Europas größter Softwarehersteller SAP hat in Österreich seit Jahresbeginn einen neuen Geschäftsführer. Der Wahlsalzburger Andreas Wagner über Chancen der KI, Jobabbau und gestrichene Diversitätsziele.
Sie haben den Posten als Österreich-Chef in einer wirtschaftlich angespannten Situation übernommen. Wie schwierig war der Start? Andreas Wagner: Wir haben hohe Energiekosten, wir haben hohe Lohnnebenkosten, wir haben hohe Bürokratiekosten. Das ist natürlich ein großes Thema für die Industrie. Von SAP-Seite her hatten wir aber ein sehr gutes erstes Halbjahr. Ich glaube, die Kunden sehen in dem Thema Digitalisierung auch ein intelligentes Sparprogramm. Wir fokussieren uns auch auf den Mittelstand, weil er am meisten von der Cloud profitiert: Mittelständler können sich eigene Programmierer oft nicht leisten, in der Cloud haben sie alle Innovationen automatisch. Generell denke ich: Mut und Zuversicht sind extrem wichtig, weil der Österreicher dazu tendiert, Dinge krankzureden. Dann wird es eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Der SAP-Konzern hat vor wenigen Tagen höhere Gewinne im zweiten Quartal präsentiert. Das hohe Plus lag vor allem am Jobabbau des vergangenen Jahres: Weltweit wurden 10.000 Stellen gestrichen. Inwiefern trifft es Österreich? Das ist Vergangenheit. Zudem hat man zwar in gewissen Bereichen Stellen abgebaut, in anderen Bereichen aber neu eingestellt. Aktuell gibt es in Österreich jedenfalls keine Maßnahmen. Im Gegenteil: Wir haben etliche Stellen offen. Momentan sind es 690 Mitarbeiter. Wir wollen bald die 700 erreichen.
Und wie viele davon sind Frauen? SAP hat sich ja unlängst vom globalen Ziel von 40 Prozent Frauenanteil verabschiedet - nachdem US-Präsident Trump Diversität in Unternehmen den Kampf angesagt hat. Was heißt das für Österreich? Momentan liegen wir bei 32 Prozent Frauenanteil. Wir bemühen uns, die Zahl nach oben zu bringen, für mich persönlich ist es immer noch ein wichtiges Anliegen.
Trotzdem hat man das 40-Prozent-Ziel gestrichen. Das ist ein Zeichen nach außen, dass man Diversität nicht mehr ganz so ernst nimmt. Ich glaube, an den Initiativen hat sich nichts geändert. Man muss aber bedenken, dass SAP 40 Prozent des Gesamtumsatzes in Nord- und Südamerika macht.
Im August greifen EU-weit strengere Regeln für den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Dutzende Unternehmen kritisieren diese nächste Stufe des AI Acts als zu streng. SAP ist ebenfalls auf der Liste. Was stört Sie daran? Teile des AI Acts führen meines Erachtens zu Überregulierung. Wir haben in Europa das Problem, dass wir bei Neuem als Erstes an eine Regulierung denken und weniger an die Chancen. Insgesamt ist es wichtig, dass wir die Angst vor der Zukunft wegkriegen. Wir stehen momentan vor der Herausforderung, dass sich die neuen Technologien viel schneller entwickeln als die digitale Bildung. Aus dieser Lücke entsteht ein sozialer Schmerz und Angst vor dem Neuen. Investition in digitale Bildung ist deshalb sehr wichtig. Aber wir müssen schnell sein und das Thema Digitalisierung wirklich als Priorität sehen.
Unternehmen pumpen immense Summen in KI. Ob die Technologie die hohen Erwartungen erfüllen kann, wird von manchen bezweifelt. Sind die Erwartungen zu hoch? Das denke ich nicht. KI ist für mich wie eine Zeitmaschine. Man kann Dinge 10 Mal, 1000 Mal, 10.000 Mal schneller machen, gerade bei repetitiven Aufgaben. Durch die KI wird es zu einer White-Collar-Revolution kommen, zu einer Revolution der Angestellten. Da wird sich wahnsinnig viel ändern und wir sehen es ja schon: Wir haben zum Beispiel in der Entwicklung bei SAP bereits 30 Prozent Einsparungen durch KI. Im Consulting können unsere Berater durch KI-Assistenten bereits 96 Minuten pro Arbeitstag einsparen. Sie haben einen digitalen Agenten, der auf die kompletten Dokumente, auf das ganze Wissen der SAP zugreifen kann. Das ist natürlich eine Revolution.
30 Prozent Einsparungen heißt 30 Prozent weniger Stellen? Das kann man so nicht sagen. KI wird helfen, die Geschwindigkeit zu erhöhen. Wie sich das auf die Arbeitskräfte auswirkt, wird spannend. Kurzfristig sehe ich da keine großen Auswirkungen. Mittelfristig muss man sich das anschauen.
Und langfristig? Das kann niemand voraussagen. Ich denke, dass künftig Menschen mit Chatbots und KI-Agenten arbeiten werden, die mit ihnen virtuell oder in welcher Form immer im Büro sitzen. Interaktion zwischen Mensch und Maschine wird wichtiger.
SAP-Konzernchef Christian Klein sagte vor Kurzem, er würde ein Start-up eher in den USA gründen als in Europa. Wo würden Sie gründen? Aktuell ist es wahrscheinlich leichter in den USA. Aber ich bin von ganzem Herzen Europäer und würde trotzdem eher hier gründen. Aber wir haben in Österreich ein Finanzierungsproblem: Für Start-ups ist es wahnsinnig schwer, weil Risikokapital fehlt. Viele gehen dann nach München, Berlin oder gleich in die USA, wo einfach mehr Risikokapital verfügbar ist. Aber trotzdem sollte man Europa auch nicht schlechtreden, wie es derzeit gerne gemacht wird. Ja, wir sind vielleicht im Technologiesektor nicht führend, aber wir haben den Technologiesektor auch nicht verloren. Wir sind in der Luftfahrtindustrie führend, wir sind im Pharmabereich sehr stark oder im Bereich der Luxusgüter. Ich sehe Europa noch lange nicht verloren. Europa hat eine sehr gut ausgebildete Bevölkerung und da müssen wir ansetzen.
Sie sind gebürtiger Steirer und Wahlsalzburger. Was schätzen Sie an Salzburg? Salzburg ist einfach für mich eine der schönsten Städte der Welt. Es gibt eigentlich kaum etwas Schöneres. Ich bin ein sehr großer Opern- und Theaterfan. Wir haben seit vielen Jahren ein Premierenabo für die ganze Familie im Landestheater. Ich bin ein großer Fan der Festspiele. Und dann sind da natürlich die Berge: Sie haben die richtige Höhe. In Innsbruck fühle ich mich schon wieder eingeengt. Wenn ich zu Hause am Dürrnberg ins Tal schaue, ist das wunderschön.
Also ist nichts mit "ham nach Fürstenfeld" geplant? Ich bin mit 18 Jahren aus Fürstenfeld weg, wie viele andere, und habe in Wien studiert. Da hat das Lied gepasst, weil ich immer am Wochenende nach Fürstenfeld gefahren bin. Ich bin gern in der Oststeiermark und besuche meine Familie, aber Salzburg ist mir definitiv lieber.
Zur Person:Andreas J. Wagner (54) ist seit Jänner 2025 Geschäftsführer bei SAP Österreich. Der gebürtige Steirer ist seit 18 Jahren im Unternehmen und war zuvor in der SAP-Zentrale im deutschen Walldorf tätig, zuletzt als globaler Chief Business Officer für digitalisierte Lieferketten.