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Tauerntunnel: 5,8 Milliarden Euro nach Inferno in Tunnelsicherheit investiert

Nach der Katastrophe im Tauerntunnel am 29. Mai 1999 wurde die Sicherheit der Straßentunnel zum großen Thema. Die Asfinag startete 2001 eine "Tunnelsicherheits-Offensive" und hat seither nach eigenen Angaben mehr als 5,8 Mrd. Euro investiert.

Zwei Röhren: Ein- und Ausfahrtsportal des Tauerntunnels bei Flachau.
Zwei Röhren: Ein- und Ausfahrtsportal des Tauerntunnels bei Flachau.

Neben dem zweiröhrigen Ausbau von Tauern- und Katschbergtunnel sowie dem Vollausbau der gesamten Pyhrnstrecke mit der Tunnelkette Klaus, dem Bosruck- und dem Gleinalmtunnel wurde die Überwachung verbessert und jede Menge Technik eingebaut.

Kein Fluchtweg im einröhrigen Tunnel

Vor dem Unglück war der Bau einer zweiten Röhre durch die Tauern politisch nicht mehrheitsfähig. Mit der Katastrophe kam das große Umdenken, und die Sicherheitsargumente sprachen für sich: Gab es im einröhrigen Tunnel nur die beiden sechseinhalb Kilometer auseinanderliegenden Portale als Fluchtweg, wurden mit der zweiten Röhre auch 26 Querschläge errichtet, durch die man sich in den anderen Tunnel retten kann.

Neun Querverbindungen können sogar von Fahrzeugen benutzt werden. Zudem wurden 126 Abluftjalousien angebracht, die einzeln gesteuert werden können und ein gezieltes Absaugen von Rauch ermöglichen. Weiters wurden die Notrufnischen mit einer eigenen Luftzufuhr ausgestattet, die Tunnelwände heller gestrichen, die Beleuchtung verbessert und der Tunnelfunk optimiert.

EU verschärfte die Tunnelvorschriften

Eine ganz freiwillige Leistung waren die Investitionen der Asfinag aber nicht, denn ein Umdenken gab es auch auf europäischer Ebene: Nach schweren Katastrophen (Mont-Blanc-Tunnel am 24. März 1999 mit 39 Toten, Tauerntunnel 1999 mit zwölf Toten, Gotthardtunnel am 24. Oktober 2001 mit elf Toten) erließ die EU 2004 eine Richtlinie über die "Mindestanforderungen für die Sicherheit in Straßentunnels", die Österreich zwei Jahre später im Straßentunnel-Sicherheitsgesetz umsetzte.

Dieses schreibt den Bau zweiter Röhren für Tunnel vor, durch die mehr als 10.000 Fahrzeuge pro Tag und Fahrstreifen fahren. 2009 ging auf der Tauernautobahn (A10) die zweite Röhre durch den Katschberg (zwischen Salzburg und Kärnten) in Betrieb, zwei Jahre später hatte auch der Tauerntunnel in jede Richtung eine eigene Röhre.

Zwei Röhren bei vielen Hauptverkehrsrouten

Aber auch eine ganze Reihe anderer Tunnel erhielt inzwischen zweite Röhren: etwa die Tunnelkette Klaus auf der Pyhrnautobahn (A9) (Fertigstellung Ende 2018), der Bosrucktunnel auf der A9 (Oktober 2015) oder der Gleinalmtunnel auf der A9 (Ende 2019) - seither ist die gesamte Pyhrnachse, eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen durch Österreich, ohne Gegenverkehrsabschnitt.

2018 begann der Bau der zweiten Röhre des Karawankentunnels zwischen Kärnten und Slowenien. Hier erfolgte heuer im März der Durchschlag, Ende 2025 soll die neue Röhre in Betrieb gehen, dann wird die bereits bestehende Röhre saniert und modernisiert, was weitere drei Jahre dauern dürfte. Die Kosten für den zweiröhrigen Ausbau des rund acht Kilometer langen Tunnels werden sich laut Asfinag nach heutigem Stand auf ca. 190 Millionen Euro belaufen.

