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ACTA - Wir handeln alle global

Haben Sie schon einmal günstig Medikamente über das Internet bestellt? Oder auf kino.to einen Film angesehen?

Thomas Hofbauer


Oder Musik von einer Tauschbörse heruntergeladen? Und hat man Ihnen dafür den Internetzugang gesperrt?

Vermutlich nicht, doch genau das kann man in das ACTA-Abkommen zum Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen hineininterpretieren. Über zwei Millionen Menschen in Europa haben mittlerweile eine Petition dagegen unterschrieben und Berufshacker, wie jene von Anonymous, aber auch Mandatare von Parteien laufen dagegen Sturm. Doch was ist so schlimm an einem Abkommen, das den Diebstahl von geistigem Eigentum und den Handel mit gefälschten Waren verhindern will?

Da wäre zum einen die schwammige Formulierung. Denn einerseits sieht das Abkommen nur die Verfolgung von gewerbsmäßigen Urheberrechtsverletzungen vor, doch wo die Gewerbsmäßigkeit beginnt, ist schwer zusagen. Im Abkommen heißt es in Artikel 23, dass Handlungen "der Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils dienen" müssen. Aber wo beginnt der wirtschaftliche Vorteil? Wenn ich damit das Geld für sieben CDs oder DVDs spare?

Da war aber auch der sehr undurchsichtige Entstehungsprozess zum Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA). Offenbar wurde über Jahre im Hinterzimmer versucht, es unterschiedlichen Lobbygruppen recht zu machen. Was nach den Verhandlungen um ein internenationales Urheber- und Markenschutzrecht als Text präsentiert wurde, ist so vage, dass die deutsche Justizministerin auf Anfrage nicht sagen konnte, ob damit auch die Zensur des Internets beschlossen wird.

Nun schrillen nicht zuletzt wegen des heftigen Drucks aus der Bevölkerung in immer mehr Ländern die Alarmglocken. Unser Nachbarland Deutschland hat die Unterzeichnung mittlerweile ausgesetzt. Und auch Estland, die Niederlande, Zypern und die Slowakei lassen sich noch Zeit. Bei den anderen 21 EU-Staaten, darunter Österreich, ist der Zug bereits am 26. Jänner abgefahren. Sie haben gemeinsam in Tokio das Abkommen unterzeichnet. Doch auch in diesen Ländern formiert sich - spät aber doch - der Widerstand und so mancher Politiker hofft nun darauf, dass das EU-Parlament das Abkommen noch zu Fall bringt.

Natürlich kann man dem Abkommen auch positive Seiten abgewinnen. Der Handel mit gefälschten Medikamenten, die ein immer größer werdendes Risiko für die Gesundheit darstellen, kann damit ein Stück weit unterbunden werden. Und auch der Diebstahl von geistigem Eigentum ist schlicht abzulehnen. Doch man kann auch über das Ziel schießen, wenn der Einfluss der Lobbygruppen auf die Politik zu hoch und das Verständnis für die realen Bedürfnisse und Gegebenheiten der Menschen zu gering ist. Die Gesetze zur Globalisierung werden noch immer für internationalen Konzerne geschrieben. Doch nicht nur sie sind betroffen. Unzählige Fragen stellen sich auch bei den Menschen, die sich in der globalisierten und virtualisierten Welt bewegen. Auch sie betreffen Datenschutz-, Urheber- und Konsumentenschutzrechte aus unterschiedlichen Ländern. Doch sie haben keine Rechtsabteilungen im Hintergrund, sie werden mit ihren Fragen alleine gelassen, weil es keine verbindlichen internationalen Richtlinien gibt. Übervolle Veranstaltungen zum Thema Facebook, Google und Datenschutz oder Betrügereien beim Online-Einkauf sind letztendlich der Beweis dafür. Bleibt die Frage offen, ob nach dem internationalen Abkommen gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen auch ein internationales Abkommen zum Schutz der Interessen von Konsumenten kommen wird. Sie haben Zweifel? Fordern wir es gemeinsam ein!

Zum Autor
Thomas Hofbauer ist Leiter der Online-Redaktion der "Salzburger Nachrichten".

thomas.hofbauer@salzburg.com