Man hatte mich gewarnt. Es sei eine unausweichliche Konsequenz meiner Entscheidung. Und tatsächlich - drei Jahre, nachdem ich die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, war es so weit: Ich wurde aufgefordert, meine Pflichten als American Citizen zu erfüllen und mich als potenzieller Geschworener bei Gericht einzufinden.
Die sogenannte "Jury Duty" kommt selten zu einem gelegenen Zeitpunkt. Wer hat schon den Luxus, so einfach tage- oder sogar wochenlang von frühmorgens bis spätabends in einem Gerichtssaal zu sitzen und seinen Alltag vollkommen zu unterbrechen?
Im Internet gibt es unzählige Websites mit Tipps, wie man sich am besten einer womöglich endlosen Gerichtsverhandlung entziehen kann. Unter anderem wird einem geraten, zu behaupten, man habe ADD (Aufmerksamkeitsdefizit) und könne sich deshalb nicht auf die Verhandlung konzentrieren. Oder aber man behauptet überhaupt, geistig krank zu sein, und bringt wenn möglich gleich die ärztliche Bestätigung mit. Manche schlagen vor, rasch zum Buddhismus zu konvertieren, denn mit dieser Religion ist es nicht vereinbar, andere zu verurteilen. In L. A. hilft es auch, sein Auto zu verkaufen, denn ohne Fahrzeug ist es schwierig, überhaupt zum Gerichtssaal zu gelangen.
Bis vor Kurzem half es, berühmt zu sein. Jeden November am "Juror Appreciation Day" konnten Stars wie Sarah Jessica Parker die Gelegenheit wahrnehmen und Schulkindern erzählen, welche Ehre es sei, für eine Jury ausgewählt zu werden. Ironischerweise entkamen die Celebrities damit eigenen Geschworenenpflichten.
Doch dieses Privileg wurde letztes Jahr abgeschafft, genauso wie die Entschuldigung, die ich vorbrachte: dass ich Mutter kleiner Kinder sei. Die "stay-at-home-mom"-Strategie funktioniert in Kalifornien angeblich schon seit Jahren nicht mehr. Mein Ansuchen wurde auch prompt abgelehnt.
Ich erschien also zusammen mit etwa fünfzig weiteren Kandidaten um 8 Uhr früh am Gericht. Ich sah mich um. Mit elf dieser Fremden würde ich bald
ganze Tage verbringen und zusammen ein Urteil über einen ebenfalls Fremden fällen müssen. Man gab uns noch eine letzte Chance, eine "Entschuldigung" vorzubringen. Allerdings - so erklärte man uns -, wenn der "Excuse" bereits abgelehnt worden sei, werde sich auch jetzt daran nichts ändern.
Dennoch stellte ich mich mit denen in eine Reihe, die nichts unversucht ließen. Schließlich war ich dran und appellierte mit all meinen dramatischen Fähigkeiten an den Mutterinstinkt der Beamtin: Meine Tochter sei erst vier und brauche mich. "Gehen Sie heim", meinte die Dame. Ich war perplex. Wirklich? "Gehen Sie schon", wiederholte sie, "aber sobald Ihre Tochter schulpflichtig ist, haben Sie keine Entschuldigung mehr."
