße.
Schon seit 2011 in Betrieb: Die Buchbox vor dem Künstlerhaus in der Hellbrunnerstraße.
Wurde ebenfalls vom Literaturhaus initiiert: Die Büchertankstelle vor der Arge in Nonntal.
Wurde ebenfalls vom Literaturhaus initiiert: Die Büchertankstelle vor der Arge in Nonntal.
In der Bindergasse in Maxglan steht die Bücherzelle direkt vor dem lokalen Kindergarten.
In der Bindergasse in Maxglan steht die Bücherzelle direkt vor dem lokalen Kindergarten.
Bietet eine große Auswahl: Die Bücherecke des Abfallservice am Recyclinghof in Maxglan. Auch der dortige Re-Use-Container bietet Platz für Bücher.
Bietet eine große Auswahl: Die Bücherecke des Abfallservice am Recyclinghof in Maxglan. Auch der dortige Re-Use-Container bietet Platz für Bücher.
Die Bücherzelle des Stadtteilvereins Parsch findet man im Bereich Gaisbergstraße/Fürstallergasse.
Die Bücherzelle des Stadtteilvereins Parsch findet man im Bereich Gaisbergstraße/Fürstallergasse.
Auch in der Stadtbibliothek in Lehen gibt es eine Bücherecke. Das Konzept gleicht hier einer Art „Flohmarkt“mit Spendensystem.
Auch in der Stadtbibliothek in Lehen gibt es eine Bücherecke. Das Konzept gleicht hier einer Art „Flohmarkt“mit Spendensystem.
Zu den Öffnungszeiten des Bewohnerservice Gnigl/Schallmoos wartet auch in der Fritschgasse ein Bücherecken-Angebot.
Zu den Öffnungszeiten des Bewohnerservice Gnigl/Schallmoos wartet auch in der Fritschgasse ein Bücherecken-Angebot.
Vom Bewohnerservice Aigen/Parsch betreut: Die Bücherzelle in der Aigner Straße. Gut fünf Minuten Fußweg entfernt findet man in der Olivierstraße auch eine Bücherzelle der Lebenswelt Aigen.
Vom Bewohnerservice Aigen/Parsch betreut: Die Bücherzelle in der Aigner Straße. Gut fünf Minuten Fußweg entfernt findet man in der Olivierstraße auch eine Bücherzelle der Lebenswelt Aigen.
Die dritte Bücherzelle in Gneis findet man direkt neben dem Lebensgarten beim Kommunalfriedhof. Sie wurde im Juli 2024 aufgestellt und ist damit die aktuell jüngste Büchertankstelle in der Stadt.
Die dritte Bücherzelle in Gneis findet man direkt neben dem Lebensgarten beim Kommunalfriedhof. Sie wurde im Juli 2024 aufgestellt und ist damit die aktuell jüngste Büchertankstelle in der Stadt.
Zentral bei Spiel- und Dorfplatz: Die Bücherzelle des Club Liefering.
Zentral bei Spiel- und Dorfplatz: Die Bücherzelle des Club Liefering.
Auch in den städtischen Freibädern beim Volksgarten, in der Alpenstraße und in Leopoldskron findet man je eine Bücherzelle.
Auch in den städtischen Freibädern beim Volksgarten, in der Alpenstraße und in Leopoldskron findet man je eine Bücherzelle.

Anders als in manch anderem Land war das Konzept der öffentlichen Bücherschränke in Österreich noch wenig verbreitet. Zwar stellte bereits 1991 das Künstlerduo Clegg & Guttmann drei Büchervitrinen in Graz auf. Diese hielten sich aber nicht lange. Die beiden Büchertankstellen des Literaturhauses in Lehen bzw. in Nonntal haben sich nun über die Jahre bewährt. So wie auch viele andere in der Stadt. Die meisten davon sind alte Telefonzellen. Manche wurden direkt vor Ort umfunktioniert, andere speziell für den Zweck neu aufgestellt. Passender Ansprechpartner ist in dem Fall das städtische Abfallservice. Wenn jemand wegen einer Telefonzelle für eine Büchertankstelle anfrage, helfe man bei der Beschaffung, dem Aufbau und der Gestaltung, heißt es dort auf Nachfrage. In der Regel beziehe man die ausrangierten Zellen direkt von A1 Telekom. Der Abfallservice selbst betreibt am Recyclinghof in Maxglan eine Büchertankstelle, Platz bietet die Ummantelung eines Müllfahrzeugs.

