In Bahnkreisen wurde es schon Anfang des Jahres gemutmaßt, mittlerweile ist es fix: Die ÖBB werden von der Deutschen Bahn 17 Intercity-Züge kaufen. Das Besondere daran: Die Kiss-Doppelstockzüge des Schweizer Herstellers Stadler Rail gehörten früher der privaten Westbahn, die sie vor sechs Jahren an die DB verkauft hat. Die hatte 2019 dringenden Bedarf an Zugmaterial - ebenso wie die ÖBB, die damals aber leer ausgingen.
Mittlerweile ist die Deutsche Bahn ausreichend mit neuen Intercity-Zügen versorgt, daher wurde im Vorjahr der Verkaufsprozess für die 2011 bzw. 2017 gebauten Doppelstockzüge gestartet. Als Verkaufspreis hat die DB einem Bahninsider zufolge 200 Millionen Euro angesetzt. Wie viel die heimische Staatsbahn für die acht Sechs-Wagen-Züge und neun Vier-Wagen-Züge bezahlt, ist nicht bekannt. Von den ÖBB heißt es auf Anfrage nur: "Kein Kommentar." Die Verträge sollen nach SN-Informationen fertig sein.
Bis 2030 fließen mehr als sechs Milliarden Euro in die Erweiterung des Fuhrparks
Mitte April hatte Bahn-Chef Andreas Matthä in der Bilanzpressekonferenz kein konkretes Interesse an den Kiss-Zügen bestätigt, aber betont, man halte die Augen nach Rollmaterial grundsätzlich offen. Die Staatsbahn hat angesichts der stark steigenden Fahrgastzahlen ein riesiges Einkaufsprogramm laufen. Bis 2030 fließen mehr als sechs Milliarden Euro in die Erweiterung des Fuhrparks. Trotz der jüngsten Einsparungen im Bundeshaushalt bleibt die Flottenerneuerung - anders als der Rahmenplan für den Infrastrukturausbau - aufrecht.
Unter anderem wurde 2022 ein Rahmenvertrag mit Stadler für insgesamt 186 vier-, fünf- und sechsteilige Doppelstocktriebzüge des Typs Kiss unterzeichnet, darunter erstmals auch 14 sechsteilige Doppelstock-Railjets. Diese Züge, wie sie die Westbahn von Beginn an einsetzte, sollen ab 2026 ausgeliefert werden. Sie bieten mehr Sitzplätze und ermöglichen durch breitere und barrierefreie Türen schnelleres Ein- und Aussteigen.
ÖBB setzen derzeit ehemalige Waggons der Deutschen Bahn ein
Die ehemaligen Westbahn-Garnituren könnte die ÖBB als Übergangslösung zur Aufstockung der Kapazitäten an starken Reisetagen auf der Weststrecke einsetzen, wird im Bahnsektor vermutet - bis die neuen Railjets da sind. Die DB hat die Kiss-Züge zwischen 2020 und 2022 generalüberholen lassen, berichteten Fachmedien. Sie wurden zuletzt zwischen Rostock, Berlin und Dresden eingesetzt, wo aber die Kapazität nicht mehr ausreichte. Außerdem sei die Wartung, die weiter in Wien erfolgt, teuer und logistisch aufwendig, hieß es.
Die ÖBB setzen derzeit auch andere ehemalige Waggons der Deutschen Bahn ein. Vor gut eineinhalb Jahren wurden aufgrund des damals dramatischen Fahrzeugmangels 33 "Großraumwagen" beim privaten tschechischen Bahn- und Busbetreiber Leo Express angemietet, die dieser von der DB gekauft hatte. Sie werden auf weniger frequentierten Strecken etwa zwischen Wien und Amstetten eingesetzt.