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Scharfrichterhaus: Nach dem Abriss ist vor dem Gedenkort

Der Abriss des Scharfrichterhauses spaltet die Gemüter. Bm.-Stv. Kay-Michael Dankl (KPÖ plus) plädiert für die Errichtung eines Gedenkortes. Ingeborg Haller, BL-Klubobfrau, fordert die Änderung des Raumordnungsgesetzes.

Bürgermeister-Stellvertreter Dankl (KPÖ plus) möchte einen Gedenkort errichten und dafür mit den Grundstückeigentümern ins Gespräch kommen. Ansonsten würde sich auch ein stadteigener Platz eignen.
Bürgermeister-Stellvertreter Dankl (KPÖ plus) möchte einen Gedenkort errichten und dafür mit den Grundstückeigentümern ins Gespräch kommen. Ansonsten würde sich auch ein stadteigener Platz eignen.

Am Mittwoch ist nicht mehr viel vom ehemaligen Scharfrichterhaus in Gneis übrig. Zwei Tage vorher begann der gelbe Bagger mit dem Abriss auf dem Grundstück der Martinbauern in der Neukommgasse 26. Nur noch drei Räume des Erdgeschoßes zeugen von dem geschichtsträchtigen Haus, in dessen unmittelbarer Nähe bis 1817 zahlreiche Menschen mit Schwert oder Strick hingerichtet wurden. Beim Lokalaugenschein wird gerade die Decke eines in Gelb-Beige gehaltenen 1960er-Badezimmers im Erdgeschoß abgetragen. Rundherum sind die Reste des Gebäudes aufgetürmt.

Die Anrainer sind geteilter Meinung zum Abriss

Der Zugang ist während der Abbrucharbeiten nicht gestattet, trotzdem kommt ein junges Paar mit Kleinkind aus dem abgesperrten Bereich. Ihr Sohn ist von den Bauarbeiten begeistert. Dem Abbruch stehen sie neutral gegenüber. Gedenken sollte man anderer Orte, da gebe es Wichtigeres.

Dass das Scharfrichterhaus nun abgerissen wird, findet Ernst Pühringer, Inhaber des Gasthofs und Hotels Hölle, gut. "Das Haus war schwer baufällig. Das hat mich gestört, weil man vom Hotel direkt darauf schaut", so Pühringer. Daher sei der Abriss die bessere Option gewesen.

Anders sieht es Rotraud Z. Sie wohnt seit 55 Jahren in Gneis. Bis vor 50 Jahren sei das damals noch bewohnte Haus schön anzusehen gewesen. Nachdem die Bauern ausgezogen sind, sei es immer mehr verfallen. "Beim Auszug hätte sich die Stadt interessieren können, ob es ein Kulturgut ist oder nicht. Das hat aber keiner getan. Bis der Abbruch im Raum gestanden ist. Da meinten sie: ,Das geht nicht.' Es ist ein Versagen und Versäumnis der Stadt." Bis vor ein paar Jahren habe zudem der zerbrochene Marmortisch des Scharfrichters an der Straße gelegen. Dieser hätte erhalten und in ein Museum gebracht werden müssen. Statt dem Verfall hätte sie sich die Errichtung eines Museums gewünscht.

Vom Scharfrichterhaus zum Bauernhaus und Abriss

In der Neukommgasse lebten bis ins frühe 19. Jahrhundert die Scharfrichter der Stadt. Unweit vom Haus befanden sich die Richtstätte und der "Arme-Sünder-Friedhof". Danach wurde das Areal ein Bauerngut und bis 2000 bewohnt. Anschließend verfiel das Haus. 2011 versuchte die Stadt unter Bürgerlisten-Stadtrat Johann Padutsch und SPÖ-Bürgermeister Heinz Schaden, gegen den Verfall vorzugehen. Ein Stück Land der Martinbauern wurde von Grün- zu Bauland umgewidmet. Dafür wurde eine Raumordnungsvereinbarung beschlossen. Laut einem Artikel der Salzburger Nachrichten (19. August) wurde die verwendete Formulierung im Nachhinein als "zahnlos" und damit als nicht rechtlich bindend degradiert, da der Eigentümer nur die Absicht des Erhalts des Hauses ausdrücken musste und im Gegenzug Widmungsgewinne erhielt. Der Gewinn von einer Millionen Euro wurde jedoch nicht für den Erhalt verwendet. Im Sommer 2023 suchte der Eigentümer aufgrund von herunterfallenden Balkonteilen um eine Abbruchbewilligung an. Daraufhin stellte Bürgerlisten-Klubobfrau Ingeborg Haller Anfang September 2023 den Antrag, den Abbruch zu verhindern und das Haus unter Schutz zu stellen. Sie bekam keine Rückmeldung, stattdessen erteilte die damlige Planungsstadträtin Barbara Unterkofler (ÖVP) im Oktober den Abbruchbescheid.

Bürgerlisten-Klubobfrau Ingeborg Haller fordert Änderungen im Raumordnungsgesetz

Bürgerlisten-Klubobfrau Ingeborg Haller bedauert, dass der Abbruch nun so schnell umgesetzt wurde. "Wir sollten für die Zukunft lernen, dass das an keinem anderen Ort mehr passiert", so Haller im Gespräch mit den Stadt Nachrichten. Sie fordert, dass die entsprechenden Bestimmungen im Raumordnungsgesetz geändert werden. Sonst verliere das Bundesland immer mehr historisch wichtige Bauernhäuser. Diese seien auch ein Teil der Kultur. Zudem plädiert sie, dass die Politik überlegen sollte, wie man Hausbesitzer finanziell unterstützen kann, damit historisch wichtige Häuser künftig erhalten bleiben.

Bürgermeister-Stellvertreter Kay-Michael Dankl (KPÖ) möchte Gedenkort

Bürgermeister-Stellvertreter Kay-Michael Dankl (KPÖ) stellte noch als Gemeinderat Ende 2023 den Antrag, einen Gedenkort für "die zahlreichen Opfer der landesherrlichen Verfolgung" zu errichten, womit er sich auch auf die hingerichteten 150 Kinder und Jugendlichen im Zuge der "Zauberbubenprozesse" und den "Arme-Sünder-Friedhof" bezieht. Der Antrag verfiel mit der alten Regierungsperiode, wurde im Juli 2024 aber noch einmal von KPÖ-Gemeinderat Klaudius May gestellt. Dankl kritisiert, dass bisher nicht ersichtlich war, was hier früher passierte. "Man sollte das Häuschen und den Friedhof sichtbar machen", so Dankl, das sei auch wichtig für die Erinnerungskultur. Dafür könnte man das Gespräch mit den Eigentümern suchen oder einen Gedenkort auf Stadtgrund errichten.

Welche Art von Gedenkort kommen wird, steht noch nicht fest. Haller plädiert für einen Vorschlag vonseiten des Stadtarchivs, Dankl für einen künstlerischen Wettbewerb.

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