"Man muss die Menschen mögen" - Zwei Bürgermeister geben Einblick in einen spannenden Beruf
Wie sieht der Alltag eines Bürgermeisters aus, was braucht es für den Job, und welche Besonderheiten bringt er mit sich? Wir haben bei zwei Ortschefs in Bayern und Oberösterreich nachgefragt.
BILD: SN/SW/JONAS DANKO
Andreas Bratzdrum ist Bürgermeister der bayerischen Kleinstadt Tittmoning...
BILD: SN/SW/JONAS DANKO
...Manfred Emersberger sein Amtskollege im oberösterreichischen Moosdorf.
Gerade kommt Andreas Bratzdrum von einer goldenen Hochzeit, jetzt steht ein Interviewtermin mit der SALZACHbrücke an, im Anschluss dann eine interne Besprechung zur nächsten Bau- und Umweltausschusssitzung. In seiner Funktion als Tittmoninger Bürgermeister hat Bratzdrum viel zu tun. "Man ist Vorsitzender des Stadtrats und gleichzeitig Chef und Mitarbeiter in der Verwaltung. Allein dadurch ergeben sich schon eine Menge Aufgaben." Als Bürgermeister stehe man auch im Fokus von Stadtrat, Verwaltung und Öffentlichkeit. "Es ist schon eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe." Auch sein Amtskollege Manfred Emersberger, Ortschef der oberösterreichischen Gemeinde Moosdorf, weiß um die Verantwortung und die breite Aufgabenpalette des Amts. Unter anderem sei er Baubehörde erster Instanz, aber auch Ansprechpartner für Infrastruktur, Feuerwehrwesen, Bildung, Einhaltung der Sitten usw.
Eine hohe Verantwortung
Anders als Bratzdrum übt Emersberger, wie in vielen kleineren Gemeinden üblich, nur nebenberuflich das Amt aus. Im Anschluss an unser Interview ist er in seiner zweiten Funktion als administrativer Geschäftsführer der ortsansässigen Firma EAV unterwegs. Die beiden Aufgaben zeitlich unter einen Hut zu bringen, sei nicht immer einfach, aber machbar. Seit über 18 Jahren ist Emersberger im Ort schon Bürgermeister. Ins Amt kam er damals unerwartet, übernahm im Dezember 2005 von seinem gesundheitsbedingt zurückgetretenen Vorgänger. Erfahrungstechnisch war Emersberger kein unbeschriebenes Blatt. Lange war er im Gemeinderat tätig und hatte vor seinem Amtsantritt den Posten des Vizebürgermeisters inne.
Auch sein Amtskollege Bratzdrum, seit Mai 2020 im Amt, brachte Vorerfahrung mit. Er war zuvor Zweiter Bürgermeister und langjähriger Mitarbeiter in der Stadtverwaltung und dem Berchtesgadener Landratsamt. Dennoch sei er anfangs in seiner neuen Funktion überrascht gewesen: "Von der Fülle und Menge und den Geschwindigkeiten. Der Druck ist höher, als man meinen würde." Inzwischen habe er sich daran gewöhnt, so Bratzdrum. Auch Emersberger habe zu Beginn überrascht, wie viel mit dem Amt dann doch verbunden sei. Zeit, um sich einzuleben, gab es keine. "Man wird da ins kalte Wasser geworfen und muss schwimmen." Bleibt man bei diesem Bild, kann man Emersberger getrost als Langstreckenschwimmer bezeichnen. Vier Mal wurde er von der Moosdorfer Bevölkerung im Amt bestätigt. Schon bald wird er der längstdienende Bürgermeister im Ort sein.
"Ich wurde dann erst einmalins kalte Wasser geworfen."
Manfred Emersberger
Bürgermeister Moosdorf
Da sein für die Anliegen der Bevölkerung
"Bei allem, was uns an Pflichtaufgaben auferlegt wird, bietet das Amt schon auch viele Möglichkeiten zur Gestaltung", erklärt Bratzdrum und erwähnt dabei sein Herzensprojekt einer Landesgartenschau, die planmäßig 2026 stattfinden wird. Erst als Nachrücker ergab sich für die bayerische Gemeinde die Chance als Austragungsort. Nicht jeder stimmte dafür, eine Mehrheitsentscheidung führte zur Zusage. "Zum Job gehört auch, Entscheidungen zu treffen, die nicht immer auf hundertprozentige Zustimmung stoßen." Highlights im Job seien das Zusammenkommen mit Menschen, etwa bei Festen oder dem Besuch von Schulen, Kindergärten und Kinderkrippen. Eine Antwort auf die Frage, welche Eigenschaft es als Bürgermeister brauche, liefern beide im identen Wortlaut: "Man muss die Menschen mögen."
Bratzdrum geht ins Detail, sagt, die gemeinsame Zusammenarbeit und die Ideenentwicklung würden ebenso wie das Austragen von Meinungsverschiedenheiten dazugehören. Auch Emersberger führt seine Antwort aus: "Ein Bürgermeister muss in erster Linie für die Bevölkerung da sein. Und ich mag es einfach, mit Menschen beieinander zu sein, mit ihnen zu sprechen, ihnen möglicherweise auch in verschiedenen Lagen helfen zu können." In Hinblick auf weitere Eigenschaften, die man als Bürgermeister mitbringen sollte, spricht Emersberger organisatorische Fähigkeiten, Zeitmanagement, Menschenführung, eine gewisse Gelassenheit und Antrieb bzw. Motivation an. Bratzdrum sagt, es sei als Bürgermeister auch wichtig, Ziele zu haben. Zudem brauche es Überzeugungskraft und Durchsetzungsfähigkeit.
