Etwas weniger als die Hälfte der österreichischen Haushalte befinden sich in Mietwohnungen - in Wien sind es sogar vier Fünftel, in Salzburg etwa 37 Prozent. Vielen von ihnen drohen wegen der hohen Inflation in den nächsten Monaten erneut saftige Preiserhöhungen. Seit Wochenbeginn deutet sich an, dass die schwarz-grüne Regierung doch noch die Bremse ziehen könnte. "Wir freuen uns, dass endlich Bewegung in die Sache kommt, sagt Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik und Wohnen der Arbeiterkammer am Dienstag in der gefühlt zehnten Pressekonferenz, in der die AK eine Mietpreisbremse fordert. Ritt drängt die Regierung aber zu Tempo. Bis spätestens Anfang März müsse die Gesetzesnovelle durch sein, weil Richtwert- und Kategoriemieten sonst quasi automatisch um fünf bis fast neun Prozent stiegen.
Es gibt unterschiedliche Überlegungen zu den Mieten
Auch SPÖ und FPÖ treten schon seit Längerem für einen Stopp bei den indexgebundenen Richtwertanhebungen ein. "Die Gespräche laufen", heißt es auf SN-Anfrage aus dem ÖVP-Club. Finanzminister Magnus Brunner sieht angesichts zahlloser Antiteuerungshilfen zwar die Notwendigkeit, die Erwartungshaltung der Menschen wieder zu dämpfen und zurückzufahren. Auf ein Nein zu weiteren Schritten wollte er sich am Dienstag nicht festlegen. Es gebe bei Mieten unterschiedliche Überlegungen, diese nicht weiter an die Inflationsrate zu binden. Für die Anpassung könnte künftig ein anderer Index herangezogen, die Inflationsabgeltung gedeckelt oder ein komplett neuer Index entwickelt werden.
Ähnlich reserviert gibt sich der kleinere Koalitionspartner. "Wir sind in parlamentarischer Abstimmung", sagte Nina Tomaselli, Wohnbausprecherin der Grünen, schon am Montag zur APA. Es sei ungerecht, wenn Mieten um zehn Prozent stiegen, die Kosten für die Vermieter aber nicht in diesem Ausmaß gestiegen seien.
"Die Menschen kommen an die Belastungsgrenze"
Die Arbeiterkammer sieht es drastischer. Die Mieten seien in den vergangenen zehn Jahren doppelt so stark gestiegen wie die Inflation, kritisiert Ritt, und ebenso die Profite der Vermieter. Jede Erhöhung treibe die Teuerung weiter an.

Nach Zahlen der Statistik Austria habe ein Drittel der Miet-Haushalte schon vor der nun drohenden Mieterhöhung Zahlungsprobleme kommen sehen. Ohne Eingriff müsste eine Million Mieter mit Richtwert- bzw. Kategoriezins mit Zusatzkosten von 200 Mill. Euro rechnen. Bei Altverträgen wäre es die vierte Erhöhung binnen 15 Monaten.
"Die Menschen kommen an die Belastungsgrenze", sagt Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien. Das zeige die gestiegene Nachfrage nach Beratungen. Die Termine reichten bereits weit in den April hinein. Viele Betroffene, auch solche, die sich bisher als Mitte der Gesellschaft verstanden hätten, sagten, dass sie wo immer möglich sparten und es trotzdem am Monatsende eng werde. "Am öftesten kommt die Frage: Warum tut die Regierung nichts", so Hanel-Torsch.
Andere Länder haben bereits einen Mietpreisdeckel
Dabei gebe es Beispiele für Mietdeckel aus anderen europäischen Ländern, betont Ritt: Spanien und Portugal hätten eine Grenze bei maximal zwei Prozent Erhöhung eingezogen, Frankreich bei 3,5 Prozent, Dänemark bei vier Prozent. In Schweden verhandle der Mieterbund jedes Jahr die Erhöhung - für 2023 maximal 2,5 bis 4,5 Prozent. Und sogar in der Schweiz dürfe die Mietsteigerung nur 40 Prozent der Inflation des Vorjahres ausmachen.
Die AK fordert, dass bis zu einer - seit Jahren angekündigten - großen Mietrechtsreform Mieten nur ein Mal pro Jahr um maximal zwei Prozent angehoben werden dürfen. Die Bremse soll für Richtwert-, Kategorie- und freie Mieten gelten, bei denen die Erhöhungen vertraglich geregelt ist. Das wäre rasch umsetzbar, so Ritt. Doch statt in den Markt einzugreifen, versuche die Regierung mit Zuschüssen zu helfen. "Wohnungspolitik lässt sich nicht durch Sozialpolitik ersetzen", argumentiert Ritt.
Wifo-Chef: "Es ist sinnvoll, sich um Mieter zu kümmern"
Das Argument der Wohnungs- und Hauseigentümer, ohne Mietanpassung seien Sanierung bzw. Umrüstung auf andere Heizsysteme unleistbar, hält Ritt für vorgeschützt. "Nach dem Mietrechtsgesetz müssen die Profite der letzten zehn Jahre angespart werden. Das sind in Summe 5,5 Mrd. Euro. Damit können sie 90 Prozent des Altbaubestands sanieren", rechnet er vor. Und bekräftigt die AK-Forderungen etwa nach einer Leerstandsabgabe, Einschränkungen bei Kurzzeitvermietungen und die Abschaffung von befristeten Mietverträgen.
Konkret für einen Eingriff bei Mieten sprach sich am Dienstag Wifo-Chef Gabriel Felbermayr aus. Es sei kein Naturgesetz, alle Bereiche an die Inflationsrate zu koppeln. Man müsse auch fragen, "wie wir die Schmerzen der Wohlstandsverluste verteilen". Da sollten "breitere Schultern" mehr tragen; es sei sinnvoll, sich um Mieter zu kümmern.