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Weil der Einzelne keine Rolle mehr spielt

Romane auf der Bühne zu erzählen ist keine leichte Sache, schon gar nicht in Monologform. "Ein Kind unserer Zeit" gelingt.

Weil der Einzelne keine Rolle mehr spielt
Weil der Einzelne keine Rolle mehr spielt

Zuweilen spielt der Zufall eine bemerkenswerte Rolle. In diesen Tagen beherrschen Monologe das Salzburger Theatergeschehen. Ab 11. Mai spielt Georg Clementi Kafkas "Bericht für eine Akademie" in der Kunstbox Seekirchen. Es ist seit Langem die erste "Landpremiere" des Salzburger Landestheaters, eingerichtet und inszeniert vom Intendanten Carl Philip von Maldeghem. Im Kleinen Theater spielt ebenfalls am 11. Mai Wolfgang Kandler, ein Tamsweger Schauspieler, der Mitglied des Nationaltheaters Radu Stanca im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) gewesen ist, Gogols "Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen". Und in einer Koproduktion mit der gerade im Theater so findigen wie hilfreichen ARGEkultur in Salzburg zeigt der Schauspieler Max Pfnür noch am

11. und 12. Mai seine beeindruckende Version von Ödön von Horváths Roman "Ein Kind unserer Zeit".

Dafür genügen auf kleinem Raum zwei verschiebbare Schrägen und ein paar eiserne Rahmen, um ein Menschenschicksal exemplarisch auf die Bühne, besser noch: ins Leben zu bringen: von der "nackten Existenz", die ihre Bestimmung am Anfang wie einen Urschrei artikuliert: "Ich bin Soldat" über die bittere Lebenserkenntnis, dass ein Einzelner nichts (mehr) zählt, bis zur tödlichen Vereisung.

Gerade in den Schlusssequenzen des eineinhalbstündigen Abends läuft Pfnür, auch sonst faszinierend präsent in verschiedensten Tonlagen, zu großer, beklemmender Form auf. Hier wird die Imaginationskraft von Horváths Sprache fast körperlich greifbar.

Beeindruckend aber ist überhaupt mehrerlei: die schiere Gedächtnisleistung, die in 90 Minuten keinen "Hänger" kennt, die auch das Publikum zum Hinhören zwingt, die Modulationsfähigkeit des Vortrags, die Schauplatz-, Szenen- und Stimmungswechsel reaktionsschnell vollziehende darstellerische Präsenz, mit der Max Pfnür sich mit hoher Energie auch körperlich verausgabt, schließlich die Virtuosität, mit der der Schauspieler selbst noch die Geräuschkulisse live anfertigt.

Nicht alles gelingt gleich intensiv, aber man merkt in jeder Phase der Aufführung, wie sehr der Schauspieler die Charakterzüge des Romanprotagonisten zu seinen eigenen macht: ein Grad an - kontrollierter - Identifikation, die der Darstellung einen dichten Wahrhaftigkeitskern gibt. Wieder einmal eine freie Produktion, die hörens- und sehenswert ist.

Theater: "Ein Kind unserer Zeit" von Ödön von Horváth. ARGEkultur, noch am 11. und. 12. 5., 19.30 Uhr.

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