Das Risiko einer Lohn-Preis- Spirale schätzt man beim IWF nicht allzu hoch ein. Die Lohnerhöhungen blieben hinter den Preisanstiegen zurück, sagte der IWF-Chefökonom, das sei angesichts des robusten Arbeitsmarktes und der starken Nachfrage nach Arbeitskräften erstaunlich. Nach und nach würden die Reallöhne aber steigen, die Unternehmen könnten das wegen der in der Vergangenheit stark gestiegenen Gewinne aber verkraften.
Mehr Anlass zur Besorgnis gäben die Nebeneffekte der restriktiven Geldpolitik, vor denen man mehrfach gewarnt habe. Überraschend sei nicht, dass sie eingetreten seien, sondern dass es so lang gedauert habe. Der Finanzsektor sei in der langen Periode der Niedrigzinsen und gedämpfter Inflation bezüglich des Auseinanderdriftens der Laufzeiten von Anlagen und der Liquidität zu nachlässig geworden, kritisiert man beim IWF. Das habe nennenswerte Verluste bei fix verzinsten Anleihen gebracht und die Versorgung mit Finanzmitteln verteuert. Auf die jüngsten Verwerfungen hätten die Behörden rasch und stark reagiert und ein Ausufern verhindert. Der IWF hat auch ein Szenario berechnet, in dem Banken wegen höherer Refinanzierungskosten ihre Kreditvergabe drosseln müssen. Das würde die Wirtschaftsleistung heuer um weitere 0,3 Prozentpunkte drücken. Sollten sich die Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft massiv verschärfen, könnte dies dramatische Folgen auf Kreditkonditionen und öffentliche Finanzen haben, vor allem in aufstrebenden Märkten und Entwicklungsländern. In dem mit einer Wahrscheinlichkeit von 15 Prozent erwarteten Szenario fiele das globale Wirtschaftswachstum auf 1 Prozent.
Man trete jedenfalls in eine heikle Phase ein, in der das Wirtschaftswachstum historisch betrachtet gering sei, die finanziellen Risiken zunähmen, es aber noch keine echte Wende bei der Inflation gebe. Mehr als je zuvor bräuchten Entscheidungsträger jetzt eine ruhige Hand und müssten klar kommunizieren, sagte Gourinchas. Notenbanker sollten sich auf das Senken der Inflation konzentrieren, aber für abrupte Ereignisse auf den Finanzmärkten gewappnet sein. Regierungen könnten die Geldpolitik durch eine straffe Budgetpolitik unterstützen und so dazu beitragen, dass die Realzinsen rascher auf ein niedriges Niveau absinken. Aufseher und Regulatoren müssten durch strengere Kontrolle und das aktive Management von Marktspannungen dafür sorgen, dass sich finanzielle Kalamitäten nicht zu einer ausgewachsenen Krise entwickelten.
Tobias Adrian, Leiter der Abteilung Finanz- und Kapitalmärkte im IWF, verwies auf die gestiegenen Risiken im Finanzsystem. Dieses werde durch die hohe Inflation und höhere Zinsen auf die Probe gestellt. Der am Dienstag vorgestellte Bericht zur Finanzmarktstabilität zeige, dass die Risiken für Banken und Nichtbanken gestiegen seien. Die Erfahrung zeige, dass solch starke Zinsanstiege sehr oft Schwachstellen im Finanzsystem bloßlegten. Adrian betonte allerdings, dass die aktuellen Risiken nicht mit der Finanzkrise von 2008 zu vergleichen seien. Mittlerweile seien die Geldhäuser deutlich besser mit Kapital und Liquidität ausgestattet. Man habe aber gesehen, dass auch kleinere Institutionen das Vertrauen erschüttern könnten, es zu erhalten sei Hauptaufgabe für die Politik.
Besonders stark trifft die anhaltende Schwächephase der Weltwirtschaft die ärmeren Länder. Für diese sei die Summe aus Schulden, Klimakosten und höheren Lebensmittelpreisen eine schwere Last, sagte Weltbank-Präsident David Malpass. "Wir stehen vor einer Art Liquiditätskrise für die armen Länder und auch vor dem längerfristigen Problem, woher das Wachstum kommen soll." Um in diesen Ländern Wachstum zu generieren, brauche es vor allem Produktivität, sagte Malpass zum Auftakt der Frühjahrstagung, allerdings stünden "die Sterne im Moment nicht günstig, um das zu erreichen".