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"Ein Bürgermeister steht immer unter Beobachtung" - Helmut Mödlhammer im Interview

Am 10. März werden die politischen Karten neu gemischt. Die Gemeinde ist für Hallwangs einstigen Bürgermeister Helmut Mödlhammer, der über Jahrzehnte den Salzburger Gemeindeverband und den Österreichischen Gemeindebund leitete, die höchste politische Ebene. "Dort kommt der Mensch an erster Stelle."

Helmut Mödlhammer ist ein Experte in Gemeindeangelegenheiten.
Helmut Mödlhammer ist ein Experte in Gemeindeangelegenheiten.


Die unterste Verwaltungseinheit eines Staates ist die Gemeinde. Sie hat eigene Kompetenzen und Aufgaben, Einnahmen und Ausgaben, mit denen sie haushalten muss. Sie ist die oberste Anlaufstelle für die Bürger und zuständig für eine funktionierende Infrastruktur. Gesetze macht eine Gemeinde keine, Verordnungen kann sie jedoch erlassen. An ihrer Spitze steht der Bürgermeister als oberster Gemeindevertreter. Warum die Gemeinden so wichtig sind und was es mit dem Amt des Bürgermeisters auf sich hat, darüber haben wir uns mit Helmut Mödlhammer unterhalten.

Wenn man von Gemeinde spricht, worum geht es da, was sind die Schwerpunkte?

Helmut Mödlhammer:Grundsätzlich kann man sagen, dass die Gemeinde von der Wiege bis zur Bahre zuständig ist, vom Kindergarten bis zum Seniorenheim. Ein sehr großer Schwerpunkt ist der Infrastrukturbereich, auch ganz wichtig ist der soziale Bereich. Die Gemeinde ist auch eine Brücke zu Land und Bund, der wichtigste Ansprechpartner für die Bürger, sie finden hier Gehör für ihre ganz persönlichen Sorgen und Anliegen. Ich bin ein Verfechter der Gemeinde. Sie ist mit Abstand die wichtigste politische Ebene. Je globaler die Welt wird, umso wichtiger wird die Gemeinde.

Und so schafft man es, dass die Parteipolitik auf dieser Ebene etwas in den Hintergrund rückt?

Ja, zuerst kommt der Mensch, dann die Sache und danach die Ideologie beziehungsweise die Partei. Die Parteipolitik hat auf Gemeindeebene nicht so einen großen Stellenwert und darum ist das Vertrauen der Bürger auch viel höher. In kleinen Gemeinden bis zu etwa 5000 Einwohnern liegt das Vertrauen in die Politik bei 80 Prozent, in der Stadt Salzburg zum Beispiel bei nur 38 Prozent. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung.

Welche Aufgaben und Kompetenzen hat die Gemeinde? Welche hat sie nicht?

Das Gemeinderecht ist in jedem Bundesland ein bisschen anders geregelt. Es gibt einen Wirkungsbereich, in dem jede Gemeinde selbst entscheiden kann, zum Beispiel beim Straßenbau, in der Kinderbetreuung oder bei öffentlichen Sportanlagen. Die Gemeinde kann hier ihre Verordnungen ohne Weisungen von Land und Bund schaffen, natürlich nur, wenn sie gesetzeskonform sind. Gesetze erlässt eine Gemeinde nicht. Was die Kontrolle und Exekutive betrifft, sind der Gemeinde oft die Hände gebunden. Das liegt natürlich auch am Personalmangel. Kaum eine Gemeinde hat ihre eigene Polizeiwache und somit fehlt auch das Exekutivorgan. Die Geschwindigkeitsüberwachung im Gemeindegebiet ist ein Thema, da habe ich so viele Jahre darum gekämpft. Es ist nicht möglich, darum sieht man auch oft diese Messgeräte mit Smileys, zumindest macht man die Autofahrer damit dann aufmerksam.

Oder Verordnungen wie ein Feuerwerksverbot zu Silvester, denen dann niemand nachgehen kann?

