Müssen Biobauern ihre Kühen unbedingt den Weidegang auf den Feldern erlauben? Und müssen sich Biobauern dafür einsetzen, dass männliche Küken nicht mehr nach dem Schlüpfen geschreddert oder vergast werden?
Diese beiden Fragen werden in der Landwirtschaft derzeit heiß diskutiert. Anlass sind schärfere Richtlinien von Bio Austria - dem größten Biobauernverband. Dieser verlangt von seinen Mitgliedern seit dem Vorjahr, dass den Rindern der Weidegang ermöglicht werden muss - und zwar zusätzlich zum Freilaufstall und dem (kleineren) Auslaufbereich vor dem Stall. Auch Eierproduzenten sind mit einer neuen Vorgabe konfrontiert, die im Vorjahr schlagend wurde: Sie dürfen nur noch Küken von Bruderhahn-Betrieben kaufen. Auf Bruderhahn-Betrieben werden die männlichen Küken nach dem Schlüpfen nicht gleich geschreddert oder vergast, wie sonst üblich, sondern dürfen bis zur Schlachtung zehn Wochen weiterleben.
Diese Verschärfung der Regeln geht manchen Landwirten zu weit - weil ihnen der verpflichtende Weidegang zu aufwendig erscheint und Bruderhahn-Küken im Ankauf etwas teurer sind. Wie die aktuellen Mitgliederzahlen von Bio Austria zeigen, sind binnen eines Jahres 71 Mitglieder ausgetreten.
In Salzburg zeichnet sich also eine paradoxe Entwicklung ab: Zum einen stieg zuletzt der Anteil der Biobauernhöfe von 44,5 auf 46,9 Prozent, nicht zuletzt wegen der höheren Erträge bei der Milch und höheren Förderungen. Mit Jahresbeginn gab es deshalb in Salzburg 3690 Biobauernhöfe - um 134 mehr als ein Jahr davor. Nie zuvor gab es so viele Biobauern und biologisch bewirtschaftete Felder und Äcker.
Zugleich ist aber auch die Zahl jener Biobauern gestiegen, die nichts von allzu strengen Vorschriften wissen wollen und lieber den Verband Bio Austria verlassen, als dessen Regeln umzusetzen.
"Joglbauer" Robert Hofer aus Obertrum, bis zum Vorjahr Vizeobmann von Bio Austria, zeigt Verständnis für die Vorbehalte von Biobauern gerade aus dem Flachgau. Er sei zwar auch für die Weidehaltung, sagt Hofer. Allerdings sei diese mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden. Bei starkem Regen werde die Weide von den Rindern oft schwer beschädigt. Viele Bauern hätten zudem große Summen in den Bau von Freilaufställen investiert. "Die entsprechen allen Tierschutzkriterien."
Dazu kommt: Nicht alle Molkereien verlangen von Biobauern, dass sie auch Bio-Austria-Mitglied sind. Viele Bauern würden in den neuen Regeln einen "vorauseilenden Gehorsam" sehen, der an den Bedürfnissen der Landwirte vorbeigehe, sagt Ernst Lottermoser vom Bioreferat der Landwirtschaftskammer.
Sebastian Herzog, der Landesobmann von Bio Austria, verteidigt die schärfere Gangart. "Bio- und Weidehaltung müssen zusammengehören. Es ist nicht tragbar, dass Bauern, die eine Wiese vor dem Stall haben, die Stalltür nicht auftun wollen." Und auf jenen Höfen, wo kein großes Feld zum Weiden in der Nähe sei, gebe es ohnehin keine Verpflichtung zum Weidegang.
Streng genommen sehe auch die EU-Bioverordnung den Weidegang vor, sagt Landesobmann Herzog. Allerdings werde diese Vorgabe in Österreich "sehr erfinderisch" - sprich: lax - ausgelegt. "In anderen Ländern müssen alle Wiederkäuer während der Vegetationsperiode immer Zugang zu Weideland haben. Da ist man strenger als in Österreich."
Biobauer ist nicht gleich Biobauer
Der Verband Bio Austria verlangt von seinen Mitgliedern höhere Standards, als sie Biobauern erbringen müssen, die "nur" nach EU-Biokriterien wirtschaften. Zusätzlich zur Weidepflicht und zum Bruderhahn-Projekt gilt beispielsweise die Regel, dass der gesamte Betrieb biologisch bewirtschaftet werden muss und nicht nur ein Teilbereich (Ackerbau, Tierhaltung etc.). Höhere Standards verlangt Bio Austria auch beim Düngen und beim Kraftfutter.
Wegen der strengeren Vorschriften gab es bei den Mitgliederzahlen des Landesverbands zuletzt einen Rückgang. Im Vorjahr kamen
24 Mitglieder dazu, zugleich traten 71 aus. Deshalb sank die Mitgliederzahl in Summe von 1700 auf 1653. Insgesamt sind 45 Prozent der Salzburger Biobauern Mitglied bei Bio Austria. Die anderen 55 Prozent sind entweder einem anderen Bioverband beigetreten oder sie wirtschaften nach der EU-Bioverordnung.