85 Jahre Obus in Salzburg: "Es braucht einen Imagewechsel"
Der Obus in Salzburg ist heuer 85 Jahre alt. Weltweit erlebt das Verkehrsmittel eine Renaissance. Warum der Schienenbonus in Salzburg nicht wirkt.

In Verona wird derzeit ein Obusnetz mit vier Linien gebaut. Im französischen Nancy verkehrt der Obus - auch aus Kostengründen - teils auf den Gleisen der stillgelegten Straßenbahn. In Rimini fährt der Obus auf eigener Straße entlang der Küste. In Prag ist der Betrieb nach Einstellung wieder aufgenommen worden, ein großer Ausbau steht bevor.
In Salzburg ist der Oberleitungsbus seit 1940 durchgehend in Betrieb. Die Oberleitungen gehören zum Stadtbild. Dass weltweit derzeit neue Obusnetze entstehen, mag in Salzburg überraschen. Unter Verkehrsexperten gilt der Obus als hochmodernes Verkehrsmittel. Der Obus ist eine gleislose Bahn und wird nach dem Eisenbahngesetz behandelt. Gerne wird dazu der "Schienenbonus" ins Feld geführt, der an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich errechnet wurde. Als Basis diente eine Autobuslinie, die alle 10 Minuten fährt. Auf selber Strecke in gleichem Intervall erreichte der Obus 20 Prozent mehr Fahrgäste, eine Tram 25 Prozent mehr. "Das ist psychologisch zu erklären", sagt Bahnexperte Gunter Mackinger. "Anders als beim Bus ist das System sichtbar durch Oberleitungen oder Schienen. Rational ist das nicht zu erklären. Das hängt mit der Urangst des Menschen zusammen, irgendwo anzukommen, wo er nicht hinwill."
Fahrgastzahlen beim Obus stagnieren in Salzburg
Doch die Fahrgastzahlen in Salzburg stagnieren seit Jahren. Nach Angaben der Salzburg AG fuhren 2023 34,9 Millionen Fahrgäste mit dem Obus - in etwa gleich viele wie 2013 (wobei die Zählung erst seit 2024 einheitlich vorgenommen wird). Aber auch aus der Studie zum Mobilitätsverhalten in der Stadt Salzburg von 2023 ging hervor, dass der Obus mit einem Anteil von 12 Prozent in etwa gleich blieb wie im Jahr 2012. Wie kann ein angeblich so erfolgreiches System in Salzburg derart auf der Stelle treten? "Man muss das System von der Performance trennen", sagt Mackinger.
1940 gab es den 5-Minuten-Takt bei wenig Pkw-Verkehr, in den 1970er-Jahren fuhr der Obus alle 7,5 Minuten. Davon konnten die Salzburgerinnen und Salzburger zuletzt nur träumen. Erst seit Herbst 2024 ist der Betrieb weitgehend wieder in den 10-Minuten-Takt zurückgekehrt. Jene, die fahren, scheinen zufrieden: 1700 befragte Fahrgäste vergaben nach Angaben der Salzburg AG im Jahr 2024 durchschnittlich die Note 1,4. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Busse liege bei 16,67 km/h.
Verkehrsexperte gibt Note "Befriedigend"
Von dem "Schienenbonus" profitiere der Obus in Salzburg nicht, ist sich Öffi-Experte Sebastian Krackowizer sicher. "Salzburger schieben oft alles, was bei den Öffis schiefläuft, dem Obus zu." Es brauche einen Imagewechsel, dazu zähle auch die Qualität der Haltestellen, oft fehle gar die Beleuchtung am Abend, da spiele das mangelnde Sicherheitsempfinden noch mit. "Man muss sich mehr den Fahrgästen zuwenden, die Bevölkerung muss bei Änderungen mitgenommen werden." Er bewertet den Obus in Salzburg mit der Note Befriedigend. Die Fahrzeuge seien moderner, aber es fehle an der Abstimmung zwischen den Linien, außerdem sei die Pünktlichkeit ein Problem. "Wer viel mit dem Obus fährt, weiß, dass oft lange kein Bus kommt, dann folgen gleich zwei hintereinander."
In Innsbruck ist der Betrieb der Obusse bereits zwei Mal eingeführt und wieder aufgelassen worden, nun denkt man ein drittes Mal über eine Rückkehr der Oberleitungen nach. Mit der EU-Richtlinie, die 2021 Bundesgesetz wurde, müssen ab 2035 alle Stadtbusse emissionsfrei sein. Der Umstieg von Dieselbussen auf Elektrobusse ist teuer - sowohl die Ladeinfrastruktur als auch in der Anschaffung. Zuletzt war eine Delegation aus Innsbruck zu Besuch in Salzburg. Beim Einkauf von Bussen wird gemeinsame Sache gemacht. In Salzburg besteht die Flotte aus 129 Obussen, 60 weitere Elektro-Obusse sind für 2027 bestellt.
Auinger: "Busse sind pünktlich und sauber"
Bgm. Bernhard Auinger (SPÖ): "Wir haben die Infrastruktur für den Obus. Wo es Lückenschlüsse braucht, können die neuen Modelle mit Batterie abkoppeln und kurze Strecken ohne Oberleitungen zurücklegen." Neue Buslinien wie etwa die Linie 17 sind zuletzt jedoch von Albus eingeführt worden, einen Ausbau der Oberleitungen hat es lange nicht gegeben. "In großem Umfang ist das auch nicht geplant", sagt Auinger. Dennoch bezeichnet er den Obus als stabiles und zukunftsfähiges Verkehrssystem für die Stadt. Er nutze den Obus häufig. "Die Linie 2 ist pünktlich, die Busse sind sauber." Als Schulnote würde er ein Gut vergeben. "An den Verbesserungen arbeiten wir."
Das betont auch Planungsstadträtin Anna Schiester (BL), die keine Note vergeben will. Der Obus sei das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in Salzburg. Aber Taktung, Pünktlichkeit und Verlässlichkeit müssten verbessert werden. Derzeit wird ein Konzept erarbeitet, das mehr Busspuren und die konsequentere Bevorrangung von Bussen an Ampeln vorsehe. Ziel ist für Schiester der flächendeckende 7,5-Minuten-Takt.
Salzburg erfüllt alle EU-Vorgaben
Diese Maßnahmen sieht auch Peter Brandl als entscheidend. Er ist Verkehrsberater und hat früher die Verkehrssparte der Salzburg AG geleitet. "Der Obus teilt dasselbe Schicksal wie Mozart zu Lebzeiten - weltberühmt, aber daheim belächelt." Dabei erlebt das Verkehrsmittel eine Renaissance, wie er sagt, von Peking mit mehr als 1000 Obussen bis zu einer Handvoll Fahrzeuge im schwedischen Landskrona. Im Vergleich zum E-Bus mit großer Batterie seien die Batterien bei Obussen kleiner, außerdem lade der Obus während der Fahrt. "Der ökologische Fußabdruck des Obus ist 30 Mal besser. Und Salzburg erfüllt bereits für die nächsten 20 Jahre alle EU-Vorgaben."
An Euphorie mangelt es offensichtlich bei den Betreibern. Auf die Frage, ob der Obus als zukunftsfähiges Verkehrsmittel für Salzburg gesehen wird, heißt es von der Salzburg AG: Man sei Betreiber, derzeit werde vom Verkehrsbeirat und dem Aufsichtsrat der SLV eine Zukunftsstrategie entwickelt. "Dabei wird auch die Rolle der Obusse und anderer Antriebstechnologien bewertet."
Der Obus in Salzburg: Eine Geschichte mit Höhen und Tiefen
Der erste Obus in der Stadt Salzburg fuhr am 1. Oktober 1940 vom heutigen Herbert-von-Karajan-Platz durch das Sigmundstor zum Hans-Schmid-Platz nach Maxglan. Damals gab es den 5-Minuten-Takt und die Straßenbahn "Gelbe Elektrische" wurde eingestellt. Im Jahr 1953 wurde die "Rote Elektrische", die Lokalbahn durch die Stadt, aufgelassen. In den weiteren Jahren wurden die Oberleitungen schrittweise im Stadtgebiet ausgebaut, zudem wurden größere Busse eingesetzt.

