Lager Niederalm
Das Lager Niederalm war zunächst Teil III des Lager Grödigs und unterstand einer militärischen Leitung. Später war es für anderer Verwendungen vorgesehen. Es befand sich im Flachgau im heutigen Anifer Ortsteil Neu-Anif.
Geschichte
Einrichtungen
Schon am Anfang des Ersten Weltkriegs begann man in k.u.k. Österreich mit der Errichtung von Kriegsgefangenenlagern. Neu-Anif bestand damals noch nicht, es gab nur den Namen Niederalm als Ortsbezeichnung als Teil von Anif. Das Lager III wurde südöstlich des bereits bestehenden k.u.k. Kriegsgefangenenlagers Grödig I errichtet, südöstlich des Bahnhofs Grödig der Salzburger Lokalbahn (Rote Elektrische) in Richtung des kleinen Gois-Hügels sowie gegen den Überackerhof und Niederalm.
Während des Ersten Weltkriegs und noch einige Zeit danach war das Lager III für Flüchtlinge aus den Gebieten der östlichen Donaumonarchie (Galizien und der Bukowina) vorgesehen. In diesem Lager III gab eine Theaterbaracke, eine Bibliothek mit Lesehalle, eine katholische, evangelische und eine orthodoxe Kirche sowie einen jüdischen Tempel und einen muslimischen Gebetsraum und eine eigene Feuerwehr. Sie konnte allerdings 1916 einen Großbrand im Lager nicht verhindern. Die Lagerkinder wurden in einer russischen, einer ukrainischen und einer jüdischen Schule unterrichtet. Zumindest bis 1923 existierte eine Lagerschule, die als Außenstelle der Volksschule Grödig von Oberlehrer Siegl geleitet wurde.
Für Wöchnerinnen gab es auch ein sehr gut eingerichtetes Säuglings- und Wöchnerinnenheim.[1]
Flüchtlinge
Am 8. Juli 1916 langten in Salzburg rund 17 000 Flüchtlinge aus der Bukowina ein, die in mehreren Zügen der Lokalbahn nach Grödig transportiert wurden und dort im zwischenzeitlich fast gänzlich leeren Gefangenenlager III untergebracht wurden. Unter den Angekommenen befanden sich mehr als die Hälfte Kinder, zumeist noch im Alter unter 14 Jahren sowie auch deutsche Kolonisten aus der Umgebung von Luck (Wolhynien[2]).[3]
Aus einem Zeitungsartikel von Anfang Oktober 1916: "Vom Flüchtlingslager in Niederalm bei Salzburg. Seit Wochen schon wurde an der Vergrößerung des Flüchtlingslagers in Niederalm bei Salzburg mit Hochdruck gearbeitet. Die Zahl der Baracken ist jetzt eine derart ansehnliche, dass rund 30 000 Personen untergebracht werden können [Anm.: im gesamten Lager Grödig.]. Gegenwärtig sind 11 000 Personen, größtenteils Flüchtlinge aus der Gegend von Luck, Brest-Litowsk und der Bukowina in den einzelnen Baracken untergebracht."[4]
Ende Oktober 1916 kamen weitere 6 000 Flüchtlinge aus der Bukowina an und wurden mittels Sonderzügen der Lokalbahn in das Niederalmer Flüchtlingslager gebracht. Die Flüchtlinge führten außer einer Menge verschiedener Habseligkeiten auch einige Hundert Stück Ziegen und Schafe mit sich.[5]
Im April 1918 sank die Zahl der Flüchtling auf 2 000 Flüchtlinge. Von der Tabakregie wurden dem Kantineur, einem Juden, aber weiterhin die gleiche Menge Tabak zugewiesen als zur jener Zeit, als das Lager noch mit 12 000 Flüchtlingen belegt war. Trotzdem erhielten jedoch die Angestellten und Flüchtlinge weniger Tabak als von dessen Vorgänger.[6] Eine andere Quelle berichtet später, dass im Lager Niederalm noch 4 480 Flüchtlinge waren, davon 4 101 Ukrainer[7].
