Geplante Änderungen im Eisenbahngesetz treiben die Gewerkschaft auf die Barrikaden. Besonderer Dorn im Auge sind Roman Hebenstreit, dem Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Vida, die vorgesehene Senkung des Ausbildungsalters und selbst gestaltbare Ausbildungsstandards für Bahnunternehmen. Das sei "völlig unverständlich" und ein großes Sicherheitsrisiko, sagt der gelernte Lokführer Hebenstreit.
Künftig könnten dann bereits 19-Jährige bei Verschubfahrten eingesetzt werden statt wie bisher Menschen ab 21. Darin liege ein besonderes Risiko. Daten der Statistik Austria zeigen, dass unter 20-Jährige im Straßenverkehr anteilsmäßig (wie über 75-Jährige) am häufigsten Verkehrsunfälle mit Personenschäden verursachen. Für Psychiater Michael Lehofer nicht überraschend. "Die Entwicklung des Gehirns ist erst mit 20 bis 25 Jahren abgeschlossen", sagt er. Für besonders verantwortungsvolle Tätigkeiten seien ältere Personen besser geeignet, besonders, wenn in Krisensituationen schnelle Entscheidungen erforderlich sind.
Verschubfahrten seien nicht ungefährlich, sagt Hebenstreit. Sie umfassten Gefahrenguttransporte im Bahnhofsbereich mit starkem Verkehrsaufkommen. "Gerade in Bahnhofsbereichen müssen Menschen zwischen den Waggons hin und her klettern." Wegen der hohen Signaldichte dort komme es auch häufig zu "Signalüberfahrungen". Am Wiener Hauptbahnhof finden werktäglich 1300 Zug- und an die 3500 Verschubfahrten statt.
Hintergrund der Reformen ist der Personalmangel. Besonders spürbar sind die Engpässe bei rund 5000 Lokführern bei den ÖBB, von denen viele bald in Pension gehen. Gründe für den Personalmangel sind aus Sicht der Gewerkschaft "unattraktive Arbeitsbedingungen" mit viel Nacht- und Schichtarbeit und hoher Arbeitsbelastung. Bei den ÖBB gebe es mehr als 4 Millionen Überstunden und gut 350.000 nicht konsumierte Resturlaubstage. Auch ein niedriges Gehalt wird als Argument angeführt. Das Einstiegsgehalt liegt laut Vida bei 3200 Euro brutto für 38,5 Wochenstunden.
Für die Beseitigung des Fachkräftemangels brauche es neue Lösungen, sagt Thomas Scheiber, Obmann des Fachverbands der Schienenbahnen in der Wirtschaftskammer (WKÖ). Er unterstützt die Reformpläne des Verkehrsministeriums, die offenbar auf Schiene sind und demnächst durch den Ministerrat gehen sollen. An der Sicherheit wird laut Scheiber nicht gerüttelt. Die Novelle "ändert weder die umfassende Ausbildung der Lokführer noch bestehende Sicherheitsvorkehrungen und ist vom EU-Recht ausdrücklich vorgesehen". Das niedrige Alter lässt Scheiber nicht gelten, unter 20 Jahren könne man Berufspilot oder Fluglotse werden.
Die ÖBB sollten lieber die Ausbildung von Lehrlingen forcieren, fordert Hebenstreit, der auch dem ÖBB-Konzernbetriebsrat vorsitzt. Voraussetzungen für den Beruf Lokführer sind Lehre oder Matura und eine rund einjährige Schulung.