Die Meldung schlug im heimischen Lebensmittelhandel am Dienstag ein wie eine Bombe: Der Rewe Konzern (Billa, BillaPlus, Adeg, Bipa) muss eine Rekordstrafe von 70 Millionen Euro zahlen, so eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH). Grund ist die verbotene Durchführung eines Zusammenschlusses. Der Fall liegt bereits mehrere Jahre zurück: Mitte 2018 übernahm die damalige Tochtergesellschaft Merkur (nun Billa Plus) Verkaufsflächen für einen Lebensmitteleinzelhandel im WELAS Park Einkaufszentrum in Wels, wo zuvor die Weiß Handels GmbH einen Lebensmitteleinzelhandel betrieben hatte. Dieser Vorgang wurde bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nicht als Zusammenschluss angemeldet.
Rekurs-Hick-Hack
Was darauf folgte, war Rekurs-Hick-Hack: Die Bundeswettbewerbsbehörde argumentierte, dass Rewe diese "Übernahme" den Kartellbehörden hätte melden müssen, da ein laufender Lebensmittelbetrieb von einem Konkurrenten fortgeführt worden sei. Rewe sah das anders. Im Oktober 2021 habe die BWB daher einen Antrag auf Geldbuße an das Kartellgericht gestellt, erklärt BWB-Sprecherin Sarah Fürlinger. Man sah darin die verbotene Durchführung eines Zusammenschlusses. Das Kartellgericht wies das in erster Instanz zurück. Nach einem Rekurs entschied das Kartellobergericht allerdings, dass es sich sehr wohl um einen anmeldepflichtigen Zusammenschluss handle. Das Verfahren ging zurück ans Kartellgericht, das eine Strafe von 1,5 Mill. Euro verhängte.
Am Dienstag gab der OGH bekannt, die Strafe auf 70 Mill. Euro erhöht zu haben.
Die Festsetzung der Rekordstrafe basiere auf dem Jahresumsatz der deutschen Rewe-Gruppe von über 92 Mrd. Euro im Jahr 2023. Die Kartell-Strafrahmenobergrenze beträgt bis zu 10 Prozent des Umsatzes, also bis zu 9 Mrd. Euro. "Geldbußen nach dem Kartellgesetz verfolgen präventive und repressive Zwecke, was eine angemessene Höhe erfordert, weil sonst keine abschreckende Wirkung erzielt wird", erklärte der Oberste Gerichtshof. Man habe als OGH "bereits mehrfach klargestellt, dass auch in Österreich zur wirksamen Bekämpfung von Kartellverstößen Geldbußen in einer Größenordnung zu verhängen sind, wie sie auf Unionsebene und in zahlreichen Mitgliedstaaten bereits seit langem üblich" seien.
Zusammenschluss wurde später genehmigt
Brisantes Detail dabei: Der Zusammenschluss - also die Übernahme des Standortes durch Rewe - wurde nachträglich noch angemeldet und auch genehmigt. Es handle sich also eigentlich um einen Formalfehler, räumt Fürlinger ein. "Die Entscheidung und die Höhe der Geldbuße ist aber eine klare Ermahnung, die Anmeldepflicht von Zusammenschlüssen in Österreich ernst zu nehmen", betont die BWB. Die BWB habe dafür jetzt "eine Klarstellung vor dem Obersten Gerichtshof nun erreicht".
BWB wünscht sich Nachschärfungen beim Kartell- und Wettbewerbsrecht
Von der Regierung wünscht sich die Wettbewerbsbehörde schon seit längerem Nachschärfungen beim Kartell- und Wettbewerbsrecht. In Deutschland und Großbritannien haben die Wettbewerbshüter mehr Möglichkeiten in der Hand. Bei Zusammenschlüssen, gerade im ohnehin hochkonzentrierten Lebensmittelhandel, sei letztlich der Konsument der Leidtragende, der mit höheren Preisen bezahlen müsse. "Wir haben als einziges Instrument gegen diese Marktkonzentration aber die Fusionskontrolle", betont Fürlinger.
Gegen die Entscheidung ist laut BWB kein Rekurs mehr möglich.
Rewe bezeichnete das Urteil in einer ersten Stellungnahme als "unverhältnismäßig hoch". Man prüfe aktuell die Urteilsbegründung, die man erst Dienstag bekommen habe.
Lebensmittelhandel schon lange im Visier
Im Visier hat die Wettbewerbsbehörde den Lebensmittelhandel nicht zum ersten Mal. Wegen Preisabsprachen wurde Spar 2014 zunächst zu einer Geldstrafe von drei Mill. Euro verurteilt, der OGH erhöhte die Summe auf 30 Mill. Euro. Rewe erhielt eine Strafe von 21 Mill. Euro.
Im November 2023 stellte die BWB erstmals einen Antrag auf Geldbuße wegen unfairer Praktiken gegenüber den Lieferanten. Die Tiroler Supermarktkette MPreis soll Lieferanten zur Zahlung aufgefordert haben - ohne Gegenleistung.