Eine Fußball-Europameisterschaft der Rekorde ist am Sonntag zu Ende gegangen. Mehr Zuschauerinnen und Zuschauer, mehr TV-Präsenz, mehr Preisgeld - die UEFA Women's EURO hat in vielfacher Hinsicht neue Dimensionen gesetzt. Schon vor dem Traumfinale zwischen Gastgeber England und Deutschland stellte sich aber auch die Frage: Was bleibt für den Frauenfußball und kommt nun der große Boom?
Österreichs Teamchefin Irene Fuhrmann, die mit ihrer Auswahl im Viertelfinale an Deutschland gescheitert ist, sagte: "Ohne es zu wissen, denke ich, dass wir mit unseren Leistungen in Österreich für Begeisterung gesorgt haben. Es wäre schön, wenn das nicht sofort wieder abebbt, sondern wir mehr Zuschauer in die Stadien bringen." Mit größerer Fanunterstützung könne man auch leichter ans Limit gehen. "Wenn es nur fünf oder sechs Prozent mehr sind, die ins Stadion kommen, wäre das schon sehr wichtig für uns", ergänzte Mittelfeldspielerin Barbara Dunst.
Wenn Dunst und ihre ÖFB-Kollegin Laura Feiersinger mit ihrem Club Eintracht Frankfurt in sieben Wochen auf Bayern München mit der Salzburgerin Sarah Zadrazil treffen, wird sich weisen, was von den großen Hoffnungen geblieben ist. Gespielt wird im 48.000 Zuschauer fassenden Deutsche-Bank-Park, der sonst den Männern der Eintracht vorbehalten ist. Wie viele Zuschauer sind dann dabei? Und: Was ist geblieben, was wurde aus der Begeisterung, die auch um das deutsche Team nach diesem Turnier in England geherrscht hat?
Das sogenannte Highlight-Spiel am Main am 16. September soll eine Trendwende in einer Liga einleiten, in der zuletzt gerade mal rund 1000 Zuschauer im Schnitt zu den Partien kamen. Dass so etwas zumindest in Teilen funktionieren kann, hat die vergangene Champions-League-Saison im ganz Großen gezeigt: Zur Partie des FC Barcelona gegen den VfL Wolfsburg im Camp Nou kamen 91.648 Fans - so viele wie noch nie bei einem Frauenspiel auf der Welt.
Eindringlich mahnte die deutsche Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg vor dem Endspiel gegen England an, dass diese EM eine dauerhafte Wirkung haben müsse. "Es muss eine große Chance jetzt sein in allen Ländern, die nächsten Schritte im Frauenfußball zu machen. Wenn nicht jetzt, wann dann?", sagte die 54-Jährige. "Wir werden am Ende nur dann gewinnen, wenn wir all das, was jetzt gerade passiert - ob in Deutschland, in Europa oder in England -, auch mit einer Nachhaltigkeit beenden können." Voss-Tecklenburg forderte: "Es muss etwas davon übrig bleiben."
Ein "neues Wahrnehmungszeitalter der Frauen-Bundesliga" soll nun eingeläutet werden, heißt es auf der Homepage der Liga. Doch diese Hoffnung ist nicht neu: Nach jedem seiner vielen Titel - acht bei der EM, 2003 und 2007 bei der WM sowie Olympiagold 2016 - hatte man sich das beim DFB und in der Liga erhofft. Auch nach der Heim-WM 2011, deren Wirkung verpuffte.
Der internationale Aufschwung des Frauenfußballs aber ist unverkennbar, die öffentliche Aufmerksamkeit war für die teilnehmenden Teams in den vergangenen Wochen enorm. Ob Stars wie Alexandra Popp bei den Deutschen oder Manuela Zinsberger in Österreich, die Identifikationsfiguren mit großem Bekanntheitsgrad müssen nicht mehr extra gesucht werden. Social-Media-Werte und TV-Reichweiten verzeichneten ein signifikantes Wachstum. Das allein reicht aber auch nach den Erfahrungen früherer Jahre nicht, um auch einen Boom beim Frauen- und Mädchenfußball auszulösen. Der DFB kämpft bei den Mädchen seit Jahren mit Nachwuchssorgen. Der ÖFB musste nach einer Erhebung vor zwei Jahren seine offiziellen Aktivenzahlen im Frauenbereich kräftig nach unten revidieren. Im Bundesland Salzburg sind in der Saison 2022/23 ganze sechs Frauenteams im Ligabetrieb. Zum Vergleich: Vor 25 Jahren waren es schon acht.