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Wirtschaftsforscher: Die Inflation zu bekämpfen hat Vorrang

Wifo und IHS appellieren an Politik und Sozialpartner, ihren Beitrag zu leisten, um die in Österreich zu hohe Inflation zu dämpfen.

Wifo-Chef: 'Die Preisdynamik ist viel zu hoch. Das macht mir Sorgen.'
Wifo-Chef: 'Die Preisdynamik ist viel zu hoch. Das macht mir Sorgen.'
IHS-Direktor Klaus Neusser.
IHS-Direktor Klaus Neusser.

Das Wirtschaftswachstum in Österreich ist heuer zwar schwach, nimmt aber in der zweiten Jahreshälfte Fahrt auf. Der Arbeitsmarkt erweist sich weiter als robust und die Energiepreise sinken. Das seien alles Indikatoren dafür, "dass wir uns in einer guten wirtschaftlichen Lage befinden", sagte Klaus Neusser, Leiter des Instituts für Höhere Studien, bei der gemeinsamen Präsentation der jüngsten Konjunkturprognose mit dem Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Es gibt allerdings ein großes Aber, und das ist die hohe Inflation in Österreich. Beide Institute haben ihre Inflationsprognose nach oben gesetzt, das IHS erwartet einen Anstieg der Verbraucherpreise um 7,5 (Dezember: 6,7) Prozent, das Wifo liegt mit 7,1 (6,5) Prozent leicht darunter.

Der allgemeine Preisanstieg habe sich in die Kerninflation (ohne die schwankungsanfälligen Lebensmittel- und Energiepreise, Anm.) übertragen, sagte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Und die Inflation sei in Österreich hartnäckiger als in anderen Ländern. "Das macht mir Sorgen, weil das zu Verteilungskämpfen führt und die Polarisierung fördert", sagte Felbermayr. Eine relativ höhere Inflation bedeute auch einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, und das koste Wachstum.

Felbermayr sieht jetzt die Politik und die Sozialpartner gefordert. Die Regierung müsse auf einen Stabilisierungskurs einschwenken und von einer Politik des Abfederns der Teuerung zu einer Inflationsbekämpfung umschalten. Der Finanzminister müsse auf die Bremse treten, um die Inflation nicht weiter anzukurbeln. Und alle Gebietskörperschaften sollten in ihren Bereichen die Preise bremsen, das betreffe öffentliche Gebühren oder die Mieten von Gemeindewohnungen.

Zudem schlage nun die Stunde der Sozialpartner, sie könnten jetzt unter Beweis stellen, wie wichtig sie für die Volkswirtschaft sind, indem sie mäßigend auf Preise und Löhne einwirken. Felbermayr zerstreute auch die Hoffnungen, dass die Notenbanken allein es schaffen werden, die Inflation zu senken, "die Geldpolitik kann uns nicht retten". Sie stoße auch an Grenzen, da weitere zu erwartende Zinsschritte der Europäischen Zentralbank (EZB) zu Fragilität auf den Finanzmärkten führen könnten, darin schlummere das Risiko einer Rezession.

Auf die Frage, ob der Appell zur Mäßigung bedeutet, dass Preiserhöhungen und Lohnabschlüsse künftig unter der Inflationsrate liegen müssen, sagte Felbermayr: "Die Mathematik ist unerbittlich." Wenn man die zurückliegende Inflationsrate ständig auf Preise und Löhne aufschlage, treibe das die Kosten hoch, "dann schleppen wir die Inflation lange mit uns mit". Es gebe den legitimen Wunsch nach Löhnen, die die Kaufkraft erhielten, der Ruf, Maß zu halten, richte sich auch an die Arbeitgeber. Sie müssten im Abtausch für moderate Lohnabschlüsse zusichern, dass die Preise nicht so stark erhöht würden. Da sind laut Felbermayr innovative Lösungen gefragt, denn anders als in den 1970er-Jahren gebe es keine amtlichen Preiskontrollen mehr.

Stark gestiegen seien etwa die Preise für Dienstleistungen, da steche die Gastronomie heraus, sagte Neusser. Er sieht aber auch die Gefahr, "dass die Lohnabschlüsse im Herbst zu hoch sind", und hofft auf die Vernunft der Gewerkschaften. IHS-Experte Helmut Hofer verwies darauf, dass es in Lohnverhandlungen neben der Inflation auch um die Produktivität gehe, "und die sinkt".

Man müsse realisieren, dass man als Volkswirtschaft ärmer geworden sei. Die erhole sich zwar vom Doppelschlag Pandemie und Energiekrise, sagte Felbermayr, aber von 2019 bis 2024 werde sich der Wertschöpfungsverlust kumuliert auf 8000 Euro pro Kopf belaufen. Daher müsse man alles tun, um den Wettbewerb zu beleben, Subventionen auf das unbedingt Nötige beschränken. Cash-Transfers müssten ein Ende finden, das sei auch vertretbar, denn Pensionen und Sozialleistungen würden valorisiert. Es müsse Maßnahmen zur Ausweitung des Arbeitskräfteangebots geben und eine Beschleunigung privater Investitionen bei erneuerbaren Energien.
Felbermayr bedauerte einmal mehr das Scheitern der Mietpreisbremse. Zwar wäre der Effekt auf die Inflation gering gewesen und Eingriffe in den Markt seien kritisch zu sehen, aber sie wäre ein Signal gewesen, die Inflation dämpfen zu wollen.

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