Hygiene und Krankheiten
Die Salzburger Wacht berichtete in ihrer Ausgabe vom 21. März 1917 über die sanitären Verhältnisse im Flüchtlingslager in Niederalm. Entgegen verschiedenen im Umlauf befindlichen Gerüchten über die Verbreitung epidemischer Krankheiten im Flüchtlingslager wurde der Zeitung von amtlicher Seite mitgeteilt, dass die Verhältnisse in diesem Lager, hinsichtlich des Auftretens ansteckender Erkrankungen, gegenwärtig als geradezu ungewöhnlich günstig bezeichnet wurde. Außer ganz wenigen leichten Varizellenfällen ohne jede Bedeutung gab es weder Infektionskrankheiten, noch solcher Krankheiten verdächtige Personen.[8]
Lagerkommando
Das Flüchtlingslager Niederalm stand unter dem Kommando von Dr. Franz Gehmacher, der dort Oberstabsarzt und Spitalsleiter war.[9]
Gerichtsprozess
Im März 1922 stand der Oberjäger des Lagers Niederalm, Josef Bertsch, wegen Mitwirkung an Schiebereien von Regierungsrat Dr. Eduard Rambousek vor Gericht.[10][11]
Nachnutzung
Während die Baracken des Russenlagers abgetragen wurden, nach das ehemalige Flüchtlingslager in Niederalm im August 1919 einen ungeahnten Aufschwung. Durch die Regierung wurden dort Obdachlose untergebracht und ein Lager für Heimkehrer eingerichtet.[12]
Im Spital des früheren Flüchtlingslager Niederalm befand sich unter anderem auch eine Abteilung für Kranke und Invalide aus dem Heeresstand, respektive Kriegsbeschädigte.(Invaliden-Spital)[13]
Am 8. Jänner 1919 ereignete sich im Obdachlosenlager Niederalm ein Großfeuer Durch die tatkräftige Hilfe der freiwilligen Feuerwehr des Eisenhüttenwerkes in Grödig war es damals gelungen, das Feuer auf seinen Entstehungsherd zu beschränken, sodass die um liegenden Baracken, welche von Obdachlosen bewohnt wurden, gerettet werden konnten.[14]
Zur Behebung der ungeheuer großen Wohnungsnot in Salzburg wurden auf Betreiben von Bürgermeister Max Ott und der Stadtgemeinde Salzburg 13 der Landesregierung gehörige Baracken vom Niederalmer Flüchtlingslager für Wohnungszwecke zweckgewidmet. In jeder Baracke wurden Räumlichkeiten für zehn Wohnungen hergerichtet, sodass dann 130 Wohnung zur Verfügung standen.[15][16][17]
Zum Teil wurden die Baracken auch abgetragen und das Holz verkauft. Aus einer der Baracken entstand 1921 das erste Schulgebäude der Volksschule Fürstenbrunn.
1920 gab es auch Überlegungen zur Errichtung einer Gartenstadt Niederalm. Dies scheiterte am Widerstand der Grundeigentümer, vielen kleineren Niederalmer Bauern.[18]
Lehrlingserholungsheim Niederalm-Grödig
Im Oktober 1919 wurde sechs villenartige Häuschen, es waren dies die aus Zement erbauten Schulbaracken des ehemaligen Flüchtlingslager, zu einem Lehrlingserholungsheim. Im Lehrlingserholungsheim Niederalm–Grödig brachte das Amt für Volksgesundheit 540 Lehrlinge für jeweils vier Wochen zur Erholung unter. Besonders schwierig zu lösen war die Frage einer halbwegs ausreichenden Ernährung, die überhaupt nur durch die tatkräftige Unterstützung der amerikanischen Kinderhilfskommission möglich wurde. Gekocht wird im Lager selbst. Man hat einfach die Lagerküche wieder in Betrieb gesetzt.
Die Baracken mussten erst hergerichtet werden und die Schulhäuschen waren nicht gleich von der Lagerverwaltung zu haben. So kam es, dass zuerst die Lehrlinge in die großen Baracken einquartiert werden mussten, die 80 bis 90 Feldbetten fassten, was natürlich oft allerlei Unannehmlichkeiten verbunden war. Diese waren mit dem Beziehen der Schulbaracken verschwunden. In keinem der fünf Schlafsäle, die jedes dieser Häuschen besaß, waren mehr als sechzehn Lehrlinge untergebracht.[19]
Nach 1938 war dort eine "Führerschule" für die Hitlerjugend.[20] Ab 1940 wurden wiederum Umsiedler und Flüchtlinge in den noch bestehenden Baracken untergebracht. In dieser Zeit erhielt die Barackensiedlung den Namen Schwabenlager.[21]
Augenzeugenberichten nach wurden die letzten Baracken um 1970 abgerissen.
