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"Auf Neuschnee kann nicht mehr jeder fahren"

Skifahren ohne maschinellen Schnee und damit ohne perfekte Pisten wäre heute undenkbar.

Unverzichtbar geworden: Die weiße Pracht aus der Maschine.
Unverzichtbar geworden: Die weiße Pracht aus der Maschine.
Vroni Scheffer, Bergbahnenchefin in Zauchensee
Vroni Scheffer, Bergbahnenchefin in Zauchensee

Im Interview mit Veronika "Vroni" Scheffer zeichnet die Geschäftsführerin der Zauchensee Liftgesellschaft (Benedikt Scheffer GmbH) ein klares Bild, mit wie viel Aufwand der Schnee auf die Piste kommt.

Schneit es in Zauchensee, auf 1350 Metern Seehöhe schon? Vroni Scheffer: Ein doppeltes Ja. Wir haben rund 20 Zentimeter Naturschnee bekommen. Zusätzlich laufen seit 3. November die Schneeanlagen. So wie alle Kolleginnen und Kollegen nutzen wir die Kälteperiode aus, um eine gute Unterlage für den Skiwinter zu schaffen.

Gibt es eine Garantie dafür, dass es keine Fehlinvestition wird und bis Weihnachten alles wieder weg ist? Nein. Ehrlich gesagt vertraue ich durchaus traditionellen Wetterregeln. Eine besagt: Die Lärchennadeln müssen unterm Schnee liegen. Aber es war in der ersten Novemberwoche so, dass die Lärchen in Zauchensee ihre Nadeln noch nicht verloren hatten. Demnach würde es wieder aper werden. Andererseits gilt natürlich, dass der von Schneemaschinen produzierte Schnee kompakter und haltbarer ist als Naturschnee. Also schneien wir aktuell, was geht, auch tagsüber.

Wie lange benötigt ein Skigebiet wie Zauchensee bei Temperaturen knapp unter null Grad, um das Skigebiet komplett befahrbar zu machen? Um alle Hauptpisten seriös und ohne Naturschnee einzuschneien, brauchen wir rund zehn Tage. In anderen Regionen schaffen das die Kollegen deutlich schneller. Das hängt von den vorhandenen Ressourcen ab - den natürlichen und finanziellen. Was aber oft übersehen wird: Man kann nicht nur einschneien, es muss ja auch wieder verteilt und präpariert werden. Bis die Pisten für jeden befahrbar sind, sollte der maschinelle Schnee ein paar Tage liegen, um gut verarbeitet zu werden. Das Wasser setzt sich ab.

Man sieht immer wieder diese Berge unter den Kanonen. Ist das sinnvoll? Ja, dort hält er besser. Würde man die Schneehügel gleich als Auflage von 30 Zentimetern auf der Piste verteilen, dann übersteht er die nächste Warmwetterphase nicht, besonders wenn Regen dazukommt.

Aber irgendwann reichen die weißen Tupfen auf der grünen Wiese nicht mehr. Wenn die Gäste ankommen, wird geschneit und verteilt gleichzeitig. Manchmal gibt es da auch Panikaktionen. Wir gehen aber davon aus, dass wir am 4. Dezember perfekt präparierte Pisten haben werden.

Gibt es eine langfristige Prognose? Die Wetterprognosen der meteorologischen Anstalten sind schon sehr exakt, und unsere Schneimeister halten sich sehr genau daran. Da steckt viel Verantwortung dahinter, man will ja auch Energie sparen.

Es heißt, jede einzelne Maschine sei eine Wetterstation, stimmt das? Die Beschneiungssysteme sind eine sehr komplexe Maschinerie. Die einzelnen Geräte haben dabei nicht nur alle notwendigen Messgeräte, sie melden sogar an die Zentrale, wann die Verhältnisse den Anforderungen entsprechen. Die Mitarbeiter beobachten die Meldungen genau, denn es kann sein, dass es in einigen Geländekammern kälter ist. Noch häufiger sind Unterschiede beim Wind zu beobachten. Die Gesamtsituation wird dann in der Einsatzzentrale, etwa in der Talstation, angezeigt. Die Maschinen können auch selbstständig anstarten, aber natürlich werden sie immer beobachtet. Es gibt oft lokal eine Winddrehung - und da muss man aufpassen, ob nicht eine Liftstütze oder ein Baum eingeschneit wird.

