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Die gnadenlose, absolute Herrschaft der Konsumenten

Ronald Barazon


Die Vermittler von Versicherungen genießen in der EU-Kommission besondere Aufmerksamkeit. In kurzen Abständen produzieren die dort tätigen Beamten mit Unterstützung von wechselnden Kommissaren perfide Vorschriften, die dem Berufsstand das Leben erschweren. Derzeit steht die Vermittlerrichtlinie II auf dem Programm.

Das Hauptziel der neuen Bosheit besteht in der Verpflichtung zur Offenlegung der Provisionen. Die Kunden werden also künftig bequem mit den Vermittlern über die Höhe ihrer Bezüge feilschen können.

Die Provision ist die Differenz zwischen dem Preis, den das Versicherungsunternehmen verrechnet, und der Prämie, die der Versicherte zahlt. Die Provision entspricht somit einer Handelsspanne, mit der alle Kosten des Vermittlers gedeckt werden müssen, und letztlich soll ein Gewinn übrig bleiben.

Nun gilt in der EU der Gleichheitsgrundsatz und somit hat für alle gleiches Recht zu gelten.

Sollte die Vermittlerrichtlinie II beschlossen werden, so müssen künftig die Wirte auf den Getränkekarten den Einkaufspreis für das Bier und den Verkaufspreis ausweisen. Auch die Autohändler werden die Preise bekannt geben müssen, die ihnen die Konzerne verrechnen, ebenso die Handyhändler, die Supermärkte und alle anderen Anbieter von Waren und Dienstleistungen. Welch eine herrliche Zeit für die Konsumenten - überall werden sie zum Schacher um einen Rabatt eingeladen.

Die skurrile Idee hat einen vermeintlich vernünftigen Hintergrund. Die Provisionen sind bisher ein Teil der Prämien und werden somit von den Versicherungen bezahlt. Die Vermittler könnten also weniger die Interessen der Kunden wahren und stärker den Vorteil der Versicherer im Auge haben. Daher sollten die Kunden den Vermittlern Honorare bezahlen und die Provisionen abgeschafft werden.

Das Argument ist schon bei Maklern, die Versicherungen von allen Gesellschaften vermitteln, nicht überzeugend, da sie von allen Provisionen erhalten. Agenten und Angestellte verkaufen nur die Produkte ihrer Gesellschaften. Die Bekämpfung der Provisionen ist somit nicht schlüssig, sie eröffnet allerdings eine kuriose Perspektive.

Nach dem Grundsatz, der bei Versicherungsvermittlern gelten soll, müssten die Konsumenten ein Heer von Beratern beschäftigen. Verkaufen doch die Schuhhändler nur die Schuhe ihrer Firma, die Bäcker nur das Brot, das sie backen, und Autohäuser ausschließlich die Autos ihrer Marken. Der EU-konforme Konsument wird sich nicht mehr diesen abhängigen Schergen von Unternehmern ausliefern, die nur ihre Ware profitgierig verkaufen wollen.

Jeder Verbraucher wird seine persönlichen, mit Honoraren verwöhnten Berater beschäftigen und von allüberall nur das Beste bekommen.

Und ist man unzufrieden, so leistet der Berater Schadenersatz, schließlich unterliegt er der Beraterhaftung.