Ja. Die Gemeinde selbst kann weder kontrollieren noch strafen. Der Bürgermeister könnte das zum Beispiel als Privatperson anzeigen.

Und darum brauchen Gemeinden den Gemeindeverband und -bund?

Das sind die Interessenvertreter der Gemeinden und die sind sehr wichtig. So können wir gemeinsam gegenüber Land und Bund auftreten. Die Gesetze werden woanders gemacht und die Auswirkungen nicht berücksichtigt. In erster Linie geht es darum, dass wir mit geballter Kraft im Interesse der Bürger handeln. Mit Gemeindebund und Gemeindeverband habe ich immer dafür gekämpft, dass wir praxisnahe, durchführbare und leistbare Lösungen bekommen. Den Gemeinden werden immer mehr Aufgaben zugeschoben, also muss auch der finanzielle Ausgleich vom Bund höher werden. Solche und andere Forderungen stellt die Interessenvertretung, denn da sitzen alle Gemeinden in einem Boot.

Woher kommt das Budget für eine Gemeinde?

Der größte Teil der Gemeindeeinnahmen kommt von den sogenannten Bundesertragsanteilen, deren Höhe beim Finanzausgleich ausverhandelt wird und vom Steueraufkommen abhängig ist. Ein ganz großer Brocken ist die Kommunalsteuer als Teil der Lohnsumme von Betrieben in der Gemeinde. Darum trifft es Gemeinden besonders hart, wenn große Unternehmen in Konkurs gehen. Dann gibt es noch die Grundsteuer, die sich nach den Flächenbewertungen richtet, und dazu kommen verschiedene Tarife, wie jene für Kanal, Wasser oder Müllentsorgung.

An der Spitze der Gemeinde steht der Bürgermeister. Ist dieses Amt ein attraktives Berufsbild?

Die Aufgaben sind sehr unterschiedlich - sie reichen vom Vorsitz der Gemeindevertretung bis zur Personalführung. Verwaltung und Bürokratie werden immer mehr, das braucht viel Zeit und auch viel Engagement, weil es Dinge sehr kompliziert macht. Man müsste ein Wunderwuzzi sein, aber jeder Bürgermeister ist ein Mensch mit Stärken und Schwächen. Am wichtigsten sind Hausverstand, Anstand, Weitblick und die Liebe zu den Menschen. Die Bürgermeister sind immer noch mit Abstand die beliebtesten Politiker Österreichs, aber die Belastung steigt in Form von größeren Herausforderungen und persönlicher Angreifbarkeit. Der Bürgermeister steht immer unter Beobachtung, jeder hat seine Telefonnummer. In den vergangenen Jahren hat sich eine Art "Anpatzerei" entwickelt, das ist ein sehr negativer Zustand. Eine Behauptung, auch wenn sie nicht stimmt, steht schnell in der Zeitung und der Ruf ist ruiniert. Die Hemmschwelle für persönliche und öffentliche Angriffe ist gesunken. Das gefährdet nicht nur Privatsphäre und Ansehen des Bürgermeisters, sondern auch unsere Demokratie im Gesamten. Höchste Zeit, sich Gedanken zu machen, wie es auch in Zukunft gelingt, die besten Köpfe für die Arbeit in den Gemeinden zu gewinnen, die Zeit drängt.

Immer noch ist das Bürgermeisteramt nicht in allen Gemeinden eine hauptberufliche Angelegenheit. Wird die hohe Verantwortung, gepaart mit ständiger Verfügbarkeit und dem Verlust der Privatsphäre, entsprechend entlohnt?

Verglichen mit der Privatwirtschaft, sind die Bürgermeistergehälter nicht besonders attraktiv, aber gerade in Salzburg sind sie schon in Ordnung. Das echte Problem beginnt nach der Zeit als Bürgermeister. Nach der Amtsperiode endet das Dienstverhältnis und damit auch die Sozialversicherung. Wenn einer zum Beispiel nicht mehr wiedergewählt wird, dann hat er mitunter ein Existenzproblem. Das ist ein Riesenthema und schreckt auch viele ab