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Workation: Arbeiten mit Blick aufs Meer

Es ist der jüngste Trend in der digitalen Arbeitswelt: Reguläre Arbeit findet nicht im Büro oder daheim statt, sondern an einem Urlaubsort. Immer mehr Betriebe bieten das Beschäftigten an.

Nicht jeder hat so einen privilegierten Arbeitsplatz.
Nicht jeder hat so einen privilegierten Arbeitsplatz.
Müllers Büro ...
Müllers Büro ...

Homeoffice ist quasi von gestern. Der letzte Schrei in der modernen Arbeitswelt heißt Workation und leitet sich von den Begriffen Work und Vacation, also Arbeit und Urlaub, ab. Tatsächlich ist damit nicht gemeint, dass man während des Urlaubs arbeiten muss, sondern dass man der regulären Arbeit phasenweise nicht im Büro oder von daheim, sondern an einem Urlaubsort nachgeht.

Arbeiten im Paradies: Wie Lara Gamsjäger Workation nutzt

Lara Gamsjäger ist bei der Salzburger Digitalagentur Loop für die 30-köpfige Mediaabteilung zuständig - und nutzt Workation regelmäßig. Meist verlängert sie damit Kurzurlaube, indem sie mehrere Tage von dort als Arbeit anhängt. Nächste Woche bricht sie für vier Wochen nach Thailand auf - drei sind regulärer Urlaub, die vierte arbeitet sie von dort. Ob Barcelona oder Malediven: Gamsjäger hat schon von vielen Orten aus gearbeitet. "Ich bin so flexibler und kann im Winter in die Sonne fliegen, ohne Urlaub nehmen zu müssen."

Wie Loop's 'Work from Anywhere' Programm den Teamgeist stärkt

Bei Loop, wo das Programm "Work from anywhere" heißt, wird es bereits von einem Fünftel der rund 400 Beschäftigten genutzt. "Es stärkt den Teamgeist und die Unternehmermarke enorm", ist Gamsjäger überzeugt. Die Beschäftigten müssten die Bedürfnisse des Unternehmens aber stets im Blick haben. Als Teamleiterin muss sie etwa auch von auswärts Kunden- und Mitarbeiterkontakt sicherstellen. Deshalb arbeitet sie auch dann zu den klassischen Bürozeiten in Österreich, wenn sie sich in einer anderen Zeitzone aufhält. In Thailand etwa wird das von 14 bis 24 Uhr dortiger Zeit sein. Bis zum frühen Nachmittag kann sie so das fremde Land kennenlernen oder die Zeit am Strand verbringen.

Workation als Schlüssel zur Mitarbeiterbindung

Überall dort, wo klassische Büroarbeit zu verrichten ist, kann Workation eine Option sein - das sagt Jutta Perfahl-Strilka, die beim Beratungsunternehmen PwC als Partnerin für den Bereich Workforce Transformation zuständig ist. Das Angebot an Beschäftigte, Homeoffice an einen anderen Ort zu verlegen, stärke die Marke eines Arbeitgebers. Das sei in Zeiten des Personalmangels ein entscheidender Punkt. Loop-Manager Christian Ortner nennt einen zweiten Aspekt: Die Agentur versuche offensiv, Talente aus dem Ausland anzuwerben - 47 Nationalitäten stehen bei Loop auf der Gehaltsliste. Und da könne es ein wichtiger Anreiz sein, dass diese die Möglichkeiten hätten, eine gewisse Zeit im Jahr von ihrer alten Heimat aus zu arbeiten.

Workation-Trend: Wie Unternehmen die Bedingungen für Workation regeln

Die Zahl der Betriebe, die Workation anbieten, wächst. Neben Großkonzernen und Firmen mit starkem Digitalbezug seien zunehmend klassische Mittelständler darunter, sagt Perfahl-Strilka. Mit Corona sei der Zusammenhang zwischen Arbeitsort und Leistung stark aufgeweicht worden. Für die Jüngeren sei dieser Konnex ohnehin nicht so klar: "Die haben von klein auf gelernt, sich digital zu begegnen."

Gesetzliche Vorgaben für Workation gibt es bislang nicht. Deshalb sei es für Unternehmen unabdingbar, Vorgaben zu machen und die Sache möglichst exakt zu regeln, sagt die Arbeitsexpertin. So sei vorab zu klären, dass am Urlaubsdomizil eine gute Internetverbindung sowie ein ordentlicher Arbeitsplatz vorhanden seien. Sinnvoll sei auch, die Arbeitszeit am Urlaubsort zu definieren und sie den klassischen Bürozeiten am Stammsitz anzulehnen. "Du arbeitest dort und bist nicht auf Urlaub", das müsse vorher klar sein, meint Perfahl-Strilka.

