Die AustroCel Hallein mit 342 Beschäftigten steht möglicherweise vor dem Verkauf. Das berichtet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Demnach könnte der Zellstoff- und Bioethanol-Hersteller um rund 500 Millionen Euro veräußert werden. Das Unternehmen steht seit 2017 im Besitz der Private-Equity-Gruppe TowerBrook Capital Partners in New York. Der Verkauf könnte bis Jahresende über die Bühne gehen.
Das Interesse potenzieller Investoren hat ein neues Produkt für die Landwirtschaft geweckt. Die AustroCel beginnt demnächst mit der industriellen Herstellung eines biologischen Gels, das den Bewässerungsbedarf auf den Feldern um rund 20 Prozent senken und die Erträge um ein Fünftel steigern soll. Das Granulat wurde an der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) erfunden. Heute ist es eine patentierte Innovation des Start-ups Agrobiogel GmbH mit Sitz in Tulln, das auf dem Markt unter dem Markennamen Retentis® vertrieben wird. Es könnte in Zeiten von vom Klimawandel verursachten Dürren einen Nachfrageschub auslösen, heißt es.
Das Biogel bindet Wasser und setzt die Feuchtigkeit dann Schritt für Schritt frei. Der große Vorteil: Das Produkt sei biologisch abbaubar. Es zersetze sich - im Gegensatz zu synthetischen Varianten - langsam zu Humus. "Das Biogel ist so beliebt, dass wir von potenziellen Investoren angerufen werden. Nicht ich rufe sie an, sie rufen uns an", sagte Patrick Verschelde, Mitglied des Senior Advisory Boards von TowerBrook und Aufsichtsratsvorsitzender von AustroCel, zu Bloomberg. Zu den potenziellen Bietern zählten Industriebetriebe aus Europa oder auch Staatsfonds aus dem Nahen Osten.
Die AustroCel hatte offenbar die richtige Nase für das neue Produkt: "Wir haben flexibel und rasch reagiert", sagt Wolfram Kalt, Geschäftsführer der AustroCel. Im Vorjahr habe man mit der Agrobiogel GmbH einen Lizenzvertrag abgeschlossen. Dann wurden 2,5 Millionen Euro in eine Produktionsanlage in Hallein investiert, die vorerst auf 1000 Jahrestonnen ausgelegt ist. Kalt sieht in dem Produkt aber sehr viel mehr Potenzial: "Wir könnten die Produktion relativ rasch auf 10.000 Tonnen hochfahren. Das würde allerdings weitere Investitionen erfordern."
Dass TowerBrook Capital Partners jetzt einen Käufer für die AustroCel Hallein sucht, ist für Kalt kein Grund zur Besorgnis: "Dass der Investor nicht ewig an Bord bleibt, war uns klar. Dass die Information jetzt erfolgt, schafft Klarheit und Sicherheit für die Belegschaft." Die Gruppe TowerBrook Capital Partners sei immer ein guter Eigentümer gewesen, der in Höhen und Tiefen immer zur AustroCel gestanden sei. "Wir wiederum haben kräftig Gas gegeben, neue Produkte gesucht und gefunden. Dass wir uns spezialisiert haben, macht uns natürlich auch unabhängiger von der Zellulose. Aber auch auf dem Kernmarkt haben wir uns diversifiziert - und mit hochwertigeren Produkten neue Märkte in Europa erschlossen."
Das Halleiner Unternehmen ist nach eigenen Angaben der weltweit größte Produzent von holzbasiertem Bioethanol - mit einer Kapazität von bis zu 30 Millionen Litern jährlich. Das reicht laut Wolfram Kalt aus, um ein Prozent des österreichischen Benzinkraftstoffbedarfs zu decken. In der Bioraffinerie werden neben dem Viskosezellstoff, Bioethanol und Biogas auch Fernwärme und Grünstrom für den eigenen Betrieb und die Region hergestellt. Das Unternehmen versorgt so 28.000 Haushalte mit Strom und 13.000 mit Fernwärme. Im Vorjahr erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von mehr als 180 Millionen Euro. 2023 lag die Zahl noch bei 150 Millionen Euro.
Bürgermeister Alexander Stangassinger (SPÖ): "Die Arbeitsplätze sind meiner Information nach gesichert. Das ist für mich als Bürgermeister das Wichtigste." Er mache sich keine Sorgen um das Unternehmen und den Standort. In den vergangenen Jahren sei sehr viel in neue Produktfelder investiert worden - und das durchaus erfolgreich. "Mit etwas Glück könnten künftig sogar einige neue Arbeitsplätze entstehen." Dass sich der US-Fonds irgendwann von seiner erfolgreichen Beteiligung in Hallein trennen werde, sei ein offenes Geheimnis geblieben. Man habe die Braut aufgehübscht - und den Wert des Unternehmens gesteigert.