2016 stellte er die Rennski ab. Und packte Neues an. Dabei halfen dem Unkener sein wacher Blick, seine Neugier, sein Mut und seine Kommunikationsstärke. Die "Salzburger Woche" traf Reinfried Herbst (41) in seinem Haus in Wals-Siezenheim.
Ihnen war wichtig, neben dem Skisport eine Ausbildung zu haben. Warum?
Mein sportlicher Werdegang war von Verletzungen geprägt. In jeder Sekunde war klar: Es kann schneller vorbei sein, als man glaubt. In der Schulzeit war ich eine Flasche, hab' nie verstanden, für was ich etwas lerne. Der Knackpunkt war, als ich das kapiert habe. Ich hatte ja nur den Sport im Kopf.
Sie haben unter anderem zwölf Operationen wegstecken müssen. Wie gelang es, sich immer zurückzukämpfen? Zu mir haben sie gern Stehaufmandl gesagt. Entweder man hat diesen Zug - oder nicht. Ich war immer der Typ: Aufgegeben wird erst, wenn der Deckel zu ist. Man sucht die Wege, sich an den letzten Strohhalm zu klammern.
Woher kommt diese spezielle Einstellung?
Ich bin in Unken am Bauernhof aufgewachsen. Ich konnte am Wochenende nicht schwimmen gehen, wenn das Heu zu ernten war. Auch wenn das damals nicht lustig war: Ich habe Grundwerte mitbekommen, für die ich heute sehr dankbar bin.
Heute sind Sie Koordinator für Spitzensportler im Polizeidienst. Ein Job, den Sie vor vier Jahren selbst geschaffen haben. Wie kam es dazu?
Der Polizeisport war geduldet, aber nicht wirklich ausgereift. Ich war selbst in dem System und kannte die Abläufe. Wir hatten Führungskräfte, die erfolgreiche Sportler waren, die waren ehrgeizig, zielstrebig und hatten, was man braucht. Doch das war in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Es waren viele Verbesserungen notwendig - für Sportler und Polizei. Ich habe ein Konzept vorgeschlagen, wie der Polizei-Spitzensport neu ausschauen könnte. Das hat schnell Anklang gefunden.
Wie viele Polizeisportler betreuen Sie aktuell?
Begonnen habe ich 2016 mit 21, heute sind es 65 in verschiedenen Sportarten. Ich bin im ständigen Austausch mit Sportlern, Verbänden, Funktionären und Trainern und auch in der Organisation für die Schulen zuständig. Ich koordiniere, wann wir Kurse machen. Für mich ist es brutal spannend und interessant, ich bekomme Einblicke in alle möglichen Verbände und Abläufe.
Ihr Werdegang prädestiniert Sie dafür, Erfahrungen an junge Leute weiterzugeben. Was ist das Grundgerüst?
Ehrgeiz, Körpergefühl, Leidenschaft pur, für die Sache leben. Kinder dürfen Fehler machen und sollen daraus lernen. Es gibt die Tendenz, dass Junge glauben, sie sind auf einem super Weg und fühlen sich sicher, allerdings kann das sehr schnell anders ausschauen. Hier gebe ich gerne den Tipp weiter, über den Tellerrand hinauszuschauen und sich ein zweites Standbein aufzubauen. Es wird immer wichtiger, dass man sich absichert, einen Beruf im Auge behält neben der Sportkarriere. Über die finanzielle Lage brauchen wir gar nicht reden, die ist heutzutage eine Katastrophe. Du verdienst im Weltcup nur, wenn du ganz vorne bist.
Mit Ex-Skikollegen Manfred Pranger machen Sie Motivations- und Bewegungsworkshops. Welche Idee steckt dahinter?
Wir haben ein Programm entwickelt für Jung, für Alt, für Sportler, für Nichtsportler. Sehr hilfreich war die Zusammenarbeit mit Kur- und Reha-Leuten. Wir halten keinen Vortrag, bei uns geht es darum, eineinhalb Stunden mitzumachen. So hat man ein ganz anderes Bewusstsein. Es muss kein Mensch drei Stunden am Tag Sport betreiben. Es reicht eine halbe Stunde, die soll bewusst gemacht werden. Wir sagen: weg von Hanteln und dem ganzen Theater, stattdessen mit dem eigenen Körpergewicht arbeiten. Gezielt die kleine, feine Muskulatur stärken. Jeder kann unsere Übungen in der Intensität ausführen, wie es für ihn passt, es ist ein schneller Erfolg spürbar. Wir machen die Workshops auch für Firmen und ihre Mitarbeiter, das wird gut angenommen.
Die Coronazeit brachte auch viele sportliche Einschränkungen mit sich, ob in der Schule oder den Vereinen. Wie haben Sie das beobachtet?
Ganz schlimm finde ich, dass viele Kinder in den vergangenen Monaten noch weniger aktiv waren, stattdessen am Handy oder an der Spielkonsole hingen. Eine ganz wichtige Botschaft ist für mich: Kinder müssen sich bewegen, das stärkt Körper und Geist, das ist für die Zukunft das Um und Auf.
Nebenbei vertreiben Sie antibakterielle Reinigungstücher - ein brandaktuelles Thema.