"Schwabenlager"
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs fanden Donauschwaben hier im Lager Unterkunft. Nach Kriegsende wurde der heutige Sportverein SV Grödig am 20. März 1948 als Union Sportklub Grödig von deutschsprachigen Flüchtlingen dieses Schwabenlager Grödig, in dem auch Displaced Persons lebten, gegründet.
Das "Schwabenlager" wird zu Neu Anif
Am 26. Juni 1964 fasste der Anifer Gemeinderat den Beschluss, dem sogenannten Schwabenlager die Ortschaftsbezeichnung Neu-Anif zu geben. Der Beschluss kam aufgrund eines Schreibens von Siedlern in der Schwabensiedlung, in dem diese um die Umbenennung in Neu-Anif baten. Dieser Beschluss sorgte für Unruhe unter der Bevölkerung und eine andere Gruppe von Siedler verlangte die Umbenennung in Neu-Niederalm', da dieses Gebiet ja von jeher Niederalmer Ortsgebiet war. Doch da bereits der Beschluss gefallen war, ging die Gemeindevertretung nicht weiter auf den anderen Antrag ein.
Weblink
- "Das russische Gefangenenlager in Grödig bei Salzburg vom Untersberg aus", Bild vom Lager Niederalm
- * www.rainerregiment.at, ein Beitrag über Leutnant Bruno Westreicher und die Geschichte des Lagers
- www.sn.at wo-sich-vor-hundert-jahren-die-groesste-stadt-des-landes-befand
Quellen
- Dopsch, Heinz; Ewald Hiebl (Hrsg.): Anif. Kultur, Geschichte und Wirtschaft von Anif, Niederalm und Neu-Anif, Gemeinde Anif, 2003
- Schautafel am Russenfriedhof
- Salzburger Woche, Ausgabe 23. Mai 2013: Harald Saller: Gedenken einer schlimmen Zeit
- Salzburger Landeskorrespondenz vom 11. November 2018
Einzelnachweise
- ↑ ANNO, Salzburger Wacht, 4. Jänner 1919, Seite 2
- ↑ eine historische Landschaft in der nordwestlichen Ukraine im Bereich der heutigen Oblast Wolyn, Quelle wikipedia.de
- ↑ ANNO, Volksfreund, 8. Juli 1916, Seite 4
- ↑ ANNO, Linzer Volksblatt, 6. Oktober 1916, Seite 4
- ↑ ANNO, Volksfreund, 4. November 1916, Seite 4
- ↑ ANNO, Salzburger Chronik, 1. Mai 1918, Seite 2
- ↑ ANNO, Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 4. Juli 1918, Seite 9
- ↑ ANNO, Salzburger Wacht, Ausgabe vom 21. März 1917, Seite 4
- ↑ ANNO, Salzburger Chronik, 24. September 1919, Seite 4
- ↑ ANNO, Salzburger Wacht, Ausgabe vom 23. März 1922, Seite 5
- ↑ ANNO, Salzburger Chronik, Ausgabe vom 12. November 1922, Seite 8
- ↑ ANNO, Salzburger Chronik, 26. August 1919, Seite 4
- ↑ ANNO, Salzburger Wacht, 13. März 1920, Seite 3
- ↑ ANNO, Salzburger Volksblatt, 24. Februar 1919, Seite 5
- ↑ ANNO, Salzburger Chronik, 3. September 1918, Seite 3
- ↑ ANNO, Salzburger Volksblatt, 3. September 1918, Seite 3
- ↑ ANNO, Salzburger Chronik, 8. Oktober 1918, Seite 3
- ↑ ANNO, Salzburger Wacht, 30. April 1920, Seite 17
- ↑ ANNO, Arbeiter Zeitung, 20. Oktober 1919, Seite 4
- ↑ ANNO, Salzburger Volksblatt, Ausgabe vom 15. Juli 1939, Seite 18
- ↑ ANNO, Salzburger Volksblatt, Ausgabe vom 7. Dezember 1940, Seite 11