Wer braucht noch Hollywood-Autoren, wenn man die Kamera nur auf den Straßen von Los Angeles richten muss, um gute Unterhaltung senden zu können: Letzte Woche Mittwoch - noch vor dem Lunch - bekamen TV-Reality-Produzenten alles geliefert, was man sonst in jedem Actionfilm findet: Guns, Cops, Bankräuber und eine Highspeed-Verfolgungsjagd. Obendrein gab es eine fast berührende Story: Denn die Räuber, die in Santa Clarita eine Bank überfielen und die dann sowohl von der Polizei als auch von den Kameras der TV-Helikopter verfolgt wurden, behielten das gestohlene Geld nicht für sich, sondern verteilte es quasi unter den Armen. Das Fluchtauto, ein schwarzer Volvo, führte seine Verfolger nach South Los Angeles in eine unterprivilegierte Gegend. Danach geschah das Unerwartete: Vor laufenden TV-Kameras warfen die Bankräuber haufenweise Geld aus dem fahrenden Auto. Sofort bildeten sich Menschentrauben. Die Gangster, dicht gefolgt von Polizeiautos, rasten immer wieder durch die gleichen Straßen und ließen das Geld auf die Menge regnen.
Nach 90 Minuten Verfolgungsjagd, die live gesendet wurde, mussten die Räuber aufgeben, weil ein SUV dem Fluchtauto den Weg versperrte. Als sie festgenommen wurden, bekamen sie von der Menge Applaus.
"Das sind unsere Robin-Hood-Helden", riefen einige. "Sie stehlen von den Reichen und verteilen es unter den Armen!" "Es war wie Weihnachten", berichtete ein junger Mann: "Die Kinder hatten strahlende Gesichter!" Andere bezeichneten den Geldregen lachend als lokales Konjunkturpaket.
Doch die Szene war nicht ungefährlich, denn die Bankräuber waren bewaffnet und die Menschen warfen sich vor die Autos, um die fliegenden Geldscheine zu erhaschen. Zum Teil prügelten sich die Leute um die herumflatternden Dollarnoten, und Kinder rannten durch die Straßen und verfolgten das Schauspiel.
Die Los Angeles Police Protective League (LAPPL) macht die Medien dafür verantwortlich, dass die Situation zeitweise außer Kontrolle geriet und rief die Nachrichten-Sender auf, solche Verfolgungsjagden nicht mehr live zu senden. Doch Highspeed-Freeway-Verfolgungsjagden gehören mittlerweile zu den News Channels in L. A. wie der Tratsch über die Hollywood-Stars. Was Quoten bringt, wird gesendet. Daran wird auch die LAPD nichts ändern können.
Marika Gerrard, die zusammen mit ihrem Exmann im Jahr 1992 die erste Livereportage einer Verfolgungsjagd ins TV brachte und auch für die Aufzeichnung der Verfolgungsjagd von
O. J. Simpson verantwortlich war, distanziert sich mittlerweile von dieser Form sensationslüsterner Berichterstattung. "Wir wollten damals nur ernsthafte News bringen", erklärte Marika neulich in einem Interview, "aber wir haben ein Monster kreiert."
