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Trüber Ausblick für die Weltwirtschaft

Laut dem Internationalen Währungsfonds steuert die Weltwirtschaft auf das schwächste Wachstum seit den 1990er-Jahren zu.

Weltwirtschaft dürfte 2023 um 2,8 Prozent wachsen.
Weltwirtschaft dürfte 2023 um 2,8 Prozent wachsen.
Das Zusammentreffen aus geopolitischen Spannungen, hoher Inflation und steigenden Zinsen erweist sich als Bremsklotz für die Weltwirtschaft. Die wird in den nächsten Jahren nur moderat wachsen, die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) mittelfristig erwarteten rund 3 Prozent pro Jahr sind der niedrigste Wert seit den 1990er-Jahren.

Für heuer erwartet der Expertenstab des IWF einen Anstieg der globalen Wirtschaftsleistung von 2,8 Prozent, 2024 werde es mit 3,0 nur unwesentlich mehr sein. Positiv vermerkt der IWF, dass sich die allmähliche Erholung der Weltwirtschaft vom doppelten Schock der Pandemie und des russischen Einmarsches in der Ukraine fortsetzt, das sei vor allem der chinesischen Wirtschaft zu verdanken, die nach der Pandemie wieder geöffnet sei. Bei den lange Zeit unterbrochenen Lieferketten entspanne sich die Lage, ebenso auf Energie- und Nahrungsmittelmärkten. Gleichzeitig zeige die von allen Notenbanken synchron verfolgte restriktive Geldpolitik ihre Wirkung, die Inflation beginne zu sinken, sagte IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas am Dienstag anlässlich der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank.

Der Rückgang der Inflation erfolge allerdings auch langsamer als angenommen, sagt Gourinchas. Die Inflation erweise sich als hartnäckiger als noch vor einigen Monaten erwartet. Das habe vor allem damit zu tun, dass die Kerninflation (ohne die schwankungsanfälligen Lebensmittel- und Energiepreise, Anm.) in vielen Ländern den Höhepunkt noch nicht erreicht habe. Sie soll heuer mit 5,1 Prozent um 0,6 Prozentpunkte höher ausfallen als noch im Jänner prognostiziert. Der Anstieg der allgemeinen Verbraucherpreise soll sich nach 8,7 Prozent im vergangenen Jahr heuer auf 7 Prozent verlangsamen und 2024 auf 4,9 Prozent sinken.

Das Risiko einer Lohn-Preis- Spirale schätzt man beim IWF nicht allzu hoch ein. Die Lohnerhöhungen blieben hinter den Preisanstiegen zurück, sagte der IWF-Chefökonom, das sei angesichts des robusten Arbeitsmarktes und der starken Nachfrage nach Arbeitskräften erstaunlich. Nach und nach würden die Reallöhne aber steigen, die Unternehmen könnten das wegen der in der Vergangenheit stark gestiegenen Gewinne aber verkraften.

Mehr Anlass zur Besorgnis gäben die Nebeneffekte der restriktiven Geldpolitik, vor denen man mehrfach gewarnt habe. Überraschend sei nicht, dass sie eingetreten seien, sondern dass es so lang gedauert habe. Der Finanzsektor sei in der langen Periode der Niedrigzinsen und gedämpfter Inflation bezüglich des Auseinanderdriftens der Laufzeiten von Anlagen und der Liquidität zu nachlässig geworden, kritisiert man beim IWF. Das habe nennenswerte Verluste bei fix verzinsten Anleihen gebracht und die Versorgung mit Finanzmitteln verteuert. Auf die jüngsten Verwerfungen hätten die Behörden rasch und stark reagiert und ein Ausufern verhindert. Der IWF hat auch ein Szenario berechnet, in dem Banken wegen höherer Refinanzierungskosten ihre Kreditvergabe drosseln müssen. Das würde die Wirtschaftsleistung heuer um weitere 0,3 Prozentpunkte drücken. Sollten sich die Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft massiv verschärfen, könnte dies dramatische Folgen auf Kreditkonditionen und öffentliche Finanzen haben, vor allem in aufstrebenden Märkten und Entwicklungsländern. In dem mit einer Wahrscheinlichkeit von 15 Prozent erwarteten Szenario fiele das globale Wirtschaftswachstum auf 1 Prozent.

Man trete jedenfalls in eine heikle Phase ein, in der das Wirtschaftswachstum historisch betrachtet gering sei, die finanziellen Risiken zunähmen, es aber noch keine echte Wende bei der Inflation gebe. Mehr als je zuvor bräuchten Entscheidungsträger jetzt eine ruhige Hand und müssten klar kommunizieren, sagte Gourinchas. Notenbanker sollten sich auf das Senken der Inflation konzentrieren, aber für abrupte Ereignisse auf den Finanzmärkten gewappnet sein. Regierungen könnten die Geldpolitik durch eine straffe Budgetpolitik unterstützen und so dazu beitragen, dass die Realzinsen rascher auf ein niedriges Niveau absinken. Aufseher und Regulatoren müssten durch strengere Kontrolle und das aktive Management von Marktspannungen dafür sorgen, dass sich finanzielle Kalamitäten nicht zu einer ausgewachsenen Krise entwickelten.

Tobias Adrian, Leiter der Abteilung Finanz- und Kapitalmärkte im IWF, verwies auf die gestiegenen Risiken im Finanzsystem. Dieses werde durch die hohe Inflation und höhere Zinsen auf die Probe gestellt. Der am Dienstag vorgestellte Bericht zur Finanzmarktstabilität zeige, dass die Risiken für Banken und Nichtbanken gestiegen seien. Die Erfahrung zeige, dass solch starke Zinsanstiege sehr oft Schwachstellen im Finanzsystem bloßlegten. Adrian betonte allerdings, dass die aktuellen Risiken nicht mit der Finanzkrise von 2008 zu vergleichen seien. Mittlerweile seien die Geldhäuser deutlich besser mit Kapital und Liquidität ausgestattet. Man habe aber gesehen, dass auch kleinere Institutionen das Vertrauen erschüttern könnten, es zu erhalten sei Hauptaufgabe für die Politik.

Besonders stark trifft die anhaltende Schwächephase der Weltwirtschaft die ärmeren Länder. Für diese sei die Summe aus Schulden, Klimakosten und höheren Lebensmittelpreisen eine schwere Last, sagte Weltbank-Präsident David Malpass. "Wir stehen vor einer Art Liquiditätskrise für die armen Länder und auch vor dem längerfristigen Problem, woher das Wachstum kommen soll." Um in diesen Ländern Wachstum zu generieren, brauche es vor allem Produktivität, sagte Malpass zum Auftakt der Frühjahrstagung, allerdings stünden "die Sterne im Moment nicht günstig, um das zu erreichen".

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