Rot-weiß-rote Sternstunden hat es bei der Vierschanzentournee schon viele gegeben. 1974/75 starteten Willi Pürstl, Edi Federer und Karl Schnabl mit einem Dreifachsieg das österreichische Skisprungwunder. 2011/12 triumphierte Gregor Schlierenzauer vor Thomas Morgenstern und Andreas Kofler. Und 2014/15 lieferte sich mit Stefan Kraft und Michael Hayböck ein Duo einen Thriller um den Gesamtsieg, das auch heute noch an der Spitze mitmischt.
Dass die lange Wartezeit auf einen ÖSV-Gesamtsieg bei der Tournee nach zehn Jahren endlich zu Ende geht, dafür wollen nun gleich drei heimische Adler sorgen. Daniel Tschofenig, Jan Hörl und Stefan Kraft führen zur Tournee-Halbzeit die Gesamtwertung an und haben alleine damit schon Geschichte geschrieben - noch nie gab es zu diesem Zeitpunkt ein ÖSV-Triple an der Spitze. Und es könnte am Ende sogar ein Quartett sein. Routinier Michael Hayböck liegt als Siebenter zwar schon mit etwas Abstand zurück, zeigte aber mit Platz drei und Schanzenrekord in Garmisch-Partenkirchen, dass auch mit ihm noch immer zu rechnen ist.
Die enorme Konkurrenz innerhalb des Teams ist eines der Erfolgsgeheimnisse der österreichischen Springer. Dieses Trio greift nach der begehrten goldenen Adlertrophäe:
Daniel Tschofenig. Mit 22 Jahren ist der Kärntner vom Schnabl-Club SV Achomitz der Jüngste im Spitzentrio. "Tschofe" selbst bewunderte als Bub das Erfolgsteam um Gregor Schlierenzauer und Thomas Morgenstern. "Als ich klein war, habe ich davon geträumt. Jetzt trage ich das blaue Trikot als Tourneeführender. Das ist unglaublich", sagte er nach seinem Sieg in Garmisch-Partenkirchen. Genau vier Jahre nach seinem Weltcupdebüt in Bischofshofen könnte er am selben Ort seinen größten Triumph feiern. Seine kanadische Freundin Alexandria Loutitt hat ihm den Weltmeistertitel auf der Großschanze (2023 in Planica) voraus.
Tschofenig hat das Momentum auf seiner Seite, drei Weltcupsiege in 25 Tagen und die Gesamtführung sprechen für ihn. Cool blieb er bei in Engelberg, als sich vor seinem zweiten Sprung eine Schraube am Schuh gelockert hatte. Hingegen flatterten beim ersten Oberstdorf-Sprung die Nerven: "Ich bin noch jung und habe noch nicht so viele Tourneen in einer Favoritenrolle hinter mir. Da ist es normal, dass man einmal ein bisschen einen Ausritt hat mit den Gefühlen", sagte er.
Jan Hörl. Schon seit drei Jahren in der Weltspitze, hat der 25-jährige Bischofshofener mit viel Tüftelei an Material und Technik diesen Winter noch einmal zugelegt. Ein einziger Ausreißer nach unten (Platz 20 in Ruka), sonst nur Top-sechs-Plätze in dieser Saison zeugen von Konstanz. Neben Seriensieger Stefan Kraft (Hörl: "Er weiß immer, was er zu tun hat") steht er stets etwas im Schatten, dabei hat er mit seinem Mundwerk Kultpotenzial: "Ich habe die Eier wieder in die Hand genommen", analysierte er vor dem ORF-Mikrofon die Aufholjagd im zweiten Durchgang.
Stefan Kraft. Es gibt nichts, was der 31-Jährige bei der Tournee nicht schon erlebt hat: Gesamtsieg, Favoritenrolle, Abstürze. Dieser Erfahrungsschatz könnte für ihn heuer am Ende den Ausschlag geben, obwohl er selbst sagte: "Die Routine merke ich nicht, wenn ich da oben die Ski anschnalle. Da fühle ich mich wie ein 18-jähriger Bub, der keine Ahnung hat, was er jetzt kurz tun soll." Der Schwarzacher gönnt seinen Teamkollegen die Siege und genießt die Position des Jägers. "Wenn es um etwas geht, packe ich meine besten Sprünge aus", sagt Kraft. So wie in Garmisch, wo er mit einem Supersprung im zweiten Durchgang wie Phönix aus der Asche aufstieg.
Nun kommen mit Bergisel und Bischofshofen zwei Lieblingsschanzen von Stefan Kraft. Der Gedanke an die Euphorie in den randvollen Arenen und tausende rot-weiß-rote Fahnen lässt den Weltcupsieger schwärmen: "Ich freue mich jetzt schon auf die Stimmung!"