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Eine Seilbahn fährt nicht von allein

Lange wurde im Corona-Winter über Aufsperren oder Zulassen diskutiert. Jetzt geht es doch los. Dass ein Skitag aber reibungslos funktioniert, dahinter stehen vor allem auch die Seilbahntechniker.

Tobias Galler (16) wird bei den Planai-Bahnen zum Seilbahntechniker ausgebildet.
Tobias Galler (16) wird bei den Planai-Bahnen zum Seilbahntechniker ausgebildet.

Zwei dicke Wälzer liegen vor Andy Gerhardter auf dem Tisch. Wer hier beginnt, sich durchzuarbeiten, muss die Materie wirklich mögen. Oder schwärmt geradezu von ihr. Alles, was die moderne Seilbahntechnik zu bieten habe, sei in diesen beiden Büchern zu finden, erklärt Gerhardter und legt schützend seine Hand auf die Fach-Bibeln. Sofort ist klar: Der Liftler, der bei Tee und Jause nur gemütlich im Lifthäusl sitzt - ein bissl langweilig, aber immerhin warm - , diese Figur gibt es in den Skigebieten nicht mehr. Mit der Weiterentwicklung der Technik ist aus dem Liftler, der heute Seilbahntechniker heißt, eine gut ausgebildete Fachkraft geworden. Und Andy Gerhardter sorgt dafür, dass es noch mehr werden.

Der Steirer ist Betriebsleiter der Hochwurzen-Bahn im Skigebiet von Schladming und Lehrlingsbeauftragter der gesamten Planai-Bahnen. Sein Anspruch lautet: "Wir wollen die besten Ausbildner in der Seilbahntechnik sein." Und deshalb muss er erst einmal eines sagen: Dass die Seilbahner zuletzt europaweit für die Verbreitung des Coronavirus an den Pranger gestellt worden seien, "das ist schon sehr kränkend", betont er. Auch Planaibahnen-Chef Georg Bliem ist darauf nicht gut zu sprechen: "Die Seilbahnen für die Pandemie verantwortlich zu machen, dagegen wehre ich mich, das ist falsch." Ein Liftbetrieb habe nichts mit Après-Ski zu tun. Außerdem: In keinem anderen Beruf werde "Kontrolle, Kontrolle und noch einmal Kontrolle" so sehr praktiziert wie in der Seilbahnbranche. "Wenn was ist, haftest du als Seilbahntechniker, da steht Sicherheit an allererster Stelle", betont Bliem. Mentale Stärke sei im Beruf extrem wichtig. Jede Inszenierung am Berg - ob Rodelbahn, Hängebrücke oder Eispalast - klinge wunderbar, "sie stehen aber alle unter Aufsicht der Betriebsleiter".

Mit im Schnitt neun bis elf Lehrlingen zählen die Schladminger Planai-Bahnen zu den größten Ausbildnern im Seilbahntechnikerbereich. "Seit fünf Jahren haben wir das so richtig intensiviert", erklärt Bliem. Man brauche Nachwuchs, es stehe ein Generationenwechsel bevor, "ganz viele Betriebsleiter gehen in den nächsten Jahren in Pension". In Summe arbeiten 40 der 420 Beschäftigten bei den Planai-Bahnen als Seilbahntechniker. Und die sind Multitalente.

Voraussetzung Nummer eins: "Höhenangst darfst keine haben", sagt Andy Gerhardter. Auf die Stütze klettern zu müssen, ist keine Seltenheit. Die Seile und Vorrichtungen müssen regelmäßig geprüft werden, jeden Tag gibt es eine Bremsprobe und technisch spielen die Kontrollstationen der Bahnen alle Stückerl, die man erst einmal richtig einordnen können muss. Die neue Planai-Bahn etwa ist mit 28 Kameras komplett videoüberwacht. Auch bei den Pistengeräten samt Bergekran und den Beschneiungsanlagen muss man jederzeit einsatzbereit sein. "Wir stellen unsere Ausbildung in die Breite auf, jeder Einzelne muss selbst beurteilen können, was zu tun ist", betont Gerhardter. "Wenn eine Bahn steht, musst du schnell sein, dann warten Tausende Menschen darauf, dass es weiter geht." Gleichzeitig würden sich im Beruf aufgrund der Fülle an Aufgaben und der technischen Komplexität immer mehr Spezialisten herausbilden.

Georg Bliem sieht darin für größere Seilbahnunternehmen wie die Planai künftig vielleicht sogar ein Geschäftsmodell. "Wir haben die Möglichkeit, viele Fachkräfte auszubilden, andere haben das nicht. Wir können kleineren und mittleren Skigebieten mit unseren Spezialisten aushelfen und sie ihnen leihen." Das passiere bereits auf Nachfrage, etwa für die Seilprüfung oder bei der Beschneiung. Auch in der Entwicklung von Skigebieten und dem Materialeinsatz könne man Knowhow anbieten, man habe diesbezüglich schon Anfragen aus Ost- und Zentraleuropa. Er habe nichts gegen Wanderjahre nach dem Lehrabschluss, betont Bliem. "Erfahrung sammeln ist wichtig." Was er sich wünschen würde: "Mehr Frauen in der Branche." Mit insgesamt 28 Prozent Damenanteil bei der Planai sei man schon recht gut unterwegs, "aber bei den Seilbahntechnikerinnen haben wir noch Luft nach oben".

Mit dem Neubau der Planai-Bahn wurde in der Bergstation auch eine eigene Lehrwerkstätte samt Schlosserei eingerichtet. 80.000 Euro hat man investiert. Hier werden theoretisches und praktisches Wissen intensiviert, dazu kommen ständige Standortwechsel im Betrieb - bis hinauf zum Dachsteingletscher. "Wir machen Jobrotationen, unsere Lehrlinge lernen vom Lager bis zur Pistengerätewartung alles durch", erklärt Gerhardter.

Lehrling Tobias Galler macht sich gerade in der Schlosserei mit allerlei Dingen vertraut. Sein jüngstes Projekt: Absperrgitter für die Anstellbereiche bauen, damit im Corona-Winter das Abstandhalten funktioniert. Der 16-Jährige ist im ersten Lehrjahr. Die Freude darüber, "dass ich immer auf dem Berg bin", sieht man ihm an. Besonders interessant fand er bisher die Revisionsarbeiten. "Da werden alle Verschleißteile ausgewechselt und du siehst alle Details einer Bahn." Schwer beeindruckt hat ihn diesen Sommer der Neubau der Lärchkogel-8er-Sesselbahn. Die Montage sei "extrem eindrucksvoll" gewesen. In einer Rekordzeit von sechs Monaten ist die Sesselbahn entstanden - mit 1,2 Kilometer Länge, 14 Stützen, 61 Sessel und eine Beförderungskapazität von bis zu 3500 Personen pro Stunde. Am 24. Dezember, zum coronabedingt späteren Start des Skiwinters, geht sie offiziell in Betrieb - die Seilbahner hoffen, für länger.

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