Der 15-jährige Juan Carlos Amezuca war nur Meter von der Theodore Roosevelt High School in Los Angeles entfernt, als Polizeisirenen ertönten. Wenig später hatte man dem Teenager Handschellen sowie einen Strafzettel über 250 Dollar verpasst. Das Vergehen: Amezuca war fünf Minuten zu spät auf dem Weg zur Schule. Laut Amezuca fuhren die Cops noch mehrmals um den Schulcampus und amüsierten sich dabei, das Fahrzeug zu beschleunigen und verlangsamen, sodass Amezuca, der Handschellen trug, aber nicht angeschnallt war, gegen die Autotür knallte. Als die Cops ihn aussteigen ließen, hatte er eine Stunde Unterricht versäumt.
13.118 Strafzettel hatte das LAPD zwischen 2004 und 2009 an Schüler verteilt. Fast neunzig Prozent davon an Latinos oder Schwarze. Ursprünglich war das sogenannte Daytime Curfew Law (Gesetz der morgendlichen Ausgangssperre), welches besagt, dass sich Jugendliche unter 18 an Schultagen zwischen 8 und 14 Uhr nicht auf öffentlichen Plätzen aufhalten dürfen, erlassen worden, um Schulschwänzer zu bekehren. In der Realität werden aber fast nur zu spät kommende Schüler bestraft, die nicht in Begleitung von Erwachsenen sind. Denn der Großteil der Strafzettel wurde zwischen 8 und 8.30 Uhr morgens ausgestellt.
An der wohlhabenden Westside sind Kids selbst an den öffentlichen Schulen selten zu spät oder ohne Begleitung anzutreffen. In Beverly Hills oder Santa Monica wird der Nachwuchs in der Regel in schicken SUVs bis vor das Schultor geführt und wieder abgeholt.
In tougheren und ärmeren Neighborhoods, wie zum Beispiel im östlich von Downtown gelegenen Boyle Heights, wo sich auch die Theodore Roosevelt High School befindet, sind die meisten Kids auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Die Cops passen die Kids oft an strategisch "günstigen" Stellen wie Busstationen ab. Hat der Bus dann Verspätung, kann das Strafzettel und Handschellen bedeuten, obwohl die Kinder auf dem Weg zur Schule waren. Die Kriminalisierung dieser Jugendlichen, von denen sogar Fingerabdrücke verlangt werden, ist unverantwortlich. Aber auch die Strafe von 250 Dollar ist für unterpriviligierte Familien kaum zu bewältigen. Gerichtskosten einberechnet, sind oft bis zu 400 Dollar zu zahlen. Viele Immigrantenfamilien müssen als Konsequenz bei essenziellen Ausgaben etwa für Lebensmittel hart sparen.
Die Kinder fühlen sich so schuldig, wenn sie realisieren, dass sie eventuell zu spät sein könnten, dass sie auf dem Weg zur Schule umkehren, um weitere Strafzettel zu vermeiden.
Nach jahrelangen Protesten wurde nun das Gesetz endlich gelockert: Cops dürfen keine Kids mehr strafen, die sich in den ersten neunzig Schulminuten in unmittelbarer Schulnähe befinden.
Überdies wird in Zukunft erst nach drei Verstößen ein Strafzettel fällig und anstelle von 250 Dollar beträgt die Strafe nur noch 20 Dollar.