Wie viele Menschen sind dafür im Einsatz? Bei uns in Zauchensee sind es drei bis vier Mitarbeiter. In Flachauwinkl arbeiten sogar 15 Beschneier im Schichtdienst.

Sind das die gleichen Mitarbeiter, die auch mit den Pistengeräten unterwegs sind? Ja, das sind die gleichen Leute. Die wissen genau, wo sie wie viel Schnee aufbringen müssen, damit sie später gut präparieren können. Es ist überall eine exakte Schneehöhenmessung auf GPS-Basis.

Können Sie die Kosten einer Beschneiung am Beispiel Zauchensee beziffern? Wir haben 700.000 Kubikmeter Wasser am Berg. Aus diesem großen Speicherteich schauen wir, dass wir effizient maschinellen Schnee produzieren. In den Teichen befindet sich fast ausschließlich Schmelzwasser, es bleibt also im Kreislauf. Wir verwenden das Wasser, aber wir verbrauchen es nicht. Die Faustregel ist, dass aus einem Kubikmeter Wasser gut zwei Kubikmeter Schnee produziert werden. Die Kosten liegen bei 3,50 bis 4,50 Euro pro Kubikmeter Schnee. Bei Wärmeeinbrüchen wird's teurer. Aus unserem Reservoir beschneien wir 155 Hektar mit 60 Zentimetern Auflage. Wir verbrauchen auch nicht die gesamte Ressource im Dezember, denn wie alle wissen, kann es um die Weihnachtszeit richtig warm werden - und dann müssen wir im Jänner nachschneien. Aber wie alle Skifahrer hoffen wir natürlich auf Naturschnee. Es zeigt sich, dass dieser in unserer Höhenlage recht zuverlässig eintrifft. Die Schneebedeckungstage haben sich in den vergangenen 100 Jahren wenig verändert. In Radstadt und Altenmarkt ist der Erhalt der Talabfahrten ein höherer Aufwand.

Waren im Coronawinter 2020 die Beschneiungskosten durch die Einkünfte gedeckt? Nein, nur der Personalaufwand. Insgesamt hatten wir 85 Prozent Umsatzminus. Aber wir haben nie daran gedacht, bei der Präparierung zurückzustecken. Die Beschneiung ist existenziell, weil sich das Skifahren so verändert hat, dass selbst Einheimische sonst nicht mehr sicher fahren. Viele Gäste können mit zehn Zentimetern Neuschnee gar nicht mehr umgehen. Das Tempo hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sicher verdoppelt, da hält das fahrerische Können bei nicht perfekten Pisten oft nicht mit.

Womit sich die Frage aufdrängt, warum die Bergbahnen die Kosten allein stemmen und sich nicht auch die Hotels beteiligen. Da bin ich eher gespalten. Natürlich wäre es positiv, wenn es Unterstützer für die Beschneiungskosten gäbe, weil sie ja eindeutig die Basis für den Wintertourismus sind. Es kommen 90 Prozent zum Wintersport in unsere Regionen. Andererseits sehe ich, dass die Hotellerie viel damit zu tun hat, sich selbst ständig zu erneuern. Schlussendlich muss der Kunde die Beschneiung mit seinen Tickets finanzieren.

