Wir verhalten uns manchmal zwiespältig. Fliegen in einem Wahlkampf die Fetzen, regen wir uns berechtigt über Untergriffe und Schmutzkübelkampagnen auf. Geht es hingegen ruhig und sachlich zu, gähnen wir vor Langeweile und überlegen, ob wir überhaupt zur Wahl gehen sollen.
Die Bürgermeisterwahl in Salzburg, die am Sonntag ins Stichwahlfinale geht, ist ein gutes Beispiel für Fairness und Seriosität in einem Wettbewerb um Stimmen. Die beiden Kandidaten Harald Preuner (ÖVP) und Bernhard Auinger (SPÖ) begegneten einander bis zuletzt mit Respekt und auf Augenhöhe. Die Parteikader hielten sich zurück, weit und breit keine Heckenschützen aus der zweiten Reihe. Es hat aber auch die Dynamik gelitten. Es ging zu wie beim Mikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.
Die Folge könnte sein, dass am Sonntag weniger Menschen ihre Stimme abgeben. Das wäre schade und würde möglicherweise von den Parteien so gedeutet, dass sie im nächsten Wahlkampf wieder den Vorschlaghammer auspacken.
Diesmal blieb uns politisches Rabaukentum erspart. Der Preis dafür ist, dass heiße Themen kaum angesprochen wurden. Sie brodeln unter der Decke.
1. Der Finanzskandal: Er und die daraus resultierende - nicht rechtskräftige - Verurteilung des Bürgermeisters haben uns diese Wahl eingebrockt. Viele Fragen sind offen.
2. Die Flüchtlinge: Vor zwei Jahren stand Salzburg im Brennpunkt. In der Tiefgarage des Bahnhofs, in Zelten und Hallen wurden täglich Tausende Menschen von Profis und von vielen Freiwilligen mustergültig versorgt. Die meisten sind nach Deutschland weitergezogen. Einige sind hiergeblieben. Darüber, wie sie integriert werden sollen, wurde im Wahlkampf nicht geredet.
3. Brennpunktschulen: In einigen Schulen in Salzburg beträgt der Anteil von Migrantenkindern 80 und mehr Prozent. Diese Schulen werden von einheimischen Eltern gemieden. Sie fahren ihre Kinder quer durch die Stadt in Schulen mit geringem Migrantenanteil.
4. Raumordnung: Wo bisher ein Einfamilienhaus auf 700 Quadratmetern Grund stand, steht jetzt ein von der Stadt abgesegneter Wohnwürfel mit acht bis zehn Einheiten zu je 70 Quadratmetern Nutzfläche. Politiker sprechen von notwendiger Nachverdichtung. Die "kompakte Stadt" ist wie ein Krake.
Durch harmoniebedürftiges Verdrängen wird nichts besser. Wer immer am Sonntag neuer Bürgermeister von Salzburg wird, er muss in all diesen Bereichen rasch handeln.
Der Finanzskandal gehört lückenlos aufgearbeitet. Die Vorgänge in der Stadt, die zur - nicht rechtskräftigen - Verurteilung des Bürgermeisters und einzelner Spitzenbeamter geführt haben, sind vielleicht rechtlich, aber noch lange nicht politisch geklärt. Versicherungen, Pensionen, Haftungen, Transparenz gegenüber dem Gemeinderat: alles offene Punkte.
Wie viele Flüchtlinge leben tatsächlich hier in Salzburg? Wo sind sie untergebracht, wer hilft ihnen? Wie sieht ein konkreter Integrationsplan für jeden einzelnen aus? Wie steht es um Sprachkurse? Wer muss aus rechtlichen Gründen abgeschoben werden? Wie viele sind trotz gültigen Abschiebebescheids noch immer im Land?
In Schweden wurden Brennpunktschulen aufgelöst. Die Schüler wurden gleichmäßig auf andere Schulen verteilt. Kaum sank der Anteil an Migrantenkindern durch diese Aktion pro Schule auf unter 15 Prozent, waren die Probleme so gut wie weg.
Die extreme Verdichtung der Stadt gehört gestoppt. Die Bebauungspläne aus den 90er-Jahren sind nicht sakrosankt. Man kann sie ändern. Bauträgern, die das Beste und Meiste aus einem Grundstück herausholen, kann man keinen Vorwurf machen. Auch den Erben nicht, die verkaufen. Die Stadt bestimmt die Vorgaben, was auf einem Grundstück gebaut werden darf. Es sind nicht böse Spekulanten, sondern Politiker, die festlegen, wie eine Stadt aussieht. Salzburg hat in den letzten 20 Jahren sein Gesicht verändert.
Das alles und viel mehr muss der neue Bürgermeister anpacken. Seine politische Funktion ist nicht nur für die Stadt, sondern das gesamte Land Salzburg bedeutend. Es ist daher wichtig, dass möglichst viele Menschen an der Wahl teilnehmen, weil das die Position des Gewählten stärkt. Und weil es zeigt, dass sich Anstand in der Politik lohnt.