Zwei große Europäer, der frühere französische Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing und der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt, entwickelten in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts einen an sich überzeugenden Plan.
Angesichts der ungebrochen nationalistischen Tendenzen und der Unmöglichkeit, die europäische Integration konsequent und zügig voranzutreiben, begaben sie sich auf die Suche nach einer Lösung des Problems. Und diese glaubten sie in einer gemeinsamen Währung gefunden zu haben.
Die Überlegung lautete in etwa: Eine gemeinsame Währung ist ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik nicht haltbar. Wenn also der Euro, der damals noch unter der Bezeichnung Ecu geplant war, einmal eingeführt ist, werden die Regierungen zusammenrücken müssen.
Als Erstes werde ein europäischer Finanzminister notwendig sein: Die nationalen Staatshaushalte könnten nicht bestehen bleiben, erforderlich wäre ein Budget für die gesamte EU, die einzelnen Länder bekämen jeweils einen Rahmen, ein Tortenstück zugewiesen. Es gäbe einen europäischen Finanzausgleich wie er etwa in Österreich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden besteht.
Ist einmal ein europäischer Finanzminister installiert, dürfte wohl eine europäische Regierung bald folgen.
In den eineinhalb Jahrzehnten der Geschichte des Euro ist das Konzept nicht aufgegangen. Von einer Förderung der Integration ist nicht die Rede. Und der Umgang mit der Griechenland-Krise in den vergangenen Tagen zeigt, dass der kluge Plan möglicherweise sogar zur Sprengung der EU führt.
Allerdings meinten Giscard und Schmidt, aber auch der spätere Kommissionspräsident Jacques Delors, dass der Plan nur aufgehen könne, wenn der Euro in einer Krise die Schwächen der EU in dramatischer Weise demonstriert.
Krasser als in den vergangenen Tagen kann die Krise der EU nicht demonstriert werden. Hilflos hetzten zahllose Spitzenpolitiker tagelang quer durch Europa, um letztlich zu akzeptieren, dass Deutschland auf einer Absurdität besteht: Das seit 2010 angewandte, erfolglose Medikament der Austerität soll nun Griechenland und möglichst ganz Europa mit noch höherer Dosis verabreicht werden.
Ein Europa unter deutscher Diktatur hat keine Zukunft. Also stellt sich die Frage, ob nun ein Europa geschaffen wird, das diesen Namen verdient, oder das Projekt EU begraben wird. Noch gibt es eine Chance, dass der kluge Plan aufgeht. So manchem Politiker dämmerte in diesen Tagen, dass die EU nur in einer neuen Gestalt Zukunft hat.
