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Ist die Fußball-WM in Katar wirklich so nachhaltig?

Als Katar den Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 bekommen hat, war der Aufschrei groß. Das Emirat versuchte der Kritik zu kontern und versprach die "nachhaltigste" WM aller Zeiten. Geld spielt im gasreichen Emirat ja keine Rolle. Allein die WM-Bewerbung habe 150 Millionen US-Dollar gekostet, sagt Sportpolitik-Journalist Florian Bauer, gefühlt jedes zweite Wort habe sich darin um Nachhaltigkeit gedreht, umgesetzt sei freilich vieles nicht worden.

Das '974'-Stadion besteht aus ebensovielen Schiffscontainern
Das '974'-Stadion besteht aus ebensovielen Schiffscontainern

Dennoch sagt Talar Sahsuvaroglu, die sich im WM-Organisationskomitee um Nachhaltigkeit kümmert: "Wir haben das Ziel die erste CO2-neutrale WM zu werden und das werden wir schaffen". Ein in Katar lebender Journalist meint jedoch im Gespräch mit der APA, von Nachhaltigkeit in einem Land zu sprechen, wo praktisch das ganze Nutzwasser aus Meerwasserentsalzungsanlagen stamme, die mittels Gaskraftwerken betrieben werde, sei "Bullshit".

"Wir konzentrieren uns darauf, den Energie- und Wasserverbrauch, den CO2-Ausstoß, sowie den Müll zu reduzieren", betont indes Frau Sahsuvaroglu weiters. Auch sei beim Bau des 40.000 Zuschauer fassenden "974"-Stadions 95 Prozent des Bauschutts wiederverwertet worden, statt wie üblich 20 bis 30 Prozent. Zudem sei der Energieaufwand durch die Verlegung der ursprünglich im Juli geplanten WM in den Winter geringer geworden, sagt Sahsuvaroglu. Für die Sommer-WM hatten die Katarer eine Kühlung der Temperatur in den Stadien auf 27 Grad Celsius versprochen, bei durchschnittlich 36,5 Grad Außentemperatur und Höchstwerten über 42 Grad. Im Winter sollen die Stadien auf 22 Grad gekühlt werden, bei durchschnittlichen Höchsttemperaturen von 27 Grad im November und 23 Grad im Dezember, energietechnisch zweifelsohne weniger aufwendig.

Zudem ist geplant, die Zuschauerkapazität von sieben der acht Stadien zurückzubauen, nur das Khalifa International Stadion soll nach der WM bleiben, wie es ist. So besteht etwa das "974" - 974 ist auch die Telefonvorwahl Katars - aus ebensovielen Schiffscontainern in drei verschiedenen Größen, die wieder verwendet werden können. Noch gibt es allerdings dafür keinen Käufer, wie die fjum-Journalistendelegation bei einer Stadionführung erfährt. Überhaupt ist die Nachnutzung der Stadien noch nicht geklärt. Rund 200.000 Plastiksessel sollen an ärmere Nationen gespendet werden, ein Konzept dafür gibt es jedoch nicht.

Nur für das Education City-Stadion, das ebenfalls 40.000 Zuschauern Platz bietet, gibt es ein Nachnutzungskonzept. Nach der WM werde das Stadion der gemeinnützigen Qatar Foundation übergeben, erzählt Alexandra Chalat, die für die Nachnutzung des Stadions verantwortlich ist. "Wir wollen einen Ort schaffen für alle Frauen, wo sie sich wohlfühlen Sport zu treiben, ob mit Kopftuch oder im Mixed Team", sagt die Amerikanerin. Zwei Schulen sollen ins Stadion gebaut werden und ein Zentrum für Frauensport etabliert werden. Erfolgen soll der Umbau allerdings auch erst nach den Asien-Spielen 2030.

Für Nachhaltigkeit soll auch der 2013 begonnene Bau der U-Bahn sorgen. Mittlerweile gibt es eine Strecke von 76 Kilometer und 37 Stationen. Während der WM werden die Waggons pro Zuggarnitur von drei auf sechs verdoppelt und die Benützung wird gratis sein, sagt Khalid Ahmed Al Thani von den Qatar Railways. Er glaubt, dass die "U-Bahn auch nach der WM genutzt wird, weil so Staus vermieden werden können". Park&Ride-Anlagen sollen die Katarer zur U-Bahnnutzung motivieren, immerhin können sie da zwischen drei verschiedenen Klassen wählen. Später sollen die drei Linien auf fünf erweitert werden und auch die Industriezone einbezogen werden. Dort leben Hunderttausende Gastarbeiter, die im Gegensatz zu den Einheimischen nicht über Privatfahrzeuge verfügen. Die beim Lokalaugenschein nicht überwältigende Auslastung könnte sich somit immerhin bessern.

Ein großes Problem bezüglich der Nachhaltigkeit stellt jedenfalls die Unterbringung der WM-Touristen dar. 120.000 bis 130.000 Gäste können in Katar selbst wohnen, erzählt Berthold Trenkel, operativer Geschäftsführer von Qatar Tourism. Bis zur WM soll es 50.000 Hotelzimmer geben. Der Neubau von Hotels sei nur genehmigt worden, wenn die Nachnutzung garantiert sei, sagt er. Weitere 60.000 Fans sollen während der WM in privaten Unterkünften untergebracht werden. Zudem gebe es auf zwei Kreuzfahrtschiffen Platz für etwa 20.000 Personen, sagt der deutsche Tourismusexperte.

Dennoch reichen die Unterkünfte im Emirat bei weitem nicht, um alle Fans unterzubringen. Rund 100.000 Fans sollen zumindest in der Gruppenphase täglich per Flugzeug ankommen. Dafür werde während der WM auch der alte Flughafen reaktiviert, erzählt Trenkel. Viele der Fans seien in Dubai untergebracht, das über ausreichend Kapazitäten an Hotelzimmern verfüge. "Es war immer die Ansage des Emirs, ein Turnier für die gesamte arabische Welt zu machen", begründet Trenkel diese Kooperation. Aus katarischer Sicht ist das Ansinnen verständlich, klimatechnisch ist das freilich eine Katastrophe für die "nachhaltigste WM aller Zeiten".

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