Die Welt ist unruhig geworden. Man ist versucht zu sagen: plötzlich. Noch vor wenigen Jahren konnte man in weite Teile des Globus recht unbekümmert reisen. Das "globale Dorf" war Realität. Jetzt ist alles anders.
Terroranschläge lösen weltweit Angst aus. US-Präsident Donald Trump lässt Syrien und Afghanistan ohne ersichtliches Konzept bombardieren. Russlands Präsident Wladimir Putin deckt eine syrische Stadt mit einem Bombenhagel zu. Vermutlich weil Russland in Syrien den einzigen Stützpunkt am Mittelmeer hat und diesen nicht verlieren will. In der Türkei wird eine Diktatur errichtet.
In der als Friedensprojekt konzipierten EU ist von Solidarität keine Rede mehr. Großbritannien tritt aus. In Frankreich und Holland, also in jenen Ländern, die schon 2005 in Volksabstimmungen eine EU-Verfassung verhindert haben, punkten immer stärker wer dende Parteien mit nationalistischen Parolen. Polen und Ungarn agieren, als ob sie nicht EU-Mitglieder wären. Und, und, und.
Und wie reagieren Frau und Herr Österreicher? Besorgt. Aufmerksam. Mit einem stark entwickelten Sensorium für politische Entwicklungen. Und mit der Illusion, dass das Land neutral sei und in der von vielen befürchteten globalen Krise abseits stehen könne.
Man sollte meinen, dass Politiker die Interessen der Bevölkerung vertreten. Also müssten sie alles unternehmen, um so viel wie möglich von der ohnehin nach zahlreichen Korrekturen bereits löchrigen Neutralität zu retten. Das Gegenteil ist der Fall. Zwar bekennen sich alle zur Neutralität, begleiten aber diese Bekenntnisse mit martialischen Erklärungen.
ÖVP und FPÖ plädieren für eine EU-Armee, an der sich Österreich, selbstverständlich ganz neutral, beteiligen soll. Die SPÖ geht noch weiter und lässt durch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil auch gleich markig verkünden, bei welchen Gelegenheiten Österreich zur Waffe greifen möge.
Herr Doskozil verbreitet, wie schon viele vor ihm, das Märchen, Österreich sei nicht verpflichtet, in einer kriegerischen Auseinandersetzung Beistand zu leisten. Und wenn doch, dann nur in der Form und in dem Ausmaß, wie es Parlament und Regierung beschließen.
Gestützt werden diese Fantasien durch spitzfindige Formulierungen, die den neutralen Staaten ermöglicht haben, alle Bindungen zu übernehmen, aber doch neutral zu bleiben. Diese juristischen Luftblasen zerplatzen im Ernstfall. Jetzt gibt es nur zwei Möglichkeiten: Man setzt eindeutige Formulierungen durch und rettet so die Neutralität. Schwierig, aber machbar, da sich die EU nach Brexit neu aufstellen muss. Oder man hört mit den Schimären auf und tritt der NATO bei.