Workation-Regelungen: Die optimale Dauer

Auch die Dauer einer Workation ist intern zu regeln. Maximal vier Wochen pro Jahr, so könnte eine Vorgabe lauten. Perfahl-Strilka kennt aber auch Fälle, in denen Beschäftigte drei Monate durchgehend vom Ausland aus arbeiten. Dem Alltag zu entfliehen könne Beschäftigte kreativer und produktiver machen, betont die Expertin.

Workation in Unternehmen: Erfolgsfaktoren und Fallstricke

Die betriebliche Genehmigung ist allein wegen steuerlicher und versicherungstechnischer Fragen unerlässlich. Um potenziellen Frust im Team zu verhindern, gilt es vorab auch zu klären, ob alle Aufgaben am Urlaubsort erledigt werden können oder ob in dieser Phase für einzelne Aufgaben die Kollegenschaft einspringen muss. Fürs Betriebsklima ist auch wichtig, Workation nicht zu einem Privileg für wenige zu machen, sondern potenziell allen anzubieten, die von auswärts arbeiten können. Für einige Firmenchefs klingt das trotzdem wie eine gefährliche Drohung. Manche schränken selbst Homeoffice wieder ein. "Die Menge macht das Gift", meint Perfahl-Strilka. Soll heißen: Wenn ständig von der Ferne aus gearbeitet werde, könne das die Bindung zum Team schwächen. Ein dosierter Einsatz wirke in der Regel aber positiv. Gegenseitiges Vertrauen ist unerlässlich, um derartige Konzepte zu einem Erfolg zu machen, meint Perfahl-Strilka. Dazu gehörten "reife Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter". Sie müssten Konsequenz und Disziplin mitbringen, damit sie ihre Arbeit auch aus der Ferne zur Zufriedenheit erfüllen. Bei Loop gilt Vertrauen als oberster Firmengrundsatz - auch bei Workation. "Zum Glück" sei dieses noch nie von einem Beschäftigten missbraucht worden, sagt Manager Ortner.

Workation und Arbeitsrecht: Der Ruf nach einheitlichen EU-Regeln

Einen dringenden Wunsch hat er aber an den Gesetzgeber bzw. die EU. Jedes Land habe andere arbeitsrechtliche Bestimmungen und stelle dabei auf Büropräsenz ab. Einheitliche EU-Regeln für das mobile Arbeiten wären deshalb wichtig, sagt Ortner. Ein letzter Punkt, um mögliche falsche Erwartungen von Beginn an auszuräumen: Die Kosten für Anreise und Übernachtung einer Workation trägt der Beschäftigte selbst - und nicht das Unternehmen.

Ein Drittel der Jüngeren plant eine Workation

Eine erste Studie über Workation hat jüngst der US-Netzwerkkonzern Cisco in Auftrag gegeben. Und es zeigte sich, dass das Thema zwischen den Generationen durchaus polarisiert. Während 33 Prozent der 18- bis 34-Jährigen planen, im Ausland zu arbeiten, geben das in der Altersgruppe 45 plus nur elf Prozent an. 38 Prozent der Jüngeren gaben an, schon mindestens ein Mal eine Workation gemacht zu haben. Bei den Älteren sind es nur 18 Prozent. Befragt wurden 1050 deutsche Beschäftigte.

Für die Wahl des nächsten Arbeitgebers ist bei den Jüngeren die Möglichkeit der Workation ein wichtiges Kriterium: 42 Prozent der 18- bis 34-Jährigen sehen das so, während es nur für 15 Prozent der Älteren ein entscheidender Grund ist. Bei 45 Prozent der Unternehmen ist Workation schon erlaubt.

Doch warum ist Workation so wichtig für die Generationen Z und Y? Die Jüngeren möchten damit neue Kulturen und Orte kennenlernen (40%), mehr Möglichkeiten zur Erholung nutzen (40%) und Abstand von Routinen gewinnen (35%). Dass sie weniger arbeiten können, ohne dass es auffällt, sagen zwölf Prozent. Bei den anderen Altersgruppen steht "Interesse, das Konzept auszuprobieren", auf Platz eins - mit 30 Prozent bei 35- bis 44-Jährigen und 27 Prozent bei Älteren.

Betrachtet man die Arbeitszufriedenheit insgesamt, ist Workation aber nicht der zentrale Faktor - auch nicht für Jüngere. Über alle Altersgruppen hinweg sind flexible Arbeitszeiten (69%), gutes Teamklima (68%), Gehalt (65%), unkompliziertes Homeoffice (56%) und eine Vertrauenskultur (52%) wichtiger. Die Unterschiede zwischen den Generationen sind hier erstaunlich klein.

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