SN.AT / Wirtschaft

Niemand tanzt beim nächsten Walzer ins Kriminal

Wer Po-Grapschen ins Lächerliche zieht, schützt Täter. Und für die meisten Menschen ist das Thema Übergriff ohnehin völlig klar.

Karin Zauner


Po oder Oberschenkel gehören nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre eines Menschen. Zumindest nicht laut Strafrecht. Das soll geändert werden. Künftig werden laut Entwurf zum neuen Strafrecht nicht nur geschlechtliche Handlungen als sexuelle Belästigung gewertet, sondern auch "eine nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung". Das heißt: Wer künftig eine andere Person gegen deren Willen am Po streichelt, läuft Gefahr, wegen sexueller Belästigung angezeigt zu werden und eine sechsmonatige Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 360 Tagessätzen aufgebrummt zu bekommen. Kritiker dieser Reform, darunter auch Strafrechtler, sind erbost und fürchten, dass sie beim nächsten Walzer mit einem Fuß ins Kriminal tanzen, wenn die Hand zum Gesäß der Partnerin rutscht. Wird also die Strafrechtsreform unser Miteinander so empfindlich stören, dass wir es nicht mehr wagen werden, einander bei einer Begrüßung zu umarmen?

Das Problem liegt an derartigen Fragestellungen. Diese sind dazu angetan, die Sache ins Lächerliche zu ziehen, wo es nichts zum Lachen gibt. Drehen wir einfach die Fragestellungen um. Dann sieht man, worum es geht: Wer kann ernsthaft etwas dagegen haben, dass sich die Situation von Opfern sexueller Übergriffe verbessert? Wer hat Interesse daran, dass Menschen, die meinen, andere ohne Konsequenz sexuell belästigen zu dürfen, weiter ohne Sanktionen fuhrwerken dürfen? Manche mögen nun einwenden, hier würde der Verleumdung Tür und Tor geöffnet. Das ist ein absoluter Unsinn. Denn im Gleichbehandlungsrecht wird das Streicheln des Gesäßes schon lange der sexuellen Sphäre zuerkannt. Von einer Verleumdungswelle gibt es dennoch keine Spur.

Es geht um den Schutz von Opfern und sonst
um nichts. Denn unerwünschte Berührungen, Umarmungen oder Übergriffe sind eine Verletzung der körperlichen und seelischen Integrität. Etwas, das im Übrigen heute bereits Kleinkindern in Kinderbetreuungseinrichtungen intensiv erklärt wird, damit sie lernen, Nein zu sagen. Wir können unseren Mitmenschen grundsätzlich vertrauen. Erwachsene Menschen können einander mitteilen, was sie wollen und was nicht und wo sie für sich ihre Grenzen ziehen. In den meisten Fällen respektiert dies das Gegenüber. Für jene, die das nicht tun, gibt es künftig mögliche Sanktionen durch das Strafrecht. Das wird das Bewusstsein schärfen, was man anderen antun kann und was nicht. Und das ist gut so.