"Ein ‚Lear' im Pinzgau - das ist keine Selbstverständlichkeit", kommt Reinhold Tritscher gleich zum Punkt. Das ist quasi "vor der Haustür ein Angebot, das man sich sonst nur in einer Großstadt erwarten würde". Gewissermaßen eine "Sensation in der Region", sagt der künstlerische Leiter des Theater ecce.
Großer Publikumszuspruch in der Landeshauptstadt
Das Shakespeare-Stück sei seit 1945 - so weit die Recherche zurückreicht - "in Stadt und Land Salzburg nie inszeniert worden". In der Landeshauptstadt wurden bis vorige Woche insgesamt acht Aufführungen gegeben, die sehr guten Kritiken und der Publikumszuspruch erfreuten den Theatermacher. "Jetzt hoffe ich, dass ein derartiges Angebot auch im Pinzgau auf großes Interesse stößt." "König Lear" ist gleich am Eröffnungstag der Veranstaltungsreihe "Theaterherbst" (17. bis 31. Oktober) im Kunsthaus Nexus zu sehen.
Salim Chreiki spielt König Lear
In die Hauptrolle schlüpft der syrische Schauspieler Salim Chreiki. Er flüchtete im Jahr 2014 in den Pinzgau, fand erst in Unken und mittlerweile seit sieben Jahren in Saalfelden eine neue Heimat. "Er war in Syrien ein gefeierter, sehr bekannter Schauspieler, hat seine Qualitäten bei uns aber nie vollends zeigen können. Dabei ist die Sprache natürlich ein Hemmnis", schildert Tritscher. Mit dem König Lear fand er nun eine Rolle wie zugeschnitten auf den vierfachen Vater, dessen Familie weit verstreut lebt. Chreiki spielt den König in arabischer Sprache, die Zweisprachigkeit verleihe dem Stück eine zusätzliche einzigartige Note: "Der arabische Sprachduktus ist etwas Besonderes. Und es braucht sich niemand fürchten, dass die Verständlichkeit darunter leidet. Salims sehr expressives Spiel trägt dazu bei, ebenso die eingeblendeten Übertitel."
"Diese Rolle ist eine große Chance für mich", weiß Salim Chreiki das Vertrauen sehr zu schätzen. "Am Anfang hatte ich schon Angst. Das ist die schwierigste Rolle von Shakespeare", sagt der Syrer. Und er sei auch vor allen bisherigen Auftritten unruhig gewesen. "Aber mit dem ersten Satz auf der Bühne fühle ich mich frei. Das Theater hilft mir, Ruhe und Balance zu finden."
Die Geschichte des alten Patriarchen König Lear liest sich wie eine Analyse zeitgenössischer politischer Verhältnisse - als hätte sich in über 400 Jahren nichts geändert. Tritscher hebt exemplarisch folgenden Satz des Stückes hervor: "Es ist der Fluch der Zeit, dass Verrückte Blinde führen". Daraus könne sich jeder einen Reim machen.
Ein Stück der Stunde
Doch es geht nicht nur um das Ringen nach Macht und Einfluss und die Zerstörungskraft patriarchaler Machtsysteme. Es geht auch um das Altern und tief sitzende familiäre Verletzungen und letztlich um die Hoffnung, die auf einer neuen Generation ruht. Die SN beschrieben "König Lear" kürzlich als "Stück der Stunde. Shakespeares düstere Tragödie führt die Tragweite falscher Entscheidungen vor Augen. Lear lässt sich von den oberflächlichen Schmeicheleien seiner Töchter Regan und Goneril blenden und übersieht darüber die wahre Liebe seiner dritten Tochter. Ein mörderisches Karussell wird in Gang gesetzt, das keine der Figuren unbeschadet überstehen soll."
Was ist beim "Theaterherbst" sonst noch geboten?
Was ist beim "Theaterherbst" sonst noch geboten? Zum Beispiel "Die Bremer Stadtmusikanten", ein Stück für die gesamte Familie nach dem Märchen der Gebrüder Grimm (Regie: Jurij Diez; musikalische Leitung: Nane Frühstückl). "Mit tierisch guter Livemusik, Schauspiel und Akrobatik sowie einem inklusiven Ensemble", heißt es in der Ankündigung. Insgesamt drei Aufführungen (24., 25. und 30. Oktober) stehen in der Mehrzweckhalle Leogang auf dem Programm.
Am 28. Oktober gibt es im Nexus einen Impro-Theaterabend in Kooperation mit der Lebenshilfe Salzburg sowie der "Volxtheaterwerkstatt" (Eintritt: freiwillige Spenden). Der Titel: "Behinderte Liebe". Hier sind alle eingeladen, "mitzuspielen, mitzureden oder einfach nur zuzuschauen", sagt Tritscher. Es stehen noch zwei Proben auf dem Programm, für die sich Interessierte beim Theater ecce melden können. Der künstlerische Leiter ist überzeugt, dass das Ergebnis eine "berührende Improvisation" wird, bei der das Thema "Liebe, Beziehungen und Sexualität" aus der Perspektive von Menschen mit intellektuellen Behinderungen, ihren Angehörigen und den Unterstützer/-innen in Sozialeinrichtungen im Mittelpunkt steht.
Der finale Programmpunkt am 31. Oktober ist eine Darbietung der bissigen Satire "Obszöne Fabeln" im "Hotel der Löwe" in Leogang.
Tickets und detaillierte Informationen gibt es online auf theater-ecce.com