Sehen das alle in der Seilbahnbranche so? Ich glaube nicht, dass viele von einem Beschneiungs-Euro die Lösung erwarten. Aber vielleicht ist es bei unseren Zauchensee-Liften auch etwas stärker ausgeprägt, weil wir wirtschaftlich weiterhin selbstständig agieren. Die Zauchensee-Bergbahnen sind zu 100 Prozent in privater Hand. Wir haben sieben lokale Gesellschafter, darunter zwei Hotelunternehmen. Sonst wird ja ein Großteil der Salzburger Bergbahnen von Banken dominiert.

Über die Notwendigkeit zur Beschneiung herrscht wohl Einigkeit, oder? Natürlich, auch wenn die Versuche mit Snowfarming häufiger werden; ich sehe das Lagern von Altschnee durchaus positiv. Wobei wir in Salzburg mit unserer intensiven Almwirtschaft nicht die besten Voraussetzungen dafür haben. Aber wenn die Winter wärmer und die Kälteperioden für die Schneeproduktion kürzer werden, gibt es sicher verstärkt Überlegungen in diese Richtung. Aber klar: Ohne Beschneiung keine Wintersaison, darüber herrscht längst Konsens.

Bis wann ist Skifahren im Klimawandel noch möglich? Immer höhere Investitionen auch für kleine Skigebiete

81 Millionen Euro investierten Österreichs Seilbahnbetriebe heuer in die Beschneiung. Schon länger werden die Investitionen innerhalb der Kunstschneeproduktion neu verteilt. Immer wichtiger werden die Beschneiungsteiche im Bereich der Bergstationen. Die Teiche reduzieren den Energieaufwand und werden in der Regel von Schmelzwasser gespeist. Die Frage, ob sich die Investitionen für die Bahnen rechnen, erübrigt sich. Jeden Tag ohne Naturschnee stünden die Bahnen still.

Nahezu unmöglich ist die Bewertung, wie stark sich die Zahl der Wintertouristen ohne Kunstschnee reduzieren würde. Als aktiver Skifahrer stellt Wifo-Tourismusexperte Oliver Fritz aber infrage, ob bei Verhältnissen wie früher heute überhaupt noch viele Menschen auf den Pisten "wie einst" unterwegs wären. Fix ist, dass schneearme Winter in den 1970er-Jahren erst für die wachsende Zahl an Schneekanonen ab den 1980ern gesorgt haben. Erwiesen ist, dass extrem schneearme Winter 1989/90 bei den Schweizer Bergbahnen für ein Umsatzminus von 20 Prozent sorgten. In Südtirol betrug das Minus 1988/89 und 89/90 rund 30 Prozent. Andererseits ist das Minus in der Hotellerie weniger ausgeprägt: Nicht alle fahren Ski oder wollen ohne Schnee auf den Weihnachtsurlaub ohne Familie verzichten.

Die Wissenschaft geht von reduzierten Schneehöhen im Westen und Süden Österreichs seit 1950 aus. Je nach Erreichen der Klimaziele werde im Extremfall mit einem Rückgang von 50 bis 90 Prozent gerechnet. "Durch Beschneiung kann die Variabilität der natürlichen Schneedeckendauer auf bewirtschafteten Flächen (z. B. Skifahren, Langlaufen, Rodeln) teilweise ausgeglichen werden. Aktivitäten wie Skitourengehen, Schneeschuhwandern oder Winterwandern sind daher stärker vom Klimawandel betroffen", heißt es im Spezialreport "Tourismus und Klimawandel" des Austrian Panel on Climate Change (APCC). Dabei wird davon ausgegangen, dass sich kleinere Skigebiete die Investitionen in die künstliche Beschneiung nicht mehr leisten können. Weil Gäste sensibel auf schlechtere Pistenbedingungen reagieren, würden diese zu Destinationen mit besseren Bedingungen wechseln. Vor diesem Hintergrund wird eine Marktbereinigung erwartet. Nachfragesimulationen ergeben einen Rückgang in Skigebieten von 2,2 bis 6,7 Prozent bis 2050 - mit einem Spielraum von minus 50 Prozent am Alpenrand bis plus 50 Prozent im westlichen Tirol und Teilen Kärntens.

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