SN.AT / Wirtschaft / Österreich / Wirtschaft

KTM-Boss Pierer: "Nicht alle werden überleben"

20 Prozent höhere Löhne in drei Jahren und gleichzeitig sinkende Arbeitsleistung und Nachfrage: "Da muss man reagieren", sagt KTM-Boss und IV-OÖ-Präsident Stefan Pierer.

400 Jobs weniger in Mattighofen, 600 insgesamt: Bis Jahresende reduziert die Pierer Mobility ihren Personalstand um 10 Prozent.
400 Jobs weniger in Mattighofen, 600 insgesamt: Bis Jahresende reduziert die Pierer Mobility ihren Personalstand um 10 Prozent.
„Mit Teilzeitarbeit bleiben wir nicht wettbewerbsfähig“, sagt Stefan Pierer, KTM-Boss und IV-Präsident von Oberösterreich.
„Mit Teilzeitarbeit bleiben wir nicht wettbewerbsfähig“, sagt Stefan Pierer, KTM-Boss und IV-Präsident von Oberösterreich.

KTM-Boss Stefan Pierer ist gerade aus Indien zurückgekehrt. In Pune, dreieinhalb Autostunden von Mumbai entfernt, produziert der Mattighofener Motorradspezialist bei seinem Partner Bajaj Straßenmodelle mit 125 bis 400 Kubikzentimetern. Auf 100.000 Stück im Jahr ist die Produktion in Indien angewachsen. Und auch Pune ist, seit Pierer dort mit KTM vor 17 Jahren andockte, gewachsen.

"Wir haben uns künstlich schlechtgemacht"

"Damals hatte die Stadt 3,5 Millionen Einwohner, jetzt sind es 7 Millionen", erklärt Pierer. Pune sei zum automotiven Zentrum Indiens aufgestiegen - "mit einer Produktion in Indien bist du als Industriebetrieb jetzt am besten dran", sagt der KTM-Boss. Von Indien in die USA zu exportieren sei wegen der Handelsstreitigkeiten heute leichter als aus China. Und es werde fleißig gearbeitet. In Indien wie auch China kämen Arbeiter auf doppelt so viele Arbeitsstunden im Jahr wie in Österreich. Auch die Angestellten arbeiteten erheblich mehr.

Höhere Produktivität und geringere Personalkosten - das hat für Industriekapitäne aus dem Westen eine magische Anziehungskraft, noch mehr in wirtschaftlich fordernden Zeiten, in denen die Nachfrage lahmt und die Lohnstückkosten stark gestiegen sind. "Wir haben uns künstlich schlechtgemacht", sagt Pierer. Allein in den vergangenen drei Jahren hätten die Löhne in Österreich um 20 Prozent zugelegt, heuer kämen noch einmal 5 Prozent dazu, "das sind immense Steigerungen".

Der Gürtel wird bei der Pierer Mobility Group enger geschnallt

Gleichzeitig sei die Nachfrage um 10 bis 15 Prozent gesunken, "da musst du als global agierendes Unternehmen etwas tun". Zumal auch die Ist-Löhne - also die Überzahlungen - nach der im Vorjahr geschlossenen KV-Vereinbarung um 5 Prozent steigen sollen. "Hätte man im Vorjahr gewusst, wie es wird, wäre es gescheiter gewesen, nur die KV-Gehälter zu erhöhen", sagt Pierer.

In den heimischen Betrieben sind die fetten Jahre vorbei. Es wird umgeschichtet und abgebaut, wo es geht. Der Gürtel wird enger geschnallt. Pierers Mobility Group hat erst diese Woche eine weitere Streichung von 200 Stellen angekündigt. Im selben Atemzug hat der börsennotierte Motorradhersteller für das erste Halbjahr 2024 einen Umsatzrückgang von 27 Prozent auf 1 Mrd. Euro und einen Periodenverlust von 172 Mill. Euro verlautbart.

400 Jobs werden abgebaut, Viertagewoche kommt nicht infrage

Bis Jahresende wird der Personalstand um 600 Beschäftigte gesunken sein, 10 Prozent der weltweit gut 6000, die für Pierer arbeiten. Am KTM-Stammsitz in Mattighofen mit gut 4500 Mitarbeitern sind rund 400 Jobs vom Stellenabbau betroffen. Dass er damit Schlagzeilen und sich keine Freunde macht, weiß Pierer. "Berichtet wird immer über die Großen - KTM, Miba oder Fronius. Aber alle Betriebe schrauben ihre Personalkosten jetzt um 10 Prozent herunter", betont er.

Und bei Pierer nicht mit Arbeitszeitreduktion - "eine Viertagewoche? Vergiss es! Auch Kurzarbeit löst das Problem nicht", sagt der KTM-Boss, der in Oberösterreich Präsident der Industriellenvereinigung (IV) ist. "Da muss ich dem Arbeitsminister Kocher recht geben, das ist jetzt für alle keine vorübergehende, sondern anhaltende Geschichte." Man müsse sich auf eine reduzierte Nachfrage einstellen und deshalb anpassen, danach folge eine Phase der Konsolidierung, "nicht alle werden überleben".

Laut Pierer sollte zu viel Teilzeit gestoppt werden

Bei Pierer Mobility wird jetzt vor allem bei den Angestellten gespart, die Produktion sei angepasst. "Ich tue das seit eineinhalb Jahren", sagt Pierer. Nun müssten Marketing und Entwicklung gebündelt werden. Das Durchschnittsalter seiner Beschäftigten liege bei 36, erklärt er, "ich habe 250 Lehrlinge. Die Jugend muss man fördern." Sein Ruf an die Politik: steuerliche Anreize für Mehrarbeit schaffen, etwa bei Überstunden, und für längeres Arbeiten bei den Älteren. Auch zu viel Teilzeit sei zu stoppen: "Damit bleiben wir nicht wettbewerbsfähig."

"China hat uns überholt, Indien mindestens auf gleichem Niveau"

Der enorme Druck auf die europäische Wirtschaft habe freilich auch mit dem Aufstieg Chinas zu tun, "wobei auch wir 30 Jahre lang von ihnen profitiert haben", betont Pierer, der seine gesamte Mittelklassefertigung in Hangzhou konzentriert hat. "Wir glauben in Europa immer noch, wir sind überschlau, aber China hat uns überholt und die indischen Firmen sind produktionstechnisch mindestens auf dem Niveau wie wir." Der Weg, den Import aus China über Zölle zu regulieren, sei nicht falsch, sagt Pierer, aber nicht mit 100 Prozent, wie die USA und Kanada es tun. "Wir müssen die Hürden in den Markt so gestalten, dass die Chinesen motiviert sind, bei uns zu investieren."

WIRTSCHAFT-NEWSLETTER

Abonnieren Sie jetzt kostenlos den Wirtschaft-Newsletter der "Salzburger Nachrichten".

*) Eine Abbestellung ist jederzeit möglich, weitere Informationen dazu finden Sie hier.