"Die Stadt ist mächtig stolz auf ihre Obusse", hieß es im Jahr 2010, als neue Fahrzeuge in Betrieb gingen. Dazu durften die Busse erstmals das Stadtwappen tragen. Im Bild rechts freuten sich der damalige Stadtchef Heinz Schaden und Gunter Mackinger, damals Verkehrsdirektor, über 38 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Betrieben wird der Obus von der Salzburg-AG-Tochter Salzburger Linien Verkehrsbetriebe (SLV). Mittlerweile gibt es 12 Linien auf gesamt 128 Kilometern Strecke. Die Stadtautobusse werden von Albus betrieben.

Eine Krise beim Obus jagte die nächste, so spitzte sich im Jahr 2018 die Lage zu, als sich 18 von 111 Fahrzeuge in Wartung befanden. So kamen Museumsstücke zum Einsatz. In der Coronapandemie brachen die Fahrgastzahlen ein, zudem gab es Personalmangel. Ab 2022 war der 10-Minuten-Takt nicht mehr aufrechtzuerhalten. Erst seit Herbst 2024 konnte wieder überwiegend alle 10 Minuten gefahren werden, seit Februar 2025 auch bei den Linien 9 und 10. Die Stadt Salzburg investiert pro Jahr 95 Millionen Euro in den Obus.
