Vom Dorffußballplatz in Thal ins Nou Camp von Barcelona: Carina Wenninger hat sich den Spruch "live your dreams" nicht nur auf den Arm tätowiert, sondern das Motto auch wahr gemacht. Die Kapitänin des österreichischen Fußballnationalteams verkündete nach dem Test-Doppel (3:2 gegen Belgien, 2:0 gegen Tschechien) ihr Karriereende mit Saisonende.
Bei Barça gastierte die Steirerin vor Kurzem mit ihrem aktuellen Club AS Roma in der Champions League, 55.000 Zuschauer bildeten die stolze Kulisse. Im rot-weiß-roten ÖFB-Teamdress war die Innenverteidigerin Teil jener Mannschaft, die im Sommer 2017 bis ins EM-Halbfinale gelangte - ein absoluter Höhepunkt ihrer Karriere. "Das war ein Wahnsinnsmoment für mich. Es waren wunderschöne 16 Jahre im Nationalteam. Ich habe es geliebt", erklärte die Fußballerin, die ihren Ex-Vereinen und ihrer ÖFB-Teamchefin Irene Fuhrmann sichtlich emotional dankte. Fuhrmann und und ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel erklärten unisono über das ÖFB-Ass: "Sie ist de facto am Höhepunkt ihrer Karriere."
"Der richtige Moment"
Wenninger erklärte, dass sie immer noch Spaß habe am Fußball, betonte aber: "Viele Sportler verpassen den Moment. Ich glaube, für mich ist jetzt der richtige Moment einfach zu sagen, dass man zurücktritt, wenn man auf CL-Niveau spielen kann und in der Nationalmannschaft die Ehre hat, Kapitänin sein zu dürfen." Nach 16 Jahren komme sie nun zurück nach Österreich und freue sich auf mehr Zeit mit ihrer Familie und den neuen Job. "Es freut mich sehr, dem Frauenfußball erhalten zu bleiben."
Schöttel meinte, er habe zuerst wenig Freude mit der Rücktrittsentscheidung Wenningers gehabt, da sie eine tragende Säule im Nationalteam sei. "Sie ist bzw. war eine Führerin, aber nicht auf laute Art und Weise, sondern schlau und zurückhaltend - auf und neben dem Feld. Das hat mir immer sehr imponiert." Die Defensivspielerin habe sehr viel für den ÖFB geleistet. "Sie hat 127 Länderspiele, das sind mehr als doppelt so viele wie ich habe. Und meine sind mir schon viel vorgekommen", so Schöttel.
Noch zwei Titelchancen mit Roma
Wenninger feierte mit ihrem langjährigen Verein FC Bayern München drei Meistertitel. Bei ihrem derzeitigen Club AS Roma hat sie in ihren letzten zwei Monaten als Profi noch einiges vor. "Ich möchte mit der Roma noch zwei Titel gewinnen". Die Römerinnen greifen als klarer Tabellenführer nach dem Meistertitel und können auch noch den Cup holen.
Wenninger hatte 2007 als 16-Jährige an der Seite von Viktoria Schnaderbeck den Sprung aus der Steiermark von LUV Graz nach München gewagt. Dort gewann sie neben den Meisterschaften (2015/16/21) auch je einmal den DFB-Pokal (2012) und den Bundesliga-Cup (2011). Im vergangenen Sommer wechselte die Abwehrspielerin nach 15 Jahren und 303 Pflichtspielen im Bayern-Trikot auf eigenen Wunsch für ein Jahr leihweise in die italienische Hauptstadt. Dort wird sie nun ihre aktive Karriere beenden.
Auswirkungen hat der Schritt auch für Fuhrmann, die bereits den fünften Rücktritt einer Spielerin in den vergangenen acht Monaten zu verzeichnen hat. Nach Viktoria Schnaderbeck betrifft es nun eine zweite absolute Leistungsträgerin, die 2017 mit dem ÖFB-Team die Auszeichnung als "Österreichs Mannschaft des Jahres" erhalten hatte. Zuvor hatten sich auch schon Stefanie Enzinger, Jasmin Eder und Lisa Makas verabschiedet. Wenninger hatte nach dem Schnaderbeck-Rücktritt die Kapitäns-Schleife im vergangenen Sommer übernommen.
Die Erste mit Berater
Pionierin war die gelernte Automobilkauffrau Carina Wenninger, was ihr professionelles Umfeld angeht. Sie war die erste Klientin ihres Managers Felix Seidel, der mittlerweile in seiner Agentur "Sei Sport" mehr als 40 Kickerinnen betreut, darunter die ÖFB-Teamspielerinnen Sarah Zadrazil und Laura Feiersinger.
"Du bist ein absolutes Aushängeschild des österreichischen Frauenfußballs. Du hast viele junge Mädchen animiert, mit dem Fußballspielen zu beginnen. Auch weil du durch deine Einstellung, deine harte Arbeit, deine Liebe zu diesem Sport jedem Mädchen gezeigt hast, was möglich ist zu erreichen", adelte Fuhrmann die Karriere von Wenninger. "Du warst eine ganz wesentliche Säule, vielleicht auch das Fundament, weil wir dich nicht nur als Führungsspielerin am Platz verlieren, sondern als absolute Persönlichkeit." Die Teamchefin erklärte, es werde nun ihre Aufgabe sein, "diese Riesenlücke, die du hinterlässt, möglichst rasch zu schließen".
In ihren 127 Länderspieleinsätzen gelangen Wenninger sieben Tore. Neben dem Halbfinale hat sie auch das Erreichen des EM-Viertelfinales im Vorjahr auf der Habenseite stehen. Bei den bisher beiden einzigen ÖFB-Endrunden-Teilnahmen verpasste sie keine Minute. 2017 erlebte sie bei der ÖFB-Premiere bei einem Großevent das 1:0 gegen die Schweiz, 1:1 gegen Frankreich, 3:0 gegen Island und den sensationellen Viertelfinalaufstieg gegen Spanien (5:3 i.E. nach 0:0) in den Niederlanden mit. Nur aufgrund eines verlorenen Elferschießens gegen Dänemark (0:3 nach 0:0) wurde es nichts mit einem Finaleinzug.
2022 in England sicherten nach einem Auftakt-0:1 gegen die Gastgeberinnen vor über 68.000 Fans im Old Trafford Stadium Erfolge über Nordirland (2:0) und Norwegen (1:0) den neuerlichen Aufstieg in die K.o.-Phase. Im Viertelfinale gegen Deutschland (0:2) war auch aufgrund des fehlenden Spielglücks Endstation. In der Nachbetrachtung überwog klar das Positive, was Monate später nicht mehr der Fall war. Da setzte es auch für Wenninger einen herben Rückschlag, platzte doch der WM-Traum im Play-off-Duell in Schottland im Oktober vorzeitig. Sicher mit ein Grund, um vorzeitig dem Fußball adieu zu sagen.