Bis dato waren bewegliche Strompreise etwas für Spezialisten: Pro Kilowattstunde mehr oder weniger zu zahlen, abhängig von der Tageszeit, dem Wetter und der Weltlage, war nichts für klassische Haushalte, auch wenn sie auf längere Sicht mitunter günstiger waren als die Fixpreise, die die Mehrheit vorzieht - auf Kunden- und auf Versorgerseite. Nicht einmal fünf Prozent der angebotenen Produkte sind sogenannte "Floater-Tarife", die monatlich angepasst werden. Echte Spotmarkt-Tarife, die mit den Börsenpreisen stundenweise steigen und sinken, sind noch seltener und nur bei einem guten Dutzend Lieferanten zu finden.
Laut dem geplanten neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) ist es für viele Lieferanten künftig Pflicht, auch "dynamische Preise" anzubieten. Mit Spotmarktprodukten soll der Verbrauch an die immer volatilere Stromerzeugung mit Wind- und Sonnenkraft angepasst werden. Das könne langfristig zu Kosteneinsparungen sowohl bei den Verbrauchern als auch im Gesamtsystem führen, hatten der Energieregulator und die Wettbewerbshüter im Schlussbericht ihrer Marktuntersuchung angeregt. Darüber hinaus können Netzengpässe verringert werden, wenn Endkunden gezielt in Zeiten geringerer Netzauslastung Strom verbrauchen, heißt es aus dem für Energie zuständigen Wirtschaftsministerium.
Oesterreichs Energie lobt den Vorstoß. Im Sinne der Produktvielfalt sei das wichtig, betont man beim Branchenverband der Stromwirtschaft. Die meisten Kunden wollten aber "Planbarkeit".
Profitieren können von flexiblen Preisen insbesondere Stromkunden und -kundinnen mit Batteriespeichern, E-Autos, Wärmepumpen oder Warmwasserboilern, also jene, die ihren Verbrauch flexibel steuern können. "Für sie zahlt es sich auf jeden Fall aus", sagt Stefan Spiegelhofer vom Preisvergleichsportal Durchblicker. Voraussetzung sei, dass die Geräte automatisiert laden oder starten können, wenn Strom billig ist. Spiegelhofer ortet seit Frühjahr steigendes Interesse an Floater-Angeboten. Er vermutet dahinter aber weniger ein neues Bewusstsein als die damalige Attraktivität dieser Produkte wegen sinkender Preise im Großhandel.
Vergleichen lassen sich die Spezialtarife nicht immer leicht, denn was pro Kilowattstunde (kWh) bezahlt wird, weiß man erst im Nachhinein. Der Tarifkalkulator der E-Control listet deshalb Aufschläge und Besonderheiten der dynamischen Modelle auf, denn sie entscheiden darüber, ob sie attraktiv sind oder nicht. Sie reichen von akzeptablen fixen Aufschlägen von ein bis zwei Cent pro kWh auf den Großhandelspreis bis zu mehr als acht Cent, rechnet Johannes Mayer, Chefvolkswirt und Preisexperte der Regulierungsbehörde, vor. Dazu kommen manchmal "Multiplikatoren", mit denen sich Versorger eine Art Gewinnmarge sichern wollen - und die es zu vermeiden gilt.
Auch Mayer sieht den Vorteil dynamischer Tarife bei Haushalten, die tagsüber Strom verbrauchen können - vor allem mittags, wenn die Preise niedrig oder gar negativ sind. Wer tagsüber in der Arbeit sei und keinen Speicher, keine Wärmepumpe habe, sei mit Fixtarifen besser bedient. Denn zu den Morgen- und Abendspitzen ist Strom auch im Großhandel teurer und die mögliche Ersparnis überschaubar.
Sollten die Großhandelspreise an den Strombörsen steigen, kann jederzeit wieder in einen Fixtarif gewechselt werden. Bindungen gibt es nicht und darf es laut ElWG auch nicht geben. Spiegelhofer rät dennoch zu einer gewissen Vorsicht, denn "ein bisschen Marktbeobachtung" und Beschäftigung mit den Strompreisen seien bei dynamischen Tarifen schon notwendig. Die Energieexperten von Durchblicker würden in dem Zusammenhang immer wieder um Empfehlungen gebeten. Seine Antwort: "Es gibt hier kein richtig oder falsch."