Längster Tunnel bleibt einröhrig

Es gibt aber auch weiterhin Tunnel mit nur einer Röhre, das betrifft vor allem die Arlberg-Schnellstraße S16 mit den Tunneln Flirsch, Gondebach, Äußerer Maienbach, Dalaas und dem Arlbergtunnel, der mit annähernd 14 Kilometern Österreichs längster Straßentunnel ist. Ebenfalls nur eine Röhre haben der City-Tunnel Bregenz (A14) und der Tunnel Landeck auf der A12. Bei all diesen Bauten ist laut Asfinag das Verkehrsaufkommen zu gering für den gesetzlich geforderten Bau einer zweiten Röhre.

Spezialkameras erkennen überhitzte Motoren

Neben dem Bau zweiter Röhren hat die Asfinag aber auch bestehende Tunnel verbessert. So wurden etwa zusätzliche Fluchtwege errichtet, allein beim Arlbergtunnel waren es 37. Bei der Generalerneuerung von bestehenden Röhren werden außerdem die Beleuchtung, die Energieversorgung, die Notrufstellen, die Videoüberwachung, die Löscheinrichtungen oder die Tunnelbeschichtung erneuert.

Eine weitere Maßnahme sind sogenannte Thermoscanner: Spezialkameras scannen Schwerfahrzeuge vor der Einfahrt in den Tunnel, erkennen überhitzte Motoren und leiten diese Lkw aus. Erst nach der Abkühlung dürfen sie in den Tunnel einfahren. Am Karawankentunnel werden seit der Inbetriebnahme im Mai 2012 pro Tag rund 1200 Lkw gescannt und im Schnitt drei davon ausgeleitet. Eine weitere solche Einrichtung befindet sich vor dem Arlbergtunnel.

Mikrofone erkennen Reifenplatzer

Mehr als 30 Tunnel in Österreich sind inzwischen auch mit einem Akustischen Tunnelmonitoring (AKUT) ausgestattet: Im Abstand von etwa 125 Metern befinden sich Spezialmikrofone, die außergewöhnliche Geräusche "hören": Quietschen Reifen, kollidieren Fahrzeuge, werden Autotüren zugeschlagen oder platzt ein Reifen, schlägt das System Alarm und aktiviert eine Kamera neben dem Mikrofon, sodass sich die Mitarbeiter in der Überwachungszentrale sofort ein Bild machen und reagieren können. AKUT wurde in Kooperation mit dem steirischen Joanneum Research entwickelt und soll insgesamt in mehr als 50 Tunneln zum Einsatz kommen. Aktuell werden der Ofenauer- und der Hieflertunnel auf der Tauernautobahn A10 im Zuge der Generalsanierung damit ausgestattet.

Wassernebel bekämpft Flammen

Und in vier Tunneln befinden sich auch Hochdruck-Sprühnebel-Anlagen: Über Düsen werden unter hohem Druck (etwa 55 Bar) Sprühnebel im Tunnel verbreitet. Daraufhin bildet sich ein Wassernebel, der die Temperaturausbreitung verhindert und somit die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sowie das Bauwerk schützt. Mit diesem automatischen System gelingt es, die hohen Temperaturen im Falle eines Brandes in Schach zu halten, bis die Feuerwehr an den Einsatzort gelangt. Bei der Brandkatastrophe im Tauerntunnel 1999 etwa konnten die Löschtrupps wegen der großen Hitze erst viele Stunden nach der Alarmierung bis zur Unfallstelle vordringen. Derzeit sind der Lieferinger Tunnel auf der A1 in Salzburg, der Walder Tunnel auf der A9, der Arlbergtunnel und der City-Tunnel Bregenz mit solchen Anlagen ausgestattet.

Aktuell betreibt die Asfinag 168 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 413 Kilometern. Im vergangenen Jahr gab es in diesen Tunneln 620 Unfälle, von denen die meisten glimpflich endeten. Zehn Mal kam es zu einem Brand.

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