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Ein neuer Fernsehtrend macht Spaß - und gar nicht dick

Warum Marathonfernsehen von ganzen Serienstaffeln in Hollywood derart beliebt ist und wieso niemand angesichts dieser offensichtlichen Suchtsymptome irgendwelche Schuldgefühle hat.

Kathrin Pilz

Alles, was Spaß macht, ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick." Dies war ein beliebter Spruch der Generation meiner Eltern in den 1980er Jahren. Die Zeiten haben sich geändert. Und nun gibt es - dank DVD und Streaming-Plattformen wie Netflix - zumindest eine Sache, die sich zwar nach Suchtverhalten anhört, aber kaum für Nebenwirkungen bekannt ist: Binge-Watching (Marathon-Fernsehen) hochwertiger TV-Serien.

Das Schauen von mehreren Folgen oder Staffeln in möglichst kurzer Zeit erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Verzichtet man auf die Schüssel Popcorn vor dem TV-Gerät, macht es auch nicht dick. Vor der Glotze zu sitzen ist auch längst nicht mehr als asozial verschrien.

Laut einer Netflix-Studie ziehen sich 61 Prozent der TV Fans regelmäßig mehrere Folgen einer Serie auf einmal hinein. Die meisten geben an, dies mit dem Partner oder mit Freunden zu tun.

Das Wort "binge" heisst soviel wie "etwas in sich hineinstopfen" und wurde bis vor kurzem hauptsächlich mit Essstörungen oder Saufgelagen in Verbindung gebracht. Deshalb haftet auch dem Begriff "Binge Watching" ein gewisser negativer Charakter an. Doch das beginnt sich gerade zu ändern; fast hätte "Binge Watch" das Wort "Selfie" (Handy-Selbstportrait) als "Begriff des Jahres 2013" ausgestochen, welcher vom renommierten Lexikon "Oxford English Dictionary" im November gekürt wurde.

Die Zeitschrift "The New Yorker" versichert quasi augenzwinkernd, dass niemand Schuldgefühle haben muss, wenn er einer TV-Serienattacke erlegen ist. "Binge Watching" sei weder verboten, noch eine Sünde und mache auch nicht blind.

Kulturanthropologe Grant McCracken untersucht im Auftrag von Netflix die Sehgewohnheiten amerikanischer und kanadischer Serienfans. Sein Fazit: "Binge Watcher sehen ihre Gewohnheit als etwas Positives. Die Couch Potatoes sind erwachsen und selbstbewusst. Sinnloses Durchzappen von Kanälen ist out. Die neuen Zuseher treffen klare Entscheidungen, mit welchen Geschichten sie ihre Zeit verbringen."

Fragt sich, wer da Silvester noch in der Kälte zwischen Knallkörpern verbringen will, wenn eine Couch voller gleichgesinnter Freunde und eine Vielzahl brillianter TV-Serien rufen.

Meine Top 10 TV-Serien sind:

1. The Sopranos: Diese Mafia Saga war Begründer eines neuen TV-Zeitalters.
2. Dexter: Ein Serienkiller, den wir aus tiefstem Herzen verstehen und lieben.
3. Breaking Bad: Lässt gängige Moralvorstellungen ins Wanken geraten.
4. Game of Thrones: Opulentes Drama mit schauspielerischen Spitzenleistungen.
5. Sons of Anarchy: Originelles Familiendrama rund um eine Motorradgang.
6. Luther: Idris Elba als Kommissar Luther gleicht einer Naturgewalt.
7. The Killing: Elegisch und packend zugleich. "24" trifft auf "Twin Peaks".
8. Mad Men: Authentisches Porträt der New Yorker Werbebranche in den 1960ern.
9. Downton Abbey: Britische Seifenoper mit Weltklasse-Schauspielern.
10. Top of the Lake: Surrealistisches Psychodrama mit brillianten Aufnahmen.