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Europas lange Aufholjagd bei Batterien für Elektroautos

China ist bei Batterien für Elektroautos eine Weltmacht. Wie schwer sich Europa tut, hier aufzuholen, zeigt das Beispiel Northvolt.

Der schwedische Batteriehersteller Northvolt, auf dem viele Hoffnungen ruhen, ist finanziell ins Straucheln geraten.
Der schwedische Batteriehersteller Northvolt, auf dem viele Hoffnungen ruhen, ist finanziell ins Straucheln geraten.

Beim schwedischen Batteriefertiger Northvolt jagte zuletzt eine Hiobsbotschaft die nächste: Zuerst wurden die Ausbaupläne gestoppt, dann der Abbau von 1600 Arbeitsplätzen verkündet, davon allein 1000 in der Stammfabrik Northvolt Ett in Skellefteå. Kurz darauf folgte die Insolvenz der für den Ausbau gegründeten Tochtergesellschaft. Der Montag wird nun zum Schicksalstag des schwedischen Batteriefertigers: Wird eine Steuerforderung in Höhe von 25 Mill. Euro nicht beglichen, wird Northvolt für zahlungsunfähig erklärt. Laut Insidern könnte eines der Rohstofflager verkauft werden, um Geld aufzutreiben.

Von Größe, wie sie der frühere Tesla-Manager und Northvolt-Gründer Peter Carlsson mit seinem Motto "Go home or go big" stets beschworen hat, ist gerade nicht viel übrig. Zwei Fertigungen - in Schweden und Polen - wurden bisher gebaut, zwei weitere in Deutschland und Kanada sind in der Pipeline. Wann und ob sie realisiert werden, ist ungewiss. Im Vorjahr fuhr Northvolt einen Verlust von 1,1 Mrd. Euro ein. Dabei galt der Batteriefertiger - 2016 als Start-up mit 25 Leuten gegründet und hochgefahren auf 6000 Beschäftigte - als europäisches Leuchtturmprojekt. Man wollte ein Zeichen setzen gegen China, das mittlerweile 85 Prozent der weltweiten Produktionskapazitäten für Batteriezellen kontrolliert.

"In Europa werden wir in den nächsten fünf Jahren Schlamm schippen, das haben die Chinesen schon hinter sich", sagt Maximilian Fichtner zur aktuellen Krise bei Northvolt. Der Professor für Festkörperchemie an der Universität Ulm und Leiter der Abteilung Energiespeichersysteme am Institut für Nanotechnologie in Karlsruhe war dieser Tage auf Einladung der "Salzburger Nachrichten" bei der Mobilitätsmesse IMFS am Salzburgring zu Gast.

Fichtners schmerzhafte Prognose: "In Europa wird es noch Blut und Tränen geben." Auch die Chinesen hätten seinerzeit mit 100 Firmen begonnen, "90 sind pleitegegangen, die zehn verbliebenen sind heute Weltmarktführer". Wobei er im Fall von Northvolt kein Drama sieht: "Die werden ihre Probleme in den Griff bekommen." Der Aufbau von Produktionslinien sei komplex, das sei eine Phase mit verstärkt Ausschuss, der kaum abschätzbar sei.

In Europa allerdings fehle die Technologiesicherheit, mit der China die Elektromobilität erfolgreich gemacht habe. Bis vor einem halben Jahr habe es in Europa Pläne für 14 Gigafabriken gegeben, "nun liegen einige Projekte auf Eis", so Fichtner, der sich erstaunt zeigt, dass es in Österreich trotz starker Zulieferindustrie "interessanterweise keine Pläne gibt; da verpasst man was". Ungarn sei hinter Deutschland mittlerweile die Nummer zwei bei der Batteriefertigung in Europa.

Der technologische Vorsprung Chinas zeigt sich laut Fichtner im Zusammenbau der E-Auto-Batterien, "die haben um 40 Prozent weniger Teile". Die europäischen Batterien dagegen hätten 70 Prozent totes Material. Weniger Verpackung erlaube den Chinesen mehr Spielraum beim Materialmix, "die können auch luftiges Eisenphosphat verbauen, das ist ungiftig und spottbillig". Kritische und teure Rohstoffe wie Kobalt verwendeten die Chinesen gar nicht mehr, in Europa seien es noch zehn Prozent. Von ungefähr kommt der Vorsprung in der Batterietechnologie nicht: Marktführer CATL beschäftigt 14.000 Mitarbeitende in der Forschung und Entwicklung.

Lichtjahre voraus ist China bei den Batteriekosten. Kommt dort die Kilowattstunde auf 60 Dollar, ist es laut Fichtner in Europa mit 120 Dollar doppelt so viel. Die Volvo-Mutter Geely bringe bis Jahresende ein Auto mit 1000 Kilometern Reichweite auf den Markt, "und in nur zehn Minuten sind 700 Kilometer raufgeladen". Fichtners nüchterner Ausblick mit Seitenhieb: Die deutschen Autobauer bräuchten sich nicht zu fürchten, die Führerschaft zu verlieren, "das haben sie schon". Das Verbrennerauto werde zur schrumpfenden Nische, sagt der Experte. In China seien zwei Drittel der E-Autos bereits günstiger als Verbrennerautos, deren Anteil bei den Neuzulassungen bis 2028 auf fünf Prozent schrumpfen werde.

Der Nachteil der in China hochgepushten E-Mobilität: "Die Konkurrenz ist so stark, dass die Autos fast ohne Gewinn verkauft werden", sagt Fichtner. Klarerweise wolle man deshalb nach Europa. Mit den Zöllen auf E-Auto-Importe aus China verschafften sich die Europäer eine Pause in der technologischen Aufholjagd. Fichtner betont: "Die sollte man jetzt aber wirklich nutzen."

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