"Mädchen und Frauen sollen sicher in Österreich leben können, bei Gewalt gegen Frauen gibt es null Toleranz." So will es der Nationale Aktionsplan der Regierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Tatsächlich sind wir als Gesellschaft regelmäßig ratlos und auf Beschreibungen dessen, was passiert ist und was als Prävention geschehen sollte, zurückgeworfen, wenn wieder eine Frau Opfer von Gewalt wird. Dann sind alle wieder aufgescheucht, bis zum nächsten Mal.
Anneliese P., eine Pensionistin aus Salzburg, hatte Todesangst, als sie vor einigen Wochen auf dem Lieferinger Friedhof attackiert worden war und ein Mann ihr sexuelle Gewalt angetan hatte. Sie konnte sich wehren und sie lebt. Voller Ängste und Scham. Besonders getroffen hat die Frau zusätzlich, dass das Gewaltdelikt an ihr aus ihrer Sicht nicht ernst genug genommen wurde. Ein paar blaue Flecken, Schwellungen, das sei doch nicht so schlimm, dieses Bild sei bei ihr angekommen. Den Mann konnte sie sehr gut beschreiben. Anneliese P. wandte sich schließlich an die "Salzburger Nachrichten". In dieser unvorstellbaren Situation beschloss sie, andere sollten gewarnt und auf diesem Friedhof besser geschützt werden. Zudem will sie, dass Frauen als Opfer von Gewalt nicht so alleingelassen werden. Es ist für uns als Zeitung eine Auszeichnung und zugleich große Verantwortung, eine solche Geschichte zu recherchieren und aufzuschreiben. Meiner Kollegin Susanna Berger und meinem Kollegen Andreas Widmayer ist das gelungen. Der mutmaßliche Täter wurde nun ausgeforscht, gegen ihn wird wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung ermittelt.
Einen besseren Vertrauensbeweis als jenen, den uns diese SN-Leserin gegeben hat, gibt es nicht. Und sie hat mit ihrem Schritt zwei Dinge gezeigt: Erstens, Frauen wird Gewalt angetan und sie müssen im schlimmsten Fall sterben, weil weggesehen und verharmlost wird. Zweitens, dass Mut, selbst in einer so persönlichen Krisensituation, möglich ist und wirkt.