Unterstützung vom Abfallservice hat sich unter anderem der Bewohnerservice Salzburg-Süd geholt. Seit 2019 besteht die dortige Bücherzelle. Sie wird stark frequentiert, wie Michaela Wallmann, Leiterin des BWS Salzburg-Süd, erklärt. "Vor allem während der Coronazeit war das der Renner." Durch den regen Betrieb gebe es auch eine hohe Fluktuation in der Auswahl. "Wir werden zum Beispiel auch angerufen, wenn eine Wohnung ausgeräumt wird." Manche würden sogar ganze Kartons hierherbringen.

Mitarbeiterin Jenny Szabo in der Bücherecke des Mark im Stadtteil Gnigl.
Mitarbeiterin Jenny Szabo in der Bücherecke des Mark im Stadtteil Gnigl.

Sortiment als Überraschungstüte

Auf eine Zeitung wie jene, in welcher dieser Bericht ursprünglich abgedruckt wurde, werden Sie in den Büchertankstellen in der Regel nicht stoßen. Vielmehr findet man dort ein bunte Mischung aus Romanen, Koch- und Sachbüchern, Reiseführern oder Lexika. CDs und DVDs sieht man sowohl beim BWS Salzburg-Süd als auch beim Literaturhaus weniger gern, der begrenzte Platz gilt den Büchern. Anders im Kulturhaus Mark im Stadtteil Gnigl. Die dortige Bücherecke beherbergt auch ein paar Fächer mit CDs und DVDs. Die Ecke sei als eine Art "belebter Selbstläufer" gedacht, sagt Jenny Szabo, Mitarbeiterin im Mark. Vom Prinzip her ähnle sie ihren Telefonzellen-Pendants. "Leute kommen her, stöbern ein bisschen, lesen in ein Buch hinein, können sich was mitnehmen." Möglich sei das zu den Öffnungszeiten des Kulturhauses. Auch eine Ecke mit Publikationen der Gewinnerinnen und Gewinner des hauseigenen Literaturwettbewerbs gibt es gegen eine Spende. Der Bezug zur Literatur war auch ausschlaggebend für die Gründung der Bücherecke, so Mark-Leiter Gerd Pardeller. Als Kulturzentrum sei es wichtig, Bewusstsein für Literatur zu schaffen. Auch gehe es um den nachhaltigen Umgang mit Produkten, sagt er. Viele Anforderungen an die Bücher gebe es nicht, wie Szabo erklärt: "Sie sollten in einem passablen Zustand sein, z. B. ohne fehlende Seiten." Bücher mit rassistischem oder sexistischem Gedankengut sortiere man aus. Auch beim Literaturhaus habe man schon inhaltlich zweifelhafte Bücher, etwa mit nationalsozialistischem Inhalt, aus den Büchertankstellen entfernen müssen, so Friedmann. Probleme in dieser Hinsicht habe es beim BWS Salzburg-Süd bisher nicht gegeben, so Wallmann. "Wir sortieren aber ganz alte Bücher aus, die erfahrungsgemäß einfach stehen bleiben."

Viele Nutzer, wenig Aufwand

Viel Arbeit macht eine Büchertankstelle nicht. "Es reicht zum Beispiel, ein Mal in der Woche reinzuschauen", so Friedmann. Ansonsten setzte man auf Eigenverantwortung. "Man sollte einer Zivilgesellschaft zutrauen, dass so etwas von selbst läuft." Nur ein paar Mal habe man negative Erfahrungen gemacht. "Es ist kein Zufall, wenn eine volle Büchertankstelle zwei Tage später plötzlich leer ist." Auch bei ihnen sei es schon öfter vorgekommen, dass Unbekannte die Zelle komplett ausgeräumt hätten, sagt Wallmann. Gleich wie Friedmann vermutet sie als Grund den Verkauf auf Flohmärkten.

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