Allerorten wird das Hohelied der überschaubaren Einheit gesungen. Nicht nur in den ländlichen Regionen gibt es die entsprechenden Bekenntnisse, sogar die meist nicht sehr romantische Finanzpolitik schätzt die kleine Dimension. Seit Jahren wird betont, keine Bank dürfe "too big to fail" werden: Eine Bank darf nicht so groß sein, dass sie im Krisenfall vom Staat gerettet werden muss.
Leider sind die Bekenntnisse nur ein Tribut an die immer stärker werdende Ablehnung der Gigantomanie. Tatsächlich wird alles getan, um die kleinen Einheiten zu vernichten. Davon kann jeder Gewerbetreibende, jeder Selbstständige erschreckende Details berichten. Aber auch im Bankwesen werden die kleinen Institute von der Politik und der Finanzmarktaufsicht gequält, Respekt für die Leistung einer regional tätigen Bank gibt es nicht.
Geschätzt wird nur die Größe. In diesem Sinn wurden und werden beispielsweise die österreichischen Volksbanken gezwungen, eine Art Konzern zu bilden. Stück für Stück wird die Autonomie der einzelnen Institute beseitigt und einem dem Wesen der Regionalbank fremden Zentralismus geopfert. Die Größe schaffe Stärke, so lautet die falsche Begründung.
Besonders absurd ist ein anderes Argument, das diese Entwicklung rechtfertigen soll: Die Auflagen der Bürokratie sind so groß, dass eine einzelne, kleine Bank überfordert ist. Man beseitigt aber nicht die sinnlose Bürokratie, man beseitigt die Bank. Ein ähnliches Schicksal droht allen Regionalbanken in Europa.
In einem Bereich, in dem die kleine Einheit das Fundament bildet, geschieht nichts anderes. In der Landwirtschaft haben sich in den vergangenen zehn Jahren die "Genussregionen" als private Initiativen entwickelt, die mit unternehmerischem Elan qualitativ hochstehende regionale Produkte herstellen. Eigenständige, erfolgreiche Aktivitäten von kreativen Landwirten stören offenbar die mächtigen Bauernpolitiker. Derzeit wird alles unternommen, um die "Genussregionen" unter das Joch der Agrarbürokratie zu zwingen. Das "große" System aus Landwirtschaftsministerium, Bauernkammern und Genossenschaften verträgt keine Einzelinitiativen.
Der gleichmacherische Größen-Wahn hat auch in der Bildungspolitik Eingang gefunden. Statt mit einer Vielfalt an Angeboten die unterschiedlichen Begabungen der Jugendlichen abzuholen, wird die "Gesamtschule" forciert. Alle Kinder zwischen zehn und 14 sollen in eine Einheitsschule gepresst werden, die unweigerlich den Unterricht auf die schwächsten Schüler abstellen muss.
Kleine, überschaubare, initiative, vielfältige Einheiten? Eigenständige Banken, kreative Bauern, individuelle Schüler? Wozu?
