Eine Erfolgsgeschichte war es bisher nicht: 5388 aufrechte Rot-Weiß-Rot-Karten hat Österreich aktuell vergeben. Die Zahl an Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern, die mit dieser Ausnahmebewilligung hier arbeiten dürfen, weil sie in Mangelberufen dringend benötigt werden, ist überschaubar. Dabei ist für die heimische Wirtschaft der Fachkräftemangel neben Ukraine-Krieg und Coronafolgen das drängendste Problem. 124.000 gemeldete offene Stellen zähle man aktuell - so viele wie nie, sagt Arbeitsminister Martin Kocher. "Nur 40 bis 50 Prozent der offenen Stellen werden überhaupt gemeldet, da kann man leicht ausrechnen, wie viele Fachkräfte fehlen." Der demografische Wandel werde das verschärfen.
Die Regierung hat daher - wie von der Wirtschaft lange gefordert - eine Reform der 2011 geschaffenen Rot-Weiß-Rot-Karte in Begutachtung geschickt. Schnellere Verfahren, leichteren Zugang und mehr Flexibilität solle das bringen, sagt Kocher, spätestens mit Jänner 2023, "vielleicht schon im Herbst".
Erleichterungen soll es etwa für EU-Ausländer geben, die hier studiert haben. Mussten sie bisher sofort ein Gehalt von über 2551 Euro erreichen, fällt diese Grenze künftig weg. Bei Betrieben, in denen Englisch Konzernsprache ist, zählen Englisch-Kenntnisse künftig ebenso viel wie Deutsch. In Mangelberufen wird ein Lehrabschluss ebenso bewertet wie ein Universitätsabschluss. Generell werde Berufserfahrung stärker gewertet. In der IT soll eine dreijährige Berufserfahrung eine Beschäftigung erlauben, auch wenn man kein Studium hat.
Leichter werden soll es, für temporäre Projekte wie das Aufstellen einer Maschine oder IT-Projekte Spezialisten aus Drittstaaten zu holen. Sie brauchen nur ein Visum und eine Beschäftigungsbewilligung, kein umfassendes Verfahren.
Neu ist eine Rot-Weiß-Rot-Karte für Saisonarbeitskräfte: Wer drei Jahre als Saisonnier in Österreich beschäftigt war, zählt künftig als Stammsaisonnier und fällt nicht mehr unter das Saisonnierkontingent. Nach zwei Jahren als Stammsaisonnier hat man Anspruch auf die Rot-Weiß-Rot-Karte und damit ganzjährige Beschäftigung. Helfen soll das Land- und Forstwirtschaft und dem Tourismus. Eine "enorme Verbesserung" nennt es ÖHV-Chef Walter Veit. "Mussten wir bisher oft bis wenige Tage vor Beginn der Saison zittern, ob wir langjährige Mitarbeiter etwa aus Bosnien wieder beschäftigen können, gibt es jetzt Klarheit." Stammsaisonnier sei man bisher nach sieben durchgehenden Saisonen gewesen. "Schon wer ein Jahr ausblieb, weil er ein Kind bekam, fiel heraus", sagt Veit. Zudem könne man nun Ganzjahreskräfte gewinnen. "Saisonniers zahlten bisher nur ins Sozialsystem ein, weil sie nach wenigen Wochen wieder abreisen mussten. Jetzt können wir ihnen etwas bieten."
Hoffnungen, mehr Fachkräfte zu finden, hat auch Florian Baumann, bei den Salzburger Landeskliniken zuständig für die Anwerbung neuer Mitarbeiter. "Bisher fehlten oft nur wenige Punkte, um jemanden über die Rot-Weiß-Rot-Karte beschäftigen zu dürfen." Bessere Chancen, bleiben zu können, dürften zudem mehr Interessenten bringen.
Kocher verspricht auch schnellere Verfahren. Indem Behörden wie AMS und Fremdenbehörde parallel arbeiten, soll die Dauer auf maximal zwei bis drei Monate halbiert werden. Vorwürfe der Gewerkschaft, Lohndumping zu unterstützen, weist Kocher zurück. Sozialstandards und Kollektivverträge müssten strikt eingehalten werden. Zudem habe weiter Vorrang, das Fachkräftepotenzial in Österreich zu heben durch Qualifizierung, Beschäftigung Älterer und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.