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Fachkräfte gesucht - aus aller Welt

Die Babyboomer gehen in Pension, zu wenige kommen nach. Woher die Fachkräfte nehmen? Die internationale Rekrutierung gewinnt an Bedeutung.

International auch in der Freizeit (v. l.): Die Eurofunk-Kollegen Robert Huemer, Al Riyami Ammar und Al-Darmaki Mansoor (beide Servicetechniker aus Oman) sowie Martin Isak.<br />
International auch in der Freizeit (v. l.): Die Eurofunk-Kollegen Robert Huemer, Al Riyami Ammar und Al-Darmaki Mansoor (beide Servicetechniker aus Oman) sowie Martin Isak.<br />
Margit Kreuzhuber, Work in Austria: „Ganz Europa hat dasselbe Problem.“
Margit Kreuzhuber, Work in Austria: „Ganz Europa hat dasselbe Problem.“

Der Salzburger Pongau mit seiner Bezirkshauptstadt St. Johann ist als Tourismusregion bekannt. International aber sind dort längst nicht mehr nur die Urlaubsgäste. Aus aller Welt zieht es technische Fachkräfte nach St. Johann. Der Magnet heißt Eurofunk Kappacher. Das Technologieunternehmen, das Einsatzleit- und Kommunikationssysteme für Feuerwehren, Polizei, Rettung oder auch Flughäfen entwickelt und liefert, rekrutiert sein Personal seit vielen Jahren auch außerhalb der rot-weiß-roten Grenzen - anfangs in Europa, mittlerweile rund um den Globus.

"Bei uns arbeiten Menschen aus 26 Nationen", betont Christina David von der HR-Abteilung bei Eurofunk. 20 Prozent der 650 Beschäftigten seien internationaler Herkunft, "von Indien bis Syrien, dem Oman bis Marokko oder der Ukraine". Proaktiv gesucht werde über eine ganze Reihe von Netzwerken und Plattformen, umgekehrt erhalte man aber auch aktive Bewerbungen, derzeit etwa viele aus dem Iran oder den Arabischen Emiraten. Wobei es im internationalen Recruiting offenbar auch Trends gibt: "Absolut im Kommen", so David, seien gerade Fachkräfte aus den südamerikanischen Ländern, "die sind hervorragend ausgebildet".

Über den Tellerrand und auch über Europa hinauszublicken wird für heimische Betriebe nicht erst in Zukunft zum Muss. Im Zeitraum von 2022 bis 2027 gehen rund 540.000 Menschen der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Pension - und die nachfolgenden Jahrgänge seien wesentlich geburtenschwächer, warnte Anfang der Woche das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) mit dem Ausblick, dass Österreich ab den frühen 2030er-Jahren einen "akuten Mangel" an Arbeitskräften erleben werde.

"Die Mittel- und Langfristprognosen sind alarmierend, wir sehen uns in unserer Arbeit bestätigt", sagt dazu René Tritscher, Geschäftsführer der Austrian Business Agency (ABA), die mit "Work in Austria" als Ansprechstelle entlang der Zuwanderungskette fungiert und internationale Fachkräfte mit österreichischen Unternehmen vernetzt. Das Argument, dass schon genügend Migranten im Land seien, lässt Tritscher nicht gelten. "Wir holen keine Hilfskräfte, sondern Fachkräfte", betont er, das sei eine Ergänzung zu Weiterbildungsangeboten und Umschulungen, "das schließt sich nicht aus". Internationale Rekrutierung aus Drittstaaten sei im Kampf gegen den Fachkräftemangel ein Baustein von vielen.

Margit Kreuzhuber, Abteilungsleiterin von "Work in Austria", betont: "Ganz Europa hat dasselbe Problem." Die Nettozuwanderung aus der EU sei von zwei Dritteln in der Vergangenheit auf jetzt unter die Hälfte gesunken, "wir müssen uns umorientieren". Die Betriebe würden das langsam auch tun - selbst in Branchen, die einst klassisch auf heimisches Personal setzten, etwa Handwerk und Gewerbe. Kreuzhubers Beobachtung: "Elektroinstallateure kommen immer öfter auch aus dem Ausland." Mit dem "Job-Seeker-Visum" könnten Fachkräfte auch ohne fixen Job ins Land kommen und hätten sechs Monate Zeit, eine Stelle zu finden.

Greifen würde auch die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte im Herbst 2022, die Verfahren seien schneller geworden, und für die Philippinen gebe es jetzt eine Pre-Check-Liste für Berufe, in denen eine Einzelfallprüfung nun entfalle, "weitere Länder folgen", sagt Kreuzhuber, die Betriebe dazu animiert, das Service von "Work in Austria" in Anspruch zu nehmen: "Wir haben Mitarbeiter, die mit allen Prozessen und auch den Zielmärkten weltweit vertraut sind."

Christina David von Eurofunk Kappacher spricht von "sechs bis acht Wochen - ab Einleitung aller Prozesse - bis die neue Arbeitskraft bei uns ist, das ist gut". Man habe aber auch selbst viel dazugelernt, "wir wissen mittlerweile, was wir tun müssen, um an internationale Fachkräfte zu kommen". Bei der Zusammenarbeit im Betrieb seien die vielfältigen Kulturen "ein supergroßer Mehrwert", sagt David, "der Horizont aller wird erweitert".

Immer mehr Mangelberufe

Wie groß die Lücke top geschulter Arbeitskräfte schon ist, zeigt die ganz neue Liste der Mangelberufe. Das sind Berufe, für die es weniger als 1,5 Arbeitssuchende pro offener Stelle beim AMS gibt. 81 Mangelberufe sind es für 2025, dazu kommen regionale Bundesländer-Listen. An erster Stelle steht Oberösterreich mit 41 Mangelberufen, trotz des jüngsten Jobabbaus.


Mangel herrscht österreichweit auch an Ärzten, Hebammen, Fleischern oder Zuckerbäckern, um nur einige zu nennen. Ganz neu ist der Fernmeldemonteur als Mangelberuf. Ab den frühen 2030er-Jahren wird sich die Lage akut verschärfen, warnte zuletzt das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), weil von 2022 bis 2027 rund 540.000 Babyboomer in Pension gehen und die nachfolgenden Jahrgänge wesentlich geburtenschwächer sind.


Wie viele Rot-Weiß-Rot-Karten 2024 an internationale Arbeitskräfte ausgestellt wurden, wird nächste Woche kommuniziert. Ziel des scheidenden Arbeitsministers Martin Kocher waren 10.000 - gut 8000 waren es 2023.

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