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Lebensmittelspenden für Bedürftige: 40 Prozent mehr Klienten bei halber Ware

Mehr Lebensmittelspenden an karitative Vereine - das will die Regierung im Kampf gegen die Teuerung erreichen. Die Realität ist freilich eine andere: Sozialvereine beklagen einen massiven Rückgang gerade durch den Handel. Gründe dafür gibt es viele. Auch rechtliche.

Mehr Bedürftige, weniger Spenden.
Mehr Bedürftige, weniger Spenden.
Sandra Wendlinger, Flachgauer Tafel.
Sandra Wendlinger, Flachgauer Tafel.

Mehr Lebensmittelspenden an karitative Vereine, um die Lebensmittelverschwendung zu bremsen - und auch die Teuerung -, aber auch um Bedürftigsten zu helfen: Das war eines der Ziele, die die Regierung im Kampf gegen die Inflation ankündigte. Die Realität ist derzeit eine andere.

40 Prozent mehr Klienten verzeichnete die Wiener Tafel bereits im Vorjahr. Statt 20.000 versorgt man jetzt 28.000 Betroffene gratis mit gespendeten Lebensmitteln über soziale Einrichtungen. Und die Nachfrage steige angesichts der hohen Lebensmittelkosten weiter, sagt Geschäftsführerin Alexandra Gruber. Gleichzeitig aber sei die Zahl der Lebensmittelspenden von Supermärkten in Wien um 50 bis zu 100 Prozent zurückgegangen, das heißt teils gänzlich ausgeblieben. Der Grund sei einfach: Angesichts hoher Preise greifen auch im Supermarkt immer mehr Kunden zu minus 25 Prozent Aktionen bei bald ablaufender Ware. Und Lebensmittel-Retter-Apps wie Too Good To Go oder andere Überraschungs-Sackerl, die kurz vor Ladenschluss übrige Ware um ein Drittel des Preises bieten, boomen - nicht nur bei Bedürftigen. "Es ist erfreulich, wenn weniger verschwendet wird, aber uns fehlt die Ware", sagt Gruber. Zudem würden gerade die Überraschungs-Angebote teils wieder für Verschwendung sorgen. Zum Drittel-Preis bekommt man schließlich ein zuvor nicht bekanntes Misch-Paket, das oft Joghurt mit Leber-Pastete, Weckerl vom Vormittag und Veggie-Linsen-Salate zu einer schrägen Mischung vereint. "Manche Studenten nutzen das kreativ, und planen danach den Speiseplan für die ganze Woche. Andere denken sich aber erst recht, schmeiß ich das Drittel, das mir nicht schmeckt, weg, war ja immer noch billiger", sagt Gruber.

Auszugleichen versuche man die ausbleibenden Spenden aus dem Handel durch Überschuss-Angebote von Industrie und Landwirtschaft. "Logistisch ist das für uns aufwendiger, im Vorjahr ist es aber recht gut gelungen", sagt Gruber.

Rückgänge auch in Salzburg

Auch in Salzburg spürt man die Rückgänge bei Lebensmittelspenden - wenn auch weit weniger stark als in Wien, sagt Sandra Wendlinger von der Flachgauer Tafel, die in Seekirchen, Koppl und Mattsee kostenlos Lebensmittel in einer Art Kiosk-Betrieb an Bedürftige abgibt. Vorteil sei sicher die ländliche Struktur, wo man viele der Supermarkt-Leiter, die einen beliefern, persönlich kennt. "Es gibt Betriebe wie den Unterbäck in Seekirchen, die To Good To Go anbieten, nicht aber an den beiden Tagen, an denen sie uns beliefern."

Zwei Mal in der Woche - in Koppl einmal - könne man bei der Flachgauer Tafel gegen einen Nachweis des Einkommens und der Zahl der Familienmitglieder für zwei Euro übrige Lebensmittel abholen. 40 bis 50 Prozent neue Kunden seien auch im Flachgau angesichts der hohen Lebensmittelpreise dazugekommen. Etwa 1800 Personen kämen derzeit regelmäßig. "In Koppl würden wir auch auf zwei Tage ausweiten, wenn wir mehr Angebot hätten", sagt Wendlinger. Sei es noch vor wenigen Jahren so gewesen, dass Supermärkte Sozialeinrichtungen suchten, die Ware abnehmen, oder schlicht zu viel Ware etwa an die Tafeln geliefert wurde, gebe es heute "so gut wie keine freien Supermärkte mehr, die nicht schon einen karitativen Partner haben, den sie beliefern", erläutert Wendlinger.

Rechtliche Hürden

Grund für das mangelnde Angebot seien teils aber auch rechtliche Hürden. Der Handel müsse Spenden mit Null bonieren, erläutert Tafel-Wien-Chefin Gruber. Damit sei es rein rechtlich quasi Abfall - und den dürfe man eigentlich nicht weitergeben. "Schon das ist rechtlich eine Grauzone", erläutert Gruber. Zudem könne sich der Handelskonzern damit die Vorsteuer nicht zurückholen. "In vielen Ländern gibt es hier ganz einfache Lösungen, bei denen man nur die gespendete Menge einmelden muss und dann wird ein Pauschalbetrag dafür ausgewiesen", sagt Gruber. Das brauche es auch in Österreich dringend.

900 Tonnen Lebensmittel wurden im Vorjahr über die Wiener Tafel verteilt. Österreichweit dürften grob 20.000 Tonnen an karitative Vereine gehen. Angesichts von 800.000 Tonnen vernichteter Lebensmittel immer noch ein eher niedriger Wert.

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