"Ich kann es durchaus nachvollziehen, wenn Menschen sagen, ich gehe da nicht hin als Fan oder Vertretung. Aber die Aussage der Gastarbeiter war sehr deutlich: Weil ihr kommt, weil ihr uns helft und Fragen stellt, hat sich hier extrem viel entwickelt. Insofern nehmen wir gern diese Rolle ein", meinte Ullrich.
Die 52-Jährige hatte sich jüngst als Mitglied einer UEFA-Arbeitsgruppe ein Bild von den Bedingungen in Katar gemacht. "Wir haben uns mit vielen Nichtregierungsorganisationen getroffen, mit dem katarischen Fußballverband, aber auch mit Migrantinnen und Migranten. Eine Hauptaussage von denen war: Es ist hervorragend, dass es keinen Boykott gibt. Durch den Fokus auf das Land ist bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen sehr viel erreicht worden."
Darüber hinaus seien Themen wir Frauenrechte, LGBTQ+ und Pressefreiheit intensiv erörtert worden. "Wir haben viel Entwicklung gesehen, aber auch die Schranken und Barrieren wahrgenommen, die häufig kulturell, durch andere Staatsformen oder religiöse Hintergründe begründet sind", berichtete Ullrich.
Unterdessen hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International alarmierende Entwicklungen mit Blick auf die Arbeitsbedingungen für Migranten festgestellt. Nachdem sich die katarische Regierung in der Vergangenheit zu weitreichenden Reformen im Bereich der Arbeitsgesetzgebung durchgerungen habe, sei es 2021 zu einem "Nachlassen des Reformfortschrittes" gekommen. Teilweise seien "durch Untätigkeit der katarischen Regierung sogar bereits erreichte Fortschritte rückgängig gemacht" worden, heißt es in einer Stellungnahme von Amnesty International vor der öffentlichen Anhörung des Sportausschusses des deutschen Bundestages am Montag.
"Innerhalb der katarischen Wirtschaft formiert sich zunehmend Widerstand gegen die Reformen, aus Sorge, Einfluss und Profitmöglichkeiten zu verlieren", heißt es weiter. Verletzungen des Arbeitsrechts bleiben demnach in aller Regel straflos und ohne Konsequenzen. In einer Untersuchung der Arbeitsbedingungen in der privaten Sicherheitsbranche gebe es laut Amnesty International in sechs von acht untersuchten Firmen Arbeitsbedingungen, die der Zwangsarbeit entsprechen. Auch seien 2021 bis zu 70 Prozent aller Todesfälle von Arbeitsmigranten nicht angemessen untersucht worden.