Dazu bin ich als Aktiver gekommen. Es ging mir um einen Selbstschutz vor Bakterien. Im Jänner krank zu sein, kann man sich als Slalomfahrer nicht leisten. Mich hat fasziniert, mit einem Tuch ohne Chemie bakterienfrei reinigen zu können. Die Idee ist einfach gut und hat mich nach wie vor nicht losgelassen. Mit diesem Tuch kann man Bakterien nicht von A nach B tragen - so ist das Produkt jetzt zur Coronazeit sehr interessant geworden und das Bewusstsein viel größer.
Die Zucht von Koikarpfen hat es Ihnen angetan. Warum haben Sie zu dieser Fischart eine so besondere Beziehung aufgebaut?
Am Koiteich bist du stressfrei in einer eigenen Welt. Hier kann man runterkommen, wenn sich alles zu schnell dreht, man für nichts mehr Zeit und den Schädel voll hat. Innerhalb von Sekunden juckt dich das nicht mehr. Kois sind die Entertainer im Garten. Zu jedem Fisch hat man einen persönlichen Draht, man kann stundenlang zuschauen, sie fressen dir aus der Hand, sind sehr zutraulich - das ist für einen Fisch unüblich, das macht es aus.
Ist es auch ein Geschäft?
Mittlerweile natürlich. Seit ich die Kois habe, ist der Geschäftsgedanke stetig gewachsen. Die Kunden sind einerseits Menschen, die für jeden Euro hart arbeiten, andererseits auch solche, die Millionen haben. Was mir wichtig ist zu kommunizieren: Koi ist nicht gleich teuer, es geht von 50 bis über 12.000 Euro, es ist alles möglich. Aus Holland, Deutschland, der Schweiz, Italien, von überall sind schon Leute da gewesen, um Fische zu kaufen. Sie sind fasziniert vom Erscheinungsbild, der Farbe, dem Glanz. Kois sind Vielfalt, es gibt 120 Arten, kleinere kann man auch in Aquarien halten. Bei mir in der Koi-Alm Salzburg schwimmen viele mit großem Potenzial. Der ein oder andere kann die Ein-Meter-Marke knacken.
Wie gelingt es Ihnen, neben all diesen Tätigkeiten gut zu regenerieren?
Es gibt Phasen, wo ich quasi knapp am Burn-out bin und ermüde. Wenn ich das spüre, zieh' ich mich kurz zurück und mache nur das, was mir taugt. Fischen ist genial zum Abschalten. Im Garten gibt es genug zu tun, da mache ich alles selbst. Und: Für die Familie muss immer genügend Zeit bleiben. Ich werde nie jemand sein, dem fad wird.
Wie stark verfolgen Sie die Entwicklungen im Skirennsport?
Ich lebe das noch voll mit, erfahre durch Manni sehr viel, auch was mit dem Material passiert, er ist ja bei Völkl beim Entwickeln der Rennski dabei. Ich habe durch die Polizei Zugänge und Einblicke, pflege nach wie vor engen Kontakt zu Trainern und Läufern - so bin ich up to date.
Vor welchen Herausforderungen steht der Weltcup?
Ich glaube, dass der Skisport auch in der Coronakrise gut im Fernsehen präsentiert werden kann. Wo ich Sorgen habe, ist das Drumherum, das Wirtschaftliche, dieser Mehraufwand, das mühsame Reisen. Das kann einige Verbände so in die Bredouille bringen, dass es finanziell ganz schwierig wird, speziell im Nachwuchsbereich. Rennsport ist Luxus und einige haben die letzten Jahre schon gekämpft. Die Millionen für Sponsorgelder sitzen nicht mehr so locker.
Ausruhen auf Erfolgen - das kam Ihnen nie in den Sinn?
Ich brauche Abwechslung, will was tun und nicht von der Vergangenheit leben. Alles, was war, ist cool und war geil. Aber irgendwo sein Denkmal danach zu setzen, nach der Skikarriere in anderen Bereichen - das ist für mich mehr wert, als sich auf dem auszuruhen, was geschehen ist.
Zur Person: Reinfried Herbst
Der Ex-Skirennläufer wurde am 11. Oktober 1978 geboren und wuchs in Unken auf. Er wohnt mit Ehefrau Manuela und den Kindern Lilly und Felix in Wals-Siezenheim.
Die größten Erfolge des Slalomspezialisten in seiner 15-jährigen Weltcupkarriere: Olympia-Silber in Turin 2006; Slalom-Gesamtsieger 2009/10; neun Siege, darunter zwei beim Schladminger Nightrace; sieben weitere Podestplätze.
Seit vier Jahren ist der Polizeibeamte im Bundesministerium für Inneres als Polizei-Spitzensport-Koordinator tätig. Er betreut
65 Spitzensportler und ist Teil
der Aufnahmekommission.
Weitere Tätigkeiten: Mit seiner Firma (event-corner.at) wickelt Herbst Skitage, Werbe- & Promotionevents ab, mit Manni Pranger Motivations- und Bewegungsworkshops (herbstandpranger.at). Außerdem vertreibt er chemiefreie Reinigungstücher mit antibakteriellem Silber (microclean-store.at), beschäftigt sich mit der Koizucht (koialm-salzburg.at), ist Kästle-Markenbotschafter und Werbeträger einiger Firmen.