Mit 16.000 Mitarbeitern und mehr als 600 Filialen ist Spar der zweitgrößte Lebensmittelkonzern Ungarns mit über zwei Mrd. Euro Umsatz. Die Freude an dem jahrelang erfolgreichen Ungarn-Engagement aber ist in der Salzburger Konzernzentrale seit Langem getrübt. Im März hat Spar wie berichtet Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt und fordert ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn. Grund sind Sondersteuern in Millionenhöhe, mit denen die Orbán-Regierung ausländische Konzerne belegt hat. An einer anderen Streitfront konnte Spar am Donnerstag einen Etappensieg vor dem EuGH erzielen. Hintergrund: Ungarn hatte während der Coronapandemie im Februar 2022 per Verordnung festgelegt, dass Supermärkte gewisse landwirtschaftliche Produkte wie Zucker, Mehl, Sonnenblumenöl oder Fleisch und Milch zu einem festgelegten Preis und in bestimmten Mengen anzubieten haben.
Bisher fünf Millionen Euro an Strafen gezahlt
"Das ging so weit, dass wir Produkte billiger verkaufen mussten, als wir sie von den Produzenten bekamen", sagt Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. Spar habe sich dennoch daran gehalten. Die Verordnung blieb bis Ende Juli 2023 in Kraft. Vorgeschrieben sei aber auch gewesen, in welchen Mengen die entsprechenden Lebensmittel immer vorrätig zu sein hatten. Das sei bei großen Absatzmengen dieser Grundnahrungsmittel nicht immer einzuhalten gewesen, so Berkmann.
Spar Ungarn wurde im Mai 2023 wegen Verstoßes gegen die Verordnung zu einer Geldstrafe verurteilt, gegen die sich die Ungarn-Tochter des Salzburger Konzerns vor einem ungarischen Gericht wehrte. Dieses Gericht wandte sich anschließend an den EuGH, um die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu prüfen. Die Antwort liegt seit Donnerstag vor: Die ungarische Regelung hindere "die Händler ohne angemessene Rechtfertigung daran, die Verkaufspreise und -mengen dieser Erzeugnisse auf der Grundlage wirtschaftlicher Erwägungen frei zu bestimmen", so der EuGH. Ungarn habe die Maßnahme mit der "Bekämpfung der Inflation" und dem "Schutz benachteiligter Verbraucher" argumentiert. Es fehle aber die Verhältnismäßigkeit: Die Beeinträchtigung des freien Marktzugangs sowie die Störungen der gesamten Versorgungskette gingen über das hinaus, "was zur Erreichung der mit der Regierungsverordnung verfolgten Ziele erforderlich" sei. Der Fall liegt nach der Beantwortung des EuGH jetzt wieder beim Gericht in Ungarn, das nun im konkreten Fall entscheiden muss.
Weitere 400 Verfahren gegen Spar anhängig
Spar geht davon aus, dass das Gericht die Strafe aufheben müsse. Und es sei bei weitem nicht das einzige Urteil in Ungarn, so Berkmann. Gegen Spar seien weitere 400 Verfahren anhängig, Strafen von fünf Mill. Euro wurden bisher bezahlt.
Mit dem seit Monaten schwelenden Streit um Sondersteuern habe der Fall nichts zu tun, so Berkmann. "Das Urteil von heute bestätigt aber, dass die Bedenken von Spar gegen die ungarischen diskriminierenden Gesetze berechtigt sind." Erlassen hat Viktor Orbán auch die Sondersteuer im Jahr 2022, und zwar im Mai als Folge des Ukraine-Kriegs. Banken, Handelsketten und Energieunternehmen, die von der Krise profitiert haben sollen, werden zur Kasse gebeten, um ungarische Haushalte von gestiegenen Energiepreisen zu entlasten und in die Aufrüstung zu investieren. Orbán begründete die Einführung damals damit, dass sich "die Brüssler Sanktionspolitik nicht verbessert" habe, was zu "drastischen Preissteigerungen" geführt habe. Dem Lebensmittelhandel mit Margen zwischen ein und zwei Prozent bringt die Sondersteuer von heuer 4,5 Prozent hohe Verluste. Für 2024 rechnet Spar mit einem Sondersteueraufkommen von 92 Mill. Euro. Schon 2023 hatte eine Belastung von 76 Mill. Euro Spar in Ungarn einen Verlust von 47,8 Mill. Euro beschert. Ein Rückzug sei schwierig, hatte Spar-Chef Hans Reisch im März den SN erklärt: "Wir haben Vermögenswerte von 180 Mill. Euro dort liegen und insgesamt zwei Milliarden Euro in Ungarn investiert."