Unfälle und Umwege der abenteuerlichsten Sorte hat man Navis schon zugeschrieben. Autofahrten über Stiegenabgänge zum Beispiel oder die reizende Geschichte einer Oma, die zu ihren Enkerln wollte und an der kroatischen Grenze angehalten wurde. Sie habe sich eh gewundert, meinte sie, dass sie so lang von Düsseldorf nach Köln unterwegs sei.
Keine Ahnung, ob auch nur eine einzige dieser Legenden wahr ist. Wovon hier erzählt wird, dafür kann ich mich aber verbürgen.
Neulich war ich zu einem mir unbekannten Ort unterwegs. An so einen, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Ohne Navi auf dem Smartphone wäre ich nie angekommen, denn Straßenkarten aus Papier gibt es für diesen Winkel unseres Landes vermutlich keine.
Mein Navi auf dem Smartphone kennt hingegen jeden Ort dieser Erde - zumindest diesen - und es hatte dorthin sogar mehrere Routen parat. Ich war begeistert.
Und dann passierte es. Aber es war kein jäher Abgrund, an den mich das Navi führte, auch stürzte ich in keine Schlucht oder musste reißende Flüsse ohne Brücken durchqueren. Es war nur ein einziges Wort, das mir noch Tage danach Kopfzerbrechen bereitete. Irgendwann meinte die Sprechmaschine nämlich ganz keck: "Du befindest dich immer noch auf der schnellsten Route". Das sagt mein Navi zwar immer, wenn es sich mit der Ankunftszeit vertan hat. Aber eines war dieses Mal dennoch anders: Das Ding duzte mich. Warum?
Mich irritiert dabei weniger, dass eine Maschine mich duzt. Mich irritiert viel mehr, dass so etwas Computern nicht einfach so passiert.
Meinte das Navi, weil wir uns so weit auf dem Land befanden, dass ein Du deshalb angebracht sei? Oder waren wir über 1000 Höhenmeter? Vielleicht habe ich mein Smartphone bei diversen Schimpftiraden auch zu oft geduzt und das ist jetzt die Rache auf Augenhöhe? Ich komme einfach nicht drauf. Kann es sein, dass ich irgendwo mein Geburtsdatum falsch angegeben habe, um mich um Jahrzehnte jünger zu machen oder um den Datenkraken Apple und Google einfach nur zu zeigen, dass sie nicht alles über mich wissen können? Glaubt jetzt meine Navi auf dem Smartphone, ich sei ein Kind, das man so mir nichts, dir nichts duzt? Und wenn das so wäre, warum denkt es, darf ich dann Auto fahren? Denkt es?
Unlängst hat mir das Navi eine Nachricht auf den Bildschirm gezaubert. Da stand, ich wäre in genau 30 Minuten zu Hause, normaler Verkehr. Dabei war ich gerade erst zum Sonntagsdienst in die Redaktion gefahren. Gibt es jetzt auch Empfehlungen ab, wohin ich fahren soll und nicht nur wie? Ich werde es nicht herausfinden, schalte das Navi inzwischen aber noch öfter ein, auch auf Strecken, die mir bekannt sind. Vielleicht entdecke ich ja die eine oder andere Verhaltenskreativität mehr in dieser Maschine. Und irgendwann auch die Antwort auf die Frage, ob mich eine derartig personalisierte digitale Welt belustigen oder erschaudern lassen soll.