Bürokratische Hürden
Nachhaltige Energieversorgung beschäftigt aktuell nur als einer von vielen Bereichen die beiden Gemeinden. Im Gespräch mit den Ortschefs wird klar, dass viele Themen nicht an der Gemeindegrenzen enden. Bratzdrum spricht das in Tittmoning hohe Verkehrsaufkommen an: "Durch den Durchgangsverkehr auf der B 20 sind wir, vor allen Dingen durch den Lkw-, aber auch den Reiseverkehr, stark belastet." In der Ferienzeit könne man manchmal schon fast nicht mehr den Stadtplatz überqueren. Auch in Moosdorf ist der Verkehr, konkret auf der stark beanspruchten B 156, ein Thema. Messungen hätten gezeigt, dass ein Großteil der Leute weit über der erlaubten Geschwindigkeitsbeschränkung den Ort durchqueren würden. Der durch Moosdorf führende Abschnitt wird zurzeit auch saniert.
In bürokratischer Hinsicht eine zähe Angelegenheit, wie Emersberger erklärt: "Das Land Oberösterreich ist da sehr unflexibel." Generell habe er den Eindruck, dass das Land einem als Gemeinde eher Hürden schaffe. Bei seinem Amtsantritt sei das anders gewesen. "Damals habe ich aus Linz noch Unterstützung bekommen." Er bedaure, dass sich das im Laufe der fast 20 vergangenen Jahre geändert habe, sagt Emersberger mit Blick auf den gestiegenen Verwaltungsaufwand. Auch Bratzdrum kommt auf langwierige bürokratische Prozesse zu sprechen, als konkretes Beispiel nennt er den Denkmalschutz der Burg Tittmoning.
"Sobald ich aus meiner Haustür gehe, bin ich nicht mehr der Privatmann, sondern der Bürgermeister"
Andreas Bratzdrum
Erster Bürgermeister Moosdorf
Struktur und Finanzkraft als Faktoren
Knapp unter 6000 Einwohnerinnen und Einwohner hat Tittmoning (Stand 2023), in Moosdorf sind es etwas über 1700. Auf die Frage, ob in einer kleineren Gemeinde automatisch auch weniger Aufgaben anstehen würden, verweist Bratzdrum auf die jeweilige Struktur als essenziellen Punkt. "Es macht einen Unterschied, ob die Gemeinde etwa im Einzugsbereich der Stadt Salzburg liegt und hauptsächlich eine ,Wohnsitzgemeinde' ist oder, wie etwa bei uns , eine historische Stadt, die sich aus fünf ehemaligen Ortsteilen mit jeweils eigenen gewachsenen Strukturen zusammensetzt." Beispielsweise gebe es in Tittmoning fünf Feuerwehren, drei Gartenbauvereine und elf Kindergärten.
Der Moosdorfer Bürgermeister spricht die Finanzkraft einer Gemeinde als Punkt an. Das hänge damit zusammen, über wie viele Betriebe bzw. Arbeitsplätze die Gemeinde verfüge. "Was die Finanzkraft betrifft, sind wir etwa im unteren Mittelfeld, das ist noch machbar." Mit Blick auf andere Kommunen spricht Emersberger aber jene an, die als Härteausgleichsgemeinde nur wenig Gestaltungsraum hätten. "Da leidet die Autonomie schon sehr stark."
Ein Sieben-Tage-Job
Als hauptamtlicher Bürgermeister nimmt der Beruf für Bratzdrum viel Zeit in Anspruch. "Von den Rahmenarbeitszeiten sieht jede Woche in etwa gleich aus, das heißt, es geht von Montag bis Sonntag. Und unter der Woche kann es durchaus sein, dass ich von der Früh bis zum Abend 14, 15 Stunden zusammenbringe." Es sei ein sehr intensiver Job, freie Wochenenden gebe es selten. Und auch das Privatleben sei anders als gewohnt. "Keine Frage, sobald ich bei der Haustür rausgehe, bin ich Bürgermeister und nicht der Privatmann." Da sei es gleich, ob er sich ein Fußballspiel am Sportplatz ansehe, das Strandbad besuche oder eine Fahrradtour mit Freunden unternehme. Dann höre er häufig: "Ich weiß, es ist Wochenende und du bist in deiner Freizeit, aber weil ich dich gerade sehe ..." Anders bei Emersberger. Obwohl geschätzt "nur" 40 Prozent seiner Gesamtarbeitszeit auf den Job als Bürgermeister entfallen, hat er in der Regel ebenfalls eine Sieben-Tage-Woche. Er könne aber auch mal normal durch den Ort gehen. Treffe er jemanden, ergebe sich ein kleiner Ratscher oft automatisch. "Aber ich kann auch mal in Ruhe gemütlich mit Freunden beim Wirt sitzen."