. . . dass sie zum Glück den Schmerz verleyhn.
Es ist schon lange her, dass in den Schulen Schillers Ballade vom "Ring des Polykrates" gelernt werden musste. Der sonderbare Rat, den der Freund dem überaus erfolgreichen König gibt, scheint aber fest im kollektiven Unbewussten der Europäer verankert zu sein.
Als kein Unglück sich einstellen will, folgt eine verblüffende Reaktion: "Mein Freund kannst du nicht weiter seyn, die Götter wollen dein Verderben, fort eil ich, nicht mit dir zu sterben." Im Europa unserer Tage könnte er getrost bleiben.
Statt die unglaubliche, historisch einmalige Situation, statt die Chancen zu erkennen, wird derzeit in Europa alles unternommen, um eine Krise zu produzieren. Wie? Eine einmalige Situation, Chancen? Der Satz klingt angesichts der allgemeinen Jammerei wie ein Irrtum oder wie ein makabrer Scherz.
Nur: In der Geschichte der Menschheit hat es noch nie einen auch nur annhähernd vergleichbaren Wohlstand gegeben. Westeuropa, die USA, Kanada und Japan sind schon seit längerem recht gut situiert. In den vergangenen Jahrzehnen, in einer historisch lächerlich kurzen Periode vollbrachten China, Indien, Osteuropa und Teile Südamerikas eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Hatten vor kurzem hunderte Millionen einen attraktiven Lebensstandard, so sind es jetzt Milliarden, die gut leben oder gerade die Armut abschütteln.
Milliarden Kunden und man beklagt die Krise. Da fehlt es ganz offensichtlich an Unternehmern, die etwas unternehmen.
Ferne Länder? Andere Sitten? Exportieren ist nur etwas für Große? Das Internet bringt den Weltmarkt bis in die kleinste Werkstatt. Man muss nicht wie Marco Polo über Russland und die Türkei nach China reisen, um in Beijing oder Shanghai Kunden zu gewinnen. Jeder kann "mit vergnügten Sinnen" nicht auf das beherrschte Samos, aber auf einen gigantischen Markt voller Chancen blicken.
Doch, was geschieht? Die meisten jammern. Überholte Strukturen werden krampfhaft verteidigt, also mit viel Geld aufrecht erhalten. Geld, das man für die Eroberung neuer Märkte einsetzen sollte. Jene, die die Chancen erkennen und sich auf den Weg machen, die Zukunft zu erobern, werden durch unsinnige Vorschriften behindert. Die Politik produziert ein Gesetz nach dem anderen, um das Bestehende zu verteidigen, Risiken zu bekämpfen und jene zu bestrafen, die ein Wagnis eingehen.
Da muss sich der Gast mit Grausen wenden, nicht, wenn dem Mutigen das Glück hold ist.
Der historische Polykrates nahm ein schreckliches Ende. Ist also Europa gut beraten, sich selbst zu lähmen und den Göttern die Arbeit des Strafens